Skip to main content

Johannes Steiniger: Kindergeld nur, wer hier beschäftigt ist

Rede zu Kindergeld für im Ausland lebende Kinder

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser AfD-Antrag vermischt erstens Dinge, die nicht zusammengehören.

(Beifall der Abg. Marianne Schieder [SPD] – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Jawohl!)

Er zeigt zweitens die Ideenlosigkeit der AfD, weil sie gar keinen umsetzbaren Vorschlag vorlegt. Drittens – das ist wohl das Interessanteste –: Er kümmert sich mit keinem Wort um das eigentliche Problem, nämlich um den Missbrauch von Kindergeld.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch heute haben wir wieder die alte Leier: Ihnen geht es nicht darum, die Probleme in Deutschland zu lösen. Ihnen geht es um Effekthascherei und Stimmungsmache. Aber damit kommen Sie bei uns nicht durch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Bei Ihnen nicht, beim Bürger schon!)

Zu meinem ersten Punkt. Sie werfen die Indexierung des Kindergeldes in einen Topf mit der Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme und mit dem Missbrauch.

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau so ist es!)

Totaler Quatsch!

(Beifall der Abg. Dr. Wiebke Esdar [SPD])

Das hat rein gar nichts miteinander zu tun, und das wissen Sie auch.

(Lachen bei der AfD)

Ihnen geht es um eines: Sie wollen hier nur eine bestimmte Botschaft absetzen. Ich möchte einmal kritisch sagen: Leider geht Ihnen dabei in Teilen auch die Presse auf den Leim. So schreibt beispielsweise die „Berliner Morgenpost“: Wer in Deutschland gemeldet ist, dessen Kinder im Ausland leben, hat Anspruch auf Kindergeld. – Um es hier noch einmal ganz klar zu sagen: Das ist falsch, falsch und nochmals falsch. Natürlich zielt Ihr Antrag nur auf genau diese Botschaft ab, doch es bleibt schlichtweg falsch.

Erstens erhält Kindergeld nur, wer hier beschäftigt ist. Zweitens geht es bei der Kindergeldregelung, über die wir heute diskutieren, nur um EU-Bürger. Es geht gerade nicht um alle Ausländer, wie die Kollegin gerade eben ja schon wieder zu suggerieren versucht hat.

(Karsten Hilse [AfD]: Das hat sie gar nicht gesagt! Das stimmt doch gar nicht! Hören Sie doch einfach richtig zu! Also wirklich!)

Um es einmal ganz klar zu sagen: Das, was Sie hier unterschwellig sagen wollen,

(Karsten Hilse [AfD]: Was wir „unterschwellig“ sagen wollen? Aha, alles klar!)

ist ja, dass sozusagen die Flüchtlinge, die zu uns kommen, Kindergeld bekommen und dies dann in ihr Heimatland schicken. Absoluter Quatsch!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der afghanische Flüchtling erhält natürlich kein Kindergeld für seine Kinder in der Heimat, und das ist auch richtig so.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Davon war ja gar nicht die Rede! – Karsten Hilse [AfD]: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

Aber natürlich müssen wir darüber sprechen, ob wir beim Thema „Kindergeldzahlungen ins Ausland“ nicht zu Veränderungen kommen können und die Höhe dieser Zahlungen an die örtlichen Lebenshaltungskosten anpassen.

(Karsten Hilse [AfD]: Ja, genau! Machen Sie mal! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dann machen Sie es doch endlich!)

Denn das Kindergeld und der Kinderfreibetrag sollen ja gerade das Existenzminimum des Kindes steuerlich freistellen. Die Lebenshaltungskosten sind nun einmal in Rumänien für ein dort lebendes Kind niedriger als in Deutschland.

(Karsten Hilse [AfD]: Dann stimmen Sie doch einfach unserem Antrag zu!)

Was Sie übrigens nicht in Ihrem Antrag erwähnen, ist: In Luxemburg sind die Lebenshaltungskosten signifikant höher.

(Karsten Hilse [AfD]: Ja, und?)

Aber für die Erkenntnis, dass wir da etwas machen müssen, brauchen wir Sie nicht.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach nein? Dann machen Sie doch endlich was, verdammt noch mal! Das ist ja wieder typisch CDU! Rumschwätzen und nichts passiert!)

Dafür brauchen wir nicht die AfD, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn wir haben dieses Problem schon in der letzten Legislatur thematisiert. Schon in der letzten Legislatur gab es Vorstöße der Bundesregierung, und ganz aktuell gibt es eine Initiative unseres Kollegen Sven Schulze im Europäischen Parlament. Diese ist zu begrüßen. Ich wünsche mir von der Bundesregierung, dass sie diese mit frischem Elan und neuem Druck auf die EU weiter unterstützt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Schwätzer! Nur schwatzen, aber nichts tun!)

Jetzt zum zweiten Punkt. Ihr Antrag ist ideenlos.

(Lachen bei der AfD – Karsten Hilse [AfD]: Ja, logisch!)

Sie hätten sich etwas mehr Mühe geben können. Denn Sie fordern in Ihrem Antrag schlicht einen europarechtskonformen Gesetzentwurf durch die Bundesregierung. Wo ist denn Ihr eigener Vorschlag dazu?

(Karsten Hilse [AfD]: Sie sind die Bundesregierung! Also wirklich, Sie stellen doch die Bundesregierung!)

Wo sind denn Ihre eigenen Eckpunkte zu einem Gesetz für eine europarechtskonforme Indexierung? Die Wahrheit ist: Sie haben gar keine.

(Karsten Hilse [AfD]: Bringen Sie doch einfach Ihren eigenen Antrag ein!)

Da ist nichts, nada: entweder weil Sie nicht wissen, wie es geht

(Marianne Schieder [SPD]: Die wollen doch nur hetzen!)

– das spräche dann für die Konzeptlosigkeit Ihrer Fraktion –, oder aber Sie können gar keine konkreten Vorschläge vorlegen, weil Sie ganz genau wissen, dass der nationale Alleingang, den Sie vorschlagen, eben gerade nicht europarechtskonform ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wieso? Was ist denn mit Österreich?)

Vielleicht haben Sie ja sogar tatsächlich die ganzen Gutachten gelesen, die sagen, dass wir die Indexierung nicht national einführen können, sondern dass wir an das europäische Sekundärrecht ranmüssen.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Kurz und Strache machen es auch!)

Wahrscheinlich wissen Sie auch ganz genau, dass es deshalb einen solchen nationalen Alleingang gar nicht geben kann und dass die Bundesregierung richtig handelt, wenn sie das Thema in der Europäischen Union adressiert.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dann fragen Sie mal Ihren Freund Kurz!)

Wenn das aber so wäre, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann wären Sie wieder einmal entlarvt: Ihnen geht es nicht um die Sache. Sie wollen verunsichern, Sie wollen Stimmung machen, und Sie wollen einen Keil in die Gesellschaft treiben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Immer die alte Leier!)

Zum Schluss will ich – drittens – auf das eigentliche Problem eingehen: den Missbrauch bei der Kindergeldzahlung. Das Erschleichen von Sozialleistungen ist ein Problem und muss hart bekämpft werden.

(Zuruf von der AfD: Das Problem ist die Bundesregierung!)

Wir haben dazu in der letzten Legislatur einiges auf den Weg gebracht.

(Karsten Hilse [AfD]: Und nichts erreicht! – Weiterer Zuruf von der AfD: Was denn?)

– Von der AfD wurde gerade gefragt: „Was denn?“ Hören Sie einfach zu! Ich sage Ihnen die Maßnahmen, die wir gemacht haben. Viele der Maßnahmen sind gerade erst in Kraft getreten und beginnen jetzt langsam zu greifen.

Erstens. Wir haben in der letzten Legislaturperiode die rückwirkende Zahlung von Kindergeld eingeschränkt, von 60 Monaten auf 6 Monate. Wir haben die steuerliche Identifikationsnummer als Bedingung für die Zahlung von Kindergeld beschlossen. Das macht den Missbrauch an dieser Stelle wesentlich unattraktiver und schwieriger.

Zweitens haben wir im Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung auch eine Neuregelung zum Datenaustausch eingebaut. So können die Erkenntnisse des Bundeszentralamts für Steuern künftig viel schneller an die Familienkassen weitergegeben werden.

Drittens ist der Datenabgleich zwischen den Behörden vor Ort im letzten Jahr verbessert worden. Wir haben automatisierte Verfahren, die die Datenübermittlung aus dem Ausländerzentralregister an die Familienkassen leichter machen. Beispielweise in Nordrhein-Westfalen gibt es bereits behördenübergreifende Prüfungen. Andere Länder wollen folgen. So kann zu viel gezahltes Kindergeld schneller zurückgefordert werden.

(Karsten Hilse [AfD]: He, he, he! Der war gut! Zurückgefordert!)

Und viertens gibt es bei den Familienkassen einen Aufwuchs der Kräfte, die explizit für die Bekämpfung von Missbrauchsfällen eingesetzt werden. In allen 14 regionalen Standorten der Familienkassen sind Personalzuwächse geplant.

Sie sehen also: Statt Schaufensteranträge wie Ihren vorzulegen, nimmt diese Regierungskoalition die Probleme ernst und geht sie an.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben natürlich den Aufschrei der Bürgermeister im Sommer vernommen. Wir müssen noch mehr tun. Denn leider scheint der Kindergeldmissbrauch in einigen Gegenden Deutschlands zum Geschäftsmodell geworden zu sein.

(Zuruf von der AfD: Hört! Hört!)

Kriminelle Banden mieten schrottreife Wohnungen. Hier bringen Schlepper EU-Ausländer – häufig aus Osteuropa – unter widrigsten Bedingungen unter. Dann verschaffen sie diesen Scheinbeschäftigungen und beantragen mit gefälschten Dokumenten Kindergeld für nicht vorhandene Kinder.

An jedem dieser Punkte müssen wir ansetzen. Aber das hat rein gar nichts mit Ihrem Antrag zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karsten Hilse [AfD]: Wir müssen, wir müssen, wir müssen! Machen Sie es doch einfach!)

Der Datenaustausch muss deutschlandweit weiter etabliert werden. Wir müssen von den Best Practices der regionalen Kooperationen lernen und die Erfolge bundesweit umsetzen.

Auch ein tagesaktueller Meldedatenabgleich zwischen Melde- und Sozialleistungsbehörden auf der einen und Finanzämtern auf der anderen Seite sollte diskutiert werden, und wir müssen auch besser international zusammenarbeiten, um dies entsprechend abzuprüfen.

Am Ende des Tages bringt Ihr Antrag für diese Probleme rein gar nichts. Sie wollen Stimmung machen. Sie legen hier nichts Ordentliches vor, und deswegen lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)