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Hansjörg Durz: " Wir wollen eine entwicklungsoffene Lösung"

Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien

Gerne weniger. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wer mit einem Begriff beschreiben möchte, um was es in digitalpolitischen Debatten heutzutage im Grunde geht, der wird am Terminus der digitalen Souveränität nicht vorbeikommen,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

und es ist dieser Begriff, der auch das Ansinnen des vorliegenden Gesetzes sehr gut fasst.

Doch die Geschichte des Souveränitätsbegriffes ist so ambivalent wie die Entwicklung der digitalen Gesellschaft. Dass wir heute mit digitaler Souveränität etwas Positives verbinden, ist eng verknüpft mit der Entwicklung eines aufgeklärten Europas. Der Erfinder der Souveränitätsthese, Jean Bodin, hätte mit unserer heutigen Staatsform wahrlich seine Probleme; denn er rechtfertigte mit diesem Begriff im 16. Jahrhundert den Absolutismus. Da ein Fürst Ebenbild Gottes sei, müsse er ebenso souverän sein wie dieser und somit ohne jede Machteinschränkung regieren.

Diese Regel galt lange auch für die Herrscher der heutigen digitalen Welt; denn die Entscheidung über die Erhebung und die Nutzung der Daten, die beim Surfen durchs Netz von Bürgerinnen und Bürgern hinterlassen werden, betreffen bis heute einige wenige Konzerne. Mitbestimmung? Fehlanzeige!

Doch die Dinge sind im Wandel, genauso wie einst der Souveränitätsbegriff. Jean-Jacques Rousseau haben wir es zu verdanken, dass sich der Begriff im 18. Jahrhundert von der Fürsten- zur Volkssouveränität wandelte. Heute leitet sich aus diesem Verständnis auch der rechtswissenschaftliche Souveränitätsbegriff ab. Dieser stellt die Selbstbestimmungsfähigkeit eines Rechtssubjekts in den Mittelpunkt, also die Fähigkeit, Entscheidungen eigenständig und unabhängig zu treffen.

Es ist dieses Verständnis von Souveränität, das den Bundesgerichtshof zu einem folgenreichen Urteil bewogen hat: Einwilligungen zu Cookies müssen beim Besuch einer Website aktiv gegeben werden. Der Richterspruch war für die Stellung des Datenschutzes und von Bürgerrechten sicherlich ein Erfolg, für die Akzeptanz der Umsetzung von Maßnahmen zum Datenschutz jedoch nicht; denn die Millionen von Cookie-Einwilligungen, die tagtäglich auf deutschen Bildschirmen aufploppen, haben nichts mit digitaler Selbstbestimmung zu tun, sondern mit digitaler Sisyphusarbeit. Davon müssen wir die Bürger befreien.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Digitale Souveränität muss deshalb anders gehen. Die Grundlagen dafür wollen wir in diesem Gesetz umsetzen, und dies gleich dreifach: durch klar geregelte Datenschutzrechte, durch Schaffung eines Rechtsrahmens zur tatsächlichen Wahrnehmung dieser Rechte im digitalen Zeitalter und durch mehr Wettbewerb. Die Klarheit dieses Gesetzes ergibt sich daraus, dass der Datenschutz bisher im Telekommunikations- und Telemediensektor auf zwei Gesetze verteilt war. Nun gießen wir die Vorschriften in ein eigenes Gesetz. Das hilft nicht nur Juristen, den gesetzgeberischen Willen klar zu erkennen, sondern auch den Bürgern, die Regeln nachzuvollziehen.

(Beifall des Abg. Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU])

Doch als Unionsfraktion möchten wir mehr, als nur aus zwei Gesetzen ein neues zu machen. Wir möchten nicht nur datenschutzrechtliche Klarheit – wir wollen Selbstbestimmung durch Innovation. Und bei der Innovationskraft hat dieses Gesetz noch ein Stück Nachholbedarf. Denn in Deutschland und in Europa stehen zahlreiche Unternehmen und Initiativen bereit, den Datenschutz von einem Bürokratiemonster zu einem Instrument echter digitaler Souveränität zu machen. Wenn Datenschutzeinstellungen zentral bei einem Treuhänder vorgenommen werden können, braucht niemand mehr genervt irgendwelchen Cookie-Richtlinien zuzustimmen; dann kann jeder Bürger selbstbestimmt und in Ruhe eine Entscheidung treffen.

Als Politik muss es unsere Aufgabe sein, diese Entwicklungen per Gesetz zu unterstützen, ohne sie jedoch überzuregulieren. Wir wollen eine entwicklungsoffene Lösung; das schließt die Anbieterseite ein. Ob gemeinnützige Organisationen, der Staat oder Unternehmen: Welchem Angebot der Bürger am meisten vertraut, muss er selbst bestimmen. Wir müssen ihn lediglich dazu in die Lage versetzen.

Der dritte und letzte Punkt, der für digitale Souveränität wichtig ist, ist ein funktionierender Wettbewerb. Denn nur wenn der Bürger wirklich eine Wahl zwischen verschiedenen Produkten treffen kann, ist die Ausübung von Souveränität möglich. Deshalb darf es keine Machtübertragung von monopolartigen Anbietern von Internetbrowsern in andere Geschäftsmodelle geben, wie zum Beispiel das der Werbung. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass die Anbieter von Browsern kein vom Nutzer entkoppeltes Datenschutzregime etablieren. Entscheiden soll allein der Nutzer, wer seine Daten bekommt.

Klare Regeln, ein neuer Rechtsrahmen für einen innovativen Datenschutz und einen starken Wettbewerb – das ist der Fahrplan der Union für den Datenschutz der Zukunft und für die nun vor uns liegenden Beratungen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)