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Hans-Jürgen Thies: Wir müssen den Pakt für den Rechtsstaat weiterentwickeln

Redebeitrag zum Einzelplan 07 - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rechtspolitik der letzten sechs Monate war in erster Linie davon geprägt, die vielfältigen Herausforderungen der Coronakrise zu bewältigen. Dabei waren zur akuten Krisenbewältigung unter anderem die Aussetzung relevanter Fristen, aber sogar Eingriffe in die Vertragsfreiheit notwendig. Dies alles haben wir gemacht, um gewachsene Strukturen zu erhalten und um soziale Verwerfungen zu verhindern.

Der Bundesjustizministerin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses möchte ich ausdrücklich dafür danken, dass uns Abgeordneten im Krisenmodus mit brauchbaren Formulierungs- und Entscheidungsvorschlägen zeitnah zugearbeitet wurde. Im Ergebnis, denke ich, haben wir auch in der Rechtspolitik in den letzten Monaten vieles richtig gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der heutigen Haushaltsdebatte gilt es allerdings, den Blick nach vorne zu richten. Der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf 2021 sieht ein Ausgabenvolumen von 952 Millionen Euro für den Einzelplan 07 vor. Immerhin enthält der Entwurf einen Aufwuchs von 3,5 Prozent. Allein im Bereich des BMJV soll eine Ausgabensteigerung um 10 Prozent erfolgen. Auffällig ist ferner, dass für den Bereich des Verbraucherschutzes nur ein Ausgabenvolumen von 41 Millionen Euro vorgesehen ist; dabei soll der Zuschuss für die Stiftung Warentest um 10 Prozent gekürzt werden und der Zuschuss für die Verbraucherzentrale auf Bundesebene um 2,5 Prozent. Diese Kürzungen, aber auch die Ausgabensteigerungen beim BMJV sollten meines Erachtens in den weiteren Haushaltsberatungen noch einmal kritisch hinterfragt werden.

Aus dem Bereich meiner Berichterstattungen möchte ich zwei Vorhaben kurz ansprechen, bei denen ich mir nunmehr ein zügiges Handeln des BMJV wünsche.

Als Erstes möchte ich auf die längst überfällige Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hinweisen. Dieses Gesetz soll und muss zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Mir ist völlig klar, dass es hier langwierige und schwierige Verhandlungen mit dem Bundesrat und den Bundesländern gegeben hat; sie sind jetzt aber bekanntlich abgeschlossen.

Unabhängige Rechtsanwälte sind ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Rechtspflege. Sie sind elementar für unseren Rechtsstaat. Der einfache Zugang zum Recht ist die notwendige Voraussetzung für einen effektiven Rechtsschutz aller Bürger. Dazu gehört auch eine ausreichende Anzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, und zwar nicht nur in den großen städtischen Ballungsräumen, sondern auch und gerade in der Fläche, also in den ländlichen Regionen. Auch der Einzelanwalt sowie die Anwälte in kleineren und mittleren Kanzleien erfüllen somit wichtige Aufgaben beim Zugang zum Recht. Dort sind aber angemessene Vergütungsvereinbarungen, insbesondere bei Naturalparteien, nicht immer durchsetzbar. Umso wichtiger sind hier auskömmliche gesetzliche Vergütungssätze. Die Kosten des Kanzleibetriebs sind seit der letzten Gebührenanpassung im Jahr 2013 gerade bei Personal- und Mietkosten um rund 20 Prozent gestiegen. Diese Kostensteigerungen werden durch die angedachte lineare Erhöhung der Gebühren um 10 Prozent und durch geringfügige strukturelle Verbesserungen nur teilweise kompensiert. Meine Bitte an die Bundesregierung lautet daher: Lassen Sie die deutsche Anwaltschaft nicht im Regen stehen! Sie ist für das Funktionieren unseres Rechtsstaats absolut systemrelevant.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Abschließend möchte ich noch an die dringend erforderliche Reform des Stiftungsrechtes erinnern. Das aktuelle Stiftungsrecht ist durch ein Nebeneinander von Landes- und Bundesrecht gekennzeichnet. Entsprechend den Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist eine Vereinheitlichung des Stiftungsrechts mit abschließenden Regelungen im BGB sinnvoll. Dazu sollte auch ein einheitliches Stiftungsregister gehören. Mehr als 23 000 Stiftungen des Privatrechts in Deutschland benötigen ein klar strukturiertes Regelwerk, mit dem sie rechtssicher umgehen können. Millionen von Menschen sind in Deutschland freiwillig und im Ehrenamt für das Gemeinwohl aktiv, viele davon in gemeinnützigen Stiftungen. Dieses Engagement muss der Bundesgesetzgeber durch ein modernes Stiftungsrecht unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den im Koalitionsvertrag angelegten Pakt für den Rechtsstaat müssen wir weiterentwickeln. Ich bitte Sie, daran mit konstruktiven Vorschlägen mitzuwirken. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Haushaltsberatungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)