Skip to main content

Fritz Güntzler: Wir schützen mit diesem Gesetz die kleinen Einzelhändler

Rede zum Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich gefreut, mal wieder über ein Jahressteuergesetz debattieren zu dürfen. Jahrelang hatten wir die Begrifflichkeit nicht. Leider musste ich dann doch zur Kenntnis nehmen, dass auch dieses Gesetz wieder einen anderen Namen bekommen hat.

Lieber Herr Kollege Glaser, der Kabinettsbeschluss ist vom 1. August dieses Jahres. Wieso Sie sich erst seit Montag mit dem Text beschäftigen konnten, erschließt sich mir nicht. Ich habe die Sommerpause schon nutzen können, um einiges nachzulesen. Sie scheinen aber wirklich nur eine kurze Zeit gehabt zu haben; denn das, was Sie zu den Umsatzsteuerfragen gesagt haben, war schlicht falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daher gönnen Sie sich die Zeit der Beratungen, damit wir Sie vielleicht noch mitnehmen können auf dem Weg, etwas Vernünftiges gegen Steuerbetrug zu tun – das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt –, gegen Steuerbetrug allgemein, aber insbesondere auch gegen Umsatzsteuerbetrug.

Das Thema beschäftigt uns schon sehr lange. Die Umsatzsteuer macht ungefähr 220 Milliarden Euro aus. Das ist circa ein Drittel unseres gesamten Steueraufkommens. Daher ist es in unserem eigenen Interesse, das Steueraufkommen zu sichern.

Die Staatssekretärin hat darauf hingewiesen: Es geht auch um Wettbewerbsgerechtigkeit, um fairen Wettbewerb. Der Händler – meist ist es der kleine Einzelhändler, Herr Kollege Glaser – weiß nämlich: Wenn jemand etwas über eine Plattform erwirbt und das ist viel günstiger als woanders, dann ist der Grund, dass keine Umsatzsteuer abgeführt wird. Das ist ein Vorteil von 19 Prozent. Das ist kein fairer Wettbewerb. Wir schützen mit diesem Gesetz gerade die kleinen Einzelhändler, die kleinen Unternehmer. Daher sollten Sie wirklich überlegen, ob Sie im Ergebnis nicht doch zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass das nicht unsere erste Maßnahme gegen den Umsatzsteuerbetrug ist:

Wir haben, um Steuerkarusselle zu verhindern, dafür gesorgt, dass bei Gründungen die Voranmeldungen monatlich abzugeben sind, weil Neugründungen immer wieder dafür genutzt wurden.

Wir haben die Umsatzsteuernachschau eingeführt, ergänzt um die Kassennachschau.

Wir haben die Angaben auf den Rechnungen erweitert.

Wir haben die Haftung bei bösgläubigen Unternehmen geregelt. Die Haftungsfrage hatten wir also schon einmal in § 25d UStG.

Wir haben in verschiedenen Bereichen Reverse-Charge-­Verfahren eingesetzt, wonach die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergeht, ein Modell, mit dem wir viel mehr machen wollten. Die Bundesrepublik Deutschland ist aber daran gescheitert, es noch umfangreicher einzuführen. Wir haben also schon viele Maßnahmen ergriffen.

Nun haben wir den Onlinehandel in den Fokus genommen. Herr Glaser, wenn Sie davon sprechen, dass es keine empirischen Daten gibt, dann können Sie vielleicht manche Hinweise berücksichtigen. Nach einer Recherche der „Süddeutschen Zeitung“ sind bei Amazon Marketplace – das ist die Basis – insgesamt 4 000 gewerbliche Anbieter allein aus China und Hongkong registriert, die aber in Deutschland steuerlich nicht registriert sind. Wir wissen auch, dass immer mehr Verkäufe laufen. Über die Daten des Zolls können wir nachweisen, dass mittlerweile 100 Millionen Päckchen aus Nicht-EU-Staaten hier ankommen. Da liegt die Vermutung schon nahe, dass das auch zu einem steuerlichen Schaden führt. Die genaue Dunkelziffer zu benennen, ist schwierig. Aber seriöse Einschätzungen gehen davon aus, dass es sich um bis zu 1 Milliarde Euro handeln kann. Daher ist es richtig und klug, dass wir in diesem Punkt handeln.

Andere europäische Länder haben uns das schon vorgemacht. In UK gibt es ähnliche Regelungen, das war ein Vorbild für uns. Daher bin ich sehr dankbar, dass wir hier als Bundesregierung und Koalition handeln.

Im Übrigen hat die CDU/CSU-Fraktion ein Fachgespräch mit Händlern und Plattformanbietern geführt. Interessanterweise – damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet – haben alle die Zielsetzung dieses Gesetzes gelobt. Natürlich wird es Detailfragen geben. Wir hatten heute ein Berichterstattergespräch, in dem wir fast jeden Satz abgewogen haben. Es wird wahrscheinlich auch noch Veränderungen geben können. Aber die Zielsetzung und die Richtung sind genau richtig. Daher bin ich froh, dass wir hier die Lösung gefunden haben.

Ich bin sehr froh, dass wir, wie gesagt, die Unterstützung der Plattformbetreiber und auch der Händler haben, weil sie selber nur mit seriösen Leuten zusammenarbeiten wollen, die sich in Deutschland registrieren lassen, die in Deutschland ihren steuerlichen Pflichten nachkommen. Alles andere, wenn Geld hinterzogen wird, ist asozial in größtem Umfang. Das geschieht beim Umsatzsteuerbetrug. Daher: Gut, dass wir hier handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Staatssekretärin hat weiterhin darauf hingewiesen, wie es eigentlich in einem Jahressteuergesetz ist, dass wir noch viele andere schöne Dinge haben, über die wir noch umfassend diskutieren werden. Ich will auf zwei kurz eingehen.

Das ist einmal die sogenannte Dienstwagenbesteuerung – auch das haben Sie angesprochen, Frau Lambrecht – mit der Halbierung der Bemessungsgrundlage für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Natürlich lautet die Diskussion: Will man eine Lenkungsnorm im Steuerrecht? Das haben wir überall. Als Steuerdogmatiker bin ich da, zugegebenermaßen, auch sehr vorsichtig. Aber nun haben wir das hier, und es steht auch im Koalitionsvertrag, dass wir etwas machen wollen. Ich gebe aber zu bedenken, dass wir – auch das haben wir schon angesprochen – noch einmal darüber diskutieren sollten, ob wir die reinen Elektrofahrzeuge genauso privilegieren und unterstützen wie die Hybridfahrzeuge oder ob wir dort nicht Kriterien einführen wie zum Beispiel im Elektromobilitätsgesetz, wo wir genaue Lösungen dafür gefunden haben, welche Hybridfahrzeuge in den Genuss der Begünstigung kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das macht man entweder am Ausstoß oder an der Elek­troreichweite fest, dass man also vielleicht 40 Kilometer fahren kann. Ich glaube, wir sollten da ein bisschen differenzierter herangehen. Dazu gibt es aber schon erste Überlegungen.

Ich bedaure ein bisschen, dass ich die Sonderabschreibung für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge, die es geben sollte – das haben wir im Koalitionsvertrag nämlich auch geregelt –, in diesem Gesetzentwurf noch nicht gesehen habe. Ich hoffe, dass dieses Vorhaben zügig umgesetzt wird; denn das wäre eine weitere wichtige Maßnahme.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein weiterer Punkt, den ich nur kurz ansprechen möchte, sind die Regelungen zur sogenannten Verlustnutzung; da geht es um § 8c Körperschaftsteuergesetz. Hier müssen wir aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts handeln, das uns ins Stammbuch geschrieben hat, dass die Regelungen, die wir dort haben, zum Teil verfassungswidrig sind. Ich bedaure ein wenig, dass im Gesetzentwurf derzeit nur vorgesehen ist, dass wir diese Regelung für eine gewisse Zeit aussetzen, nämlich bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2015.

Ich glaube, wenn man sich das Urteil anguckt, muss man feststellen: Da springen wir ein bisschen kurz. Denn es ist nicht gesagt, dass diese Regelung ab dem Veranlagungsjahr 2016 tatsächlich verfassungsgemäß ist, weil wir den § 8d KStG eingeführt haben. Ich glaube, wir müssen uns das noch einmal ansehen. Dass das ein wichtiges Thema ist, steht außer Frage. Wenn man den Statistiken glauben kann, haben wir ungefähr 700 Milliarden Euro Verlustvorträge bei den Körperschaften. Sie sehen: Wenn man da mit 15 Prozent herangeht, entspricht das einer latenten Steuererstattung von 105 Milliarden Euro. Das ist nicht ganz trivial. Wir wollen, dass nur wirtschaftlich gleiche Einheiten den Verlust nutzen können. Das müssen wir vernünftig definieren. Von daher sind wir, glaube ich, am Anfang der Diskussion darüber, wie wir das Thema insgesamt noch einmal aufgreifen können.

Das wird eine spannende Debatte. Wir haben ja schon ein paar Berichterstattergespräche geführt. Ich freue mich, dass ich mich als Steuerpolitiker in diesen verschiedenen Themen richtig ausbreiten kann, und ich freue mich auf die Beratung. Das wird ja nicht das Ende der steuerlichen Themen sein. Wir haben ja noch einige andere Punkte auf der Agenda, den Solidaritätszuschlag und andere Fragen, Herr Dürr. Auch darüber werden wir diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Christian Dürr [FDP]: Gerne! Wenn Sie das im Ausschuss nicht immer verhindern!)