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Dr. Hermann-Josef Tebroke: Wir wollen TARGET2 sichern und gegebenenfalls nötiges Vertrauen stärken

Rede zur Besicherung von Target-Forderungen

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgabe der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Systems der Zentralbanken sind die Sicherung der Preis- und Geldwertstabilität sowie die Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden Zahlungssystems im Euro-Währungsgebiet. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, so heißt es in der Satzung von EZB und ESZB, dessen anstehende Änderung des Artikels 22 der Satzung die AfD nun zum Anlass nimmt, einen Antrag vorzulegen, und zum Hebel, Änderungen zu erreichen, und zwar nicht nur im TARGET2-System, sondern – so vermute ich – deutlich darüber hinaus. Über die Wirkweise des TARGET2 ist genügend vorgetragen worden. Auch ist im Antrag bereits darauf hingewiesen und von Herrn Kollege Berghegger noch einmal betont worden: Die Salden im TARGET2-System laufen deutlich auseinander. Das verdient eine genauere Betrachtung. Der deutlich angestiegene positive Saldo der Bundesrepublik liegt bei rund plus 900 Milliarden Euro. Aber auch die Salden etwa Spaniens mit minus 400 Milliarden Euro und Italiens mit minus 500 Milliarden Euro müssen genauer betrachtet werden.

Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Welche Gründe werden in diesem Zusammenhang genannt? Da sind zum einen das anhaltende Leistungsbilanzungleichgewicht zwischen den Akteuren. Da ist zum Zweiten die Verlagerung grenzüberschreitender Zahlungen aus dem Interbankengeschäft auf das TARGET2-System. Da gibt es drittens das wachsende Interesse an Geldanlagen in Deutschland, Stichwort „sicherer Hafen“. Meine Damen und Herren, insofern ist der Befund weitgehend unstrittig. Strittig sind allerdings die Bewertungen und vor allem auch die Schlussfolgerungen, die aus diesem Befund gezogen werden.

Zum Ersten. TARGET2 funktioniert. Insgesamt gleichen sich die Salden zu null aus. Geldpolitisch kommt es also zu keiner neuen Geldschöpfung. Für das Funktionieren des TARGET2 sind Höhe und Unterschiede der Salden zunächst auch gar nicht wichtig. Begrenzungen sind sogar schädlich; denn indem das System atmen kann und flexibel ist, gibt es keinen Anreiz zu Spekulationen gegen Engpässe und auch nicht gegen einzelne Länder, wie das in Systemen fester Wechselkurse immer wieder beobachtet wird oder beobachtet werden muss. Es funktioniert offenbar so gut, dass es immer mehr genutzt wird. Problematisch sind möglicherweise die Gründe für diese zunehmende Attraktivität. Da sollten wir genauer hinschauen.

Die Kollegen Schick und De Masi sowie die Kollegin Steffen haben deutlich gemacht, dass das TARGET2-­System ein wichtiger Beitrag zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit, Prosperität und Integration in Europa ist. Eine solche positive Bewertung findet sich im vorliegenden Antrag nicht. Das verwundert vielleicht auch gar nicht.

Zum Zweiten. Zur Interpretation der Salden möchte ich nur eine kurze Bemerkung machen. Die AfD sieht die positiven Salden als Forderung der Notenbanken gegenüber der EZB und negative Salden entsprechend als Verbindlichkeiten. So haben „die TARGET-Salden der Bundesbank einen eindeutigen Forderungscharakter“. Diese Einordnung ist zumindest umstritten. Man sollte auch zur Kenntnis nehmen, dass die umfangreiche wissenschaftliche Diskussion durchaus gute Gründe aufweist, die Salden als einfache Rechengrößen zu betrachten. Hierauf findet sich übrigens im Antrag der AfD gar kein Hinweis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Dritten. Was folgt denn nun aus dem Befund? Wenn man der Einschätzung des Antragstellers gleichwohl folgt, dann stellen sich natürlich Fragen danach, wer hier etwa kreditiert unter welchen Bedingungen und zu welchen Konditionen und auch, ob sich Risiken ergeben, ob sie relevant sind und wie damit umzugehen ist. Unter meines Erachtens weitreichenden und zum Teil diffamierenden Annahmen entwickelt nun der Antragsteller – besser: er deutet an – Szenarien, aus denen sich für die Bundesrepublik ein erhebliches, ein untragbares Ausfallrisiko ergibt. Am Ende werde der Schaden – so heißt es – unüberschaubar. Das System breche zusammen, und der deutsche Steuerzahler werde „die Zeche für die Rettung der Banken in den Euro-Südstaaten zahlen“. Hier geht es offensichtlich nicht mehr nur um die sachliche Diskussion des Phänomens und möglicher Ursachen, sondern um das Schüren von Angst, vielleicht sogar Panik. Aber das sind schlechte Berater.

Der Antragsteller schlägt nun erstens vor, den Saldo umgehend zurückzufahren – das auch zuletzt im Antrag vom 6. Juni – und sich dafür einzusetzen, dass Zentralbanken mit negativen Salden – also Verbindlichkeiten – Sicherheiten weiterleiten. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, fordert die AfD die Bundesregierung auf, ihre Zustimmung zur anstehenden Neufassung des Artikels 22, der etwas ganz anderes zum Gegenstand hat, zu verweigern.

Kann das eigentlich gewollt sein? Nur in Kürze: Saldenbeschränkungen in einem solchen System des Zahlungsverkehrs belasten realwirtschaftliche Lieferungs- und Leistungsbeziehungen. Dabei haben wir doch ein großes Interesse daran, Leistungsbeziehungen von Friktionen des Finanzmarkts möglichst loszulösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Also werden solche Beziehungen möglicherweise sogar abgewürgt. Es entsteht das Risiko von Spekulationen gegen den Engpass. Nein, das kann nicht gewollt sein.

Zweitens. Wenn die abnehmende Bonität der Sicherheiten beklagt wird, wird es auch keinen Sinn machen, wie eben auch Herr Schick schon ausführte, diese Sicherheiten einfach nur über die EZB an die im vorliegenden Fall fordernde Deutsche Bundesbank weiterzuleiten. Im Übrigen wäre das so – jetzt nehme ich als Beispiel eine Volksbank –, als würde einem Sparer bei einer Volksbank die Hypothek seines Nachbarn, der bei der gleichen Bank einen Kredit aufgenommen hat, weitergereicht.

Drittens. Wenn das Vertrauen in die Banken beeinträchtigt ist, dann muss es darum gehen, das Vertrauen wieder zu begründen. Das sollten wir – das tun wir auch – an anderer Stelle diskutieren, wenn es um die Quote der Non-performing Loans geht und auch um die Bewertung von Staatsanleihen in den Bilanzen dieser Banken, die nach und nach an Vertrauen verlieren.

(Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Viertens. Entscheidend ist für mich an dieser Stelle, dass ein hier gut funktionierendes System, ein Instrumentarium der Geldpolitik, unzulässigerweise und ohne Aussicht auf den entsprechenden Erfolg bei der Bewältigung der Ursachen für den Saldenanstieg missbraucht wird und seine Wirksamkeit einbüßt.

Und fünftens. Meine Damen und Herren, auch mit der Drohung, der Änderung des Artikels 22 der Satzung nicht zuzustimmen, erweisen wir dem System einen Bärendienst, weil der Artikel 22 und seine Änderung gerade darauf abzielen, das System insgesamt stabiler zu machen. Aber vielleicht geht es dem Antragsteller auch gar nicht darum, das System zu verbessern.

Wenn man vor diesem Hintergrund – ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren – auch die Dramaturgie im Aufbau des Antrags und die Wortwahl betrachtet, dann, vorsichtig formuliert, könnte mindestens der starke Eindruck entstehen, dass der Antragsteller den Schutz des Vermögens der Bundesbank eher nur vorschiebt, dass er gar kein Interesse hat an einer Stabilisierung und erfolgreichen Zukunft von TARGET2 der Europäischen Zentralbank sowie des Systems der Zentralbank, dass er kein Interesse hat an einem gemeinsamen Euro – das ist gerade auch in der Debatte noch mal sehr deutlich geworden – und damit auch kein Interesse hat an einer erfolgreichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Kooperation in Europa zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie jetzt bitte wirklich zum Schluss, Herr Kollege.

Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU/CSU):

Herr Präsident, ich schließe.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Ja, das machen Sie bitte gleich.

Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU/CSU):

Was wir wollen – darum können wir nicht einverstanden sein –: Wir wollen TARGET2 sichern und gegebenenfalls nötiges Vertrauen stärken. Wir wollen die Risiken rational analysieren und sie auch entsprechend managen. Wir möchten die Gründe für dauerhafte strukturelle Leistungsbilanzunterschiede und für Vertrauensverluste bei den Banken nicht mit geldpolitischen Instrumenten, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte jetzt!

Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU/CSU):

– sondern mit geeigneten Mitteln innerhalb der jeweiligen Zuständigkeit regeln. Darum lehnen wir – meine Damen und Herren, das können Sie nachvollziehen – den Antrag ab.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)