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Dr. Heribert Hirte: Wir setzen für eine kleinere Gruppe die Insolvenzantragspflicht noch einmal aus"

Rede zum Einführungsgesetz der Abgabenordnung

Frau Präsidentin! Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Ende der Debatte die insolvenzrechtlichen Fragen noch einmal kurz aufgreifen.

Es geht bei den Insolvenzen immer um eine Frage. Unternehmen, die zu retten sind, wollen wir retten. Da ist jeder Aufwand gerechtfertigt, das zu tun, und das tun wir mit viel staatlichem Einsatz, gerade in dieser Krisenzeit. Umgekehrt gilt volkswirtschaftlich, wirtschaftspolitisch: Bei Unternehmen, die es leider nicht schaffen werden, müssen wir möglichst früh den Schnitt machen. Das Problem ist nur: Wir wissen es vorher nicht genau.

Vor diesem Hintergrund haben wir vor ziemlich genau einem Jahr – Anfang März war es – gesagt: Die Insolvenzantragspflicht, die letztlich die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen von Unternehmen zieht, diese gesetzlich vorgesehene und strafbewehrte Insolvenzantragspflicht setzen wir aus.

Aber wir haben sie von Anfang an nur ausgesetzt – dieses muss hier noch einmal betont werden – für die Unternehmen, die einerseits krisenbedingt in die Insolvenz geraten sind und die andererseits eine Fortführungsprognose haben. Für andere gilt das alles nicht. Deshalb ist es richtig, dass in dem Fall Galeria Kaufhof – er ging gerade durch die Medien – genau hingeguckt wird, ob es da nicht um Schulden geht, die sich schon vorher angehäuft haben, oder ob es wirklich um coronabedingte Insolvenz geht. Das ist die Abgrenzung, die wir aus wirtschaftspolitischen, volkswirtschaftlichen und darauf aufbauend rechtlichen Gründen vorgenommen haben.

Was machen wir heute? Wir gehen noch einmal einen Schritt weiter – ich sage ganz klar: hoffentlich zum letzten Mal; denn wir wissen nicht, was auf uns zukommt – und setzen für eine noch kleinere Gruppe, nämlich für diejenigen, die einen Anspruch auf Hilfe haben und die die Hilfe noch nicht ausgezahlt bekommen haben, die Insolvenzantragspflicht noch einmal aus. Das ist ein richtiger Schritt im Interesse der Unternehmen, und das ist ein großer, wichtiger Beitrag zur Krisenbewältigung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Wir stellen bei dieser Gelegenheit einen anderen Punkt für die Sozialversicherungsträger klar, die letztlich auf unsere Initiative hin, auf unsere Anweisung hin, auf unser Bitten hin ihre Forderungen nicht geltend gemacht haben und Stundungen vorgenommen haben, um die Unternehmen zu retten: In einem sich dann anschließenden, späteren Insolvenzverfahren können diese Gelder von den Insolvenzverwaltern nicht zurückgefordert werden.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wer bezahlt?)

Das ist ein wichtiger Schritt. Es ist letztlich ein Beitrag, den die Sozialkassen geleistet haben und den wir nicht rückgängig machen wollen.

Wir sehen – ich erinnere an ein Wort vom Kollegen Brunner, das er im Rechtsausschuss gesagt hat –, dass die Regelung, die wir getroffen haben, vielleicht ein bisschen zu weit geht, weil auch der Fiskus an manchen Stellen davon mit profitiert, an Stellen – die Grünen haben einen Änderungsantrag gestellt –, die hiermit vielleicht nichts zu tun haben. Ich sage ganz deutlich – es ist ein Zitat –: Beifang in diesem Bereich, das wäre volkswirtschaftlich eigentlich nicht geboten. – Ich tue mich an dieser Stelle auch schwer, das zu verteidigen. Wir sehen aber andererseits, dass die Konsensbildung so weit ist, dass wir über diese Detailfrage nicht mehr wirklich reden können.

Was aber zu betonen ist – ich freue mich, dass wir eine Anhörung am letzten Montag zu dem ganzen Komplex hatten –: Wer wirklich pleite ist und weitere Verbindlichkeiten eingeht, der begeht immer noch eine Straftat. Der Eingehungsbetrug – nämlich der Betrug gegenüber der Gegenseite, wenn man vorspiegelt, dass man zahlungsfähig bleibt – bleibt bestehen, und das ist selbstverständlich so.

Ein letzter Punkt. Wenn wir auf die weiteren Regelungen schauen, sehen wir eine kleine Nummer 2 in Artikel 1 des Gesetzentwurfs. Wir haben uns bei dieser Gelegenheit natürlich das SanInsFoG, das das StaRUG zum 1. Januar in Kraft gesetzt hat, noch einmal angesehen und haben gesehen, dass da noch Verweisungsfehler zu korrigieren sind. Ich bin froh, dass wir als Parlament diese Korrektur vorgenommen haben. Wir haben dies rückwirkend zum 1. Januar getan.

In diesem Zusammenhang – Kollege Brunner hat es schon angesprochen – kam immer die Frage auf: Heißt das denn, dass die Verschiebung von § 64 GmbH-Gesetz in § 15b der Insolvenzordnung auch die alten Sachverhalte betrifft, die im letzten Jahr galten? Natürlich betrifft sie diese Sachverhalte. Das Gleiche gilt bei § 313 BGB, wo wir, was den Wegfall der Geschäftsgrundlage angeht, auch eine Neuregelung zum 1. Januar vorgenommen haben. Denn das ist ja der Sinn der Sache: dass die Sachverhalte, wenn sie jetzt von den Gerichten beurteilt werden, nach der neuen Rechtslage beurteilt werden. Dafür sitzen wir hier zusammen. Das brauchen wir nicht klarzustellen, weil es selbstverständlich war.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

In diesem Sinne: Herzlichen Dank. Ich bitte um breite Zustimmung für das Gesetz. – Das waren jetzt die zwölf Sekunden weniger, die Herr Brunner überzogen hatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)