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Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach: die Unternehmen und die Bürger brauchen Liquidität

Rede zum Corona-Steuerhilfegesetz

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns ohne Zweifel in der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen unserer Bundesrepublik. Unser vorrangiges Ziel muss es deshalb sein, die Wiederbelebung der Wirtschaft in Deutschland und in Europa voranzutreiben. Wir haben bisher kurzfristig gehandelt, um die Pandemie zurückzudrängen und vor allem auch die Folgen für Bürger und Unternehmen abzufedern. Das unterstreicht auch das Corona-Steuerhilfegesetz, das hier und heute beschlossen wird. Die Maßnahmen sind ausgewogen. Wir unterstützen die schwer gebeutelte Gastronomie. Wir sichern die Steuerfreiheit der Sonderzahlungen für Arbeitnehmer. Wir unterstützen jene, die Kinder und Behinderte zu Hause betreuen, weil Schule und Betreuungseinrichtungen geschlossen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, meine Damen und Herren, ab jetzt müssen wir aber alles daransetzen, dass unsere Wirtschaft insgesamt auf den Wachstumspfad zurückkehren kann. Wir brauchen dazu eine klare ordnungspolitische Konzeption. Nur dann kann unsere Wirtschaft wieder aus eigener Kraft wachsen; und darum geht es. Es geht nicht um Staatswirtschaft, sondern um Marktwirtschaft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein Überbietungswettbewerb um Staatshilfen mit zweifelhaften Lenkungswirkungen oder Schuldenübernahmen nach dem Motto „Wer schüttet das größte Füllhorn aus?“ führen gewiss nicht zum Ziel, meine Damen und Herren. Er erweckt falsche Erwartungen, die nur enttäuscht werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Grünen wollen gerade Staatshilfen mit Geschlechterquote. Also, ich habe schon viel Unsinn gehört, aber das ist einfach der Gipfel des Unsinns: Staatshilfen mit Geschlechterquote.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD – Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, nötig sind vielmehr Liquidität für Unternehmen und Bürger, ein Belastungsmoratorium und vor allem auch nachhaltige Strukturverbesserungen. Nötig ist also Ordnungspolitik statt Strohfeuer. Vorrangig ist dabei für uns eine Verbesserung der Verlustverrechnung. Die Unternehmen können nach jetzigem Stand ihre durch Corona bedingten Verluste erst mit der Steuererklärung 2020 im nächsten Jahr geltend machen. Meine Damen und Herren, das ist zu spät für Insolvenzen in diesem Jahr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Je früher die Unternehmen ihre Verluste mit den Gewinnen von 2018/2019 verrechnen können, desto schneller wachsen sie wieder und zahlen auch wieder neue Steuern; und das ist der Weg, der in einer Marktwirtschaft richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Michelbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aggelidis von der FDP?

 

Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU):

Bitte schön.

 

Grigorios Aggelidis (FDP):

Vielen Dank, Herr Dr. Michelbach. – Ich hätte die Frage gerne auch dem Kollegen Binding gestellt, aber da hat ihn offenbar der Mut verlassen.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Oh Gott! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich bin immer so ängstlich!)

Ich möchte sehr gerne auf einen Part hinweisen, der offensichtlich hier in der Debatte eher ein Randthema ist. Aber als familienpolitischer Sprecher muss ich das doch erwähnen, weil Sie gerade auch die Familien angesprochen haben. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass es gerade hinsichtlich der Unterstützung von Familien – Sie haben die Situation angesprochen, dass Kinder eben zu Hause betreut werden müssen, weil Kindergärten und Schulen geschlossen sind oder zumindest keinen Normalbetrieb haben – jetzt eine gute Chance gewesen wäre, klarzustellen, dass Eltern Arbeit im Homeoffice und Kinderbetreuung eben nicht locker parallel machen können, weil Homeoffice, auch wenn es ermöglicht wurde, nicht quasi als Kinderbetreuungsersatz angesehen werden kann, sondern es sozusagen ein parallel zu händelndes Thema ist? Und haben Sie vor, das als Koalitionsfraktion oder auch als Regierung endlich zu ändern, wobei Sie natürlich nicht für die Regierung antworten können?

Danke.

 

Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU):

Herr Kollege, ich habe verstanden, dass Sie mehr Unterstützung, mehr Quersubventionen für Familien wünschen. Im Konjunkturpaket setzen wir uns mit diesen Fragen natürlich auseinander. Aber die wesentliche Frage ist ja immer die Abwägung: Wie effizient ist eine solche Staatshilfe, bzw. ist es nicht effizienter, die Menschen generell steuerlich zu entlasten, weil sie das Geld ja nur einmal ausgeben können und die Finanzmittel ja nicht gerade vom Himmel fallen? Deswegen ist das ein Abwägungsprozess. In jedem Fall müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern mehr Hilfen, mehr Liquidität, mehr Freiraum zugestehen. Darum geht es letzten Endes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Unternehmen und die Bürger brauchen Liquidität, und dies nicht nächstes Jahr. Dem Staat entstehen dadurch natürlich keine Einnahmeausfälle, wenn man die Verlustverrechnung durchführt. Er verzichtet nur früher auf Geld, das er ohnehin, Herr Bundesfinanzminister, später zurückzahlen müsste. Es ist mehr oder minder ein Austausch in den Jahren.

Wir brauchen aber auch mehr Liquidität – und da schließe ich an die Frage an – durch eine Steuerreform und damit Entlastung bei Bürgern und Unternehmen; denn die Bürger, meine Damen und Herren, wissen selbst einfach am besten, wie sie ihr Geld ausgeben wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Freiheit für unsere Steuerzahler ist der marktwirtschaftlich beste Weg, ist besser, als wenn letzten Endes der Staat bestimmt, für was Geld zur Verfügung gestellt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das alles müssen wir in einem Belastungsmoratorium mit Maßnahmen ergänzen, die den Staat kein Geld kosten – auch das gibt es –, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aber erleichtern: Verzicht auf die einseitige Belastung des Erwerbs deutscher Aktien zur Altersvorsorge durch eine Finanztransaktionsteuer zum Beispiel, keine zusätzliche Kostenbelastung für Finanzanlagenvermittler durch die Übertragung der Aufsicht auf die BaFin, Verschiebung der Einführung einer Kassenpflicht. Meine Damen und Herren, da muss ich sagen: Es ist doch völlig irre, dass man auf der einen Seite den Gastronomen etwas gibt, sie es aber gleich an den Kassenhersteller weitergeben sollen. Das ist doch nicht passend, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das stimmt doch so nicht!)

Wir brauchen natürlich aber auch die Entschlackung der Planungs- und Genehmigungsrechte zur Beschleunigung von Investitionsvorhaben, was allemal besser ist, wenn der Staat langfristig auf Investitionen setzt, da diese natürlich immer lange Vorlaufzeiten haben.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. – Wenn wir den Mut und die Stärke aufbringen, kann die gegenwärtige Krise auch zu einer Chance werden, und diese Chance sollten wir für das Gemeinwohl nutzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das machen wir!)