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Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach: Deutschland ist ein Stabilitätsanker in der EU

Rede in der allgemeinen Finanzdebatte zu den Einzelplänen 08, 20, 32, 60

Frau Präsidentin! Herr Bundesfinanzminister, Sie haben heute zur Haushaltseinbringung eine geradezu perfekte Bewerbungsrede für den SPD-Vorsitz gehalten. Wenn es Ihnen nützt, soll es mir recht sein, aber zum Haushalt gehören natürlich immer auch Wahrheit und Klarheit. Die Wahrheit ist, dass Sie beim Soli eben nicht 90 Prozent aller Steuerzahler entlasten wollen, wie Sie heute ausgeführt haben. 100 Prozent der mittelständischen Kapitalgesellschaften sollen keine Entlastung bekommen, obwohl das gerade jetzt für Wachstum und Beschäftigung dringlich wäre.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube auch, dass man von einem Bundesfinanzminister erwarten können muss, dass er bereit ist, zunächst Dank an die Steuerzahler für deren Leistungen  zu sagen. Herr Bundesfinanzminister, was mich gestört hat, ist, dass Sie die Unternehmer demgegenüber geradezu an den Pranger gestellt haben,

(Christian Dürr [FDP]: Ja!)

indem Sie gesagt haben, dass sie eigentlich nur Steuerhinterziehung im Kopf haben.

(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch Unfug, Herr Kollege! Man sollte doch keinen Unfug erzählen, nicht mal, wenn man in der CSU ist! Wenn man das auch noch ablesen muss, wird es nicht besser!)

Nicht mit Gerechtigkeitsphrasen kann man unsere Auf- gaben politisch lösen. Man muss sich für die Leistung bedanken, die letzten Endes durch die Steuerzahler erbracht wird. Wir haben eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die oberen 10 Prozent der Steuerzahler tragen zu über 50 Prozent, die oberen 50 Prozent der Steuerzahler zu über 90 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei. Das gilt es anzuerkennen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Wahrheit ist aber auch:

(Johannes Kahrs [SPD]: Dass bei Ihnen keiner in der Union klatscht, das ist die Wahrheit!)

Mit dem heute eingebrachten Haushaltsentwurf 2020 und der mittelfristigen Finanzplanung setzt die Koalition die solide Haushaltspolitik fort. Dieser Haushalt stellt sich den aktuellen und künftigen Herausforderungen. Wir kommen zum siebten Mal in Folge ohne neue Schulden aus. Die Wahrheit ist: Wir halten mit diesem Haushaltsentwurf die Kriterien des Euro-Stabilitätspakts vollständig ein. Auch die Einhaltung des 60-Prozent-Kriteriums in Bezug auf die Gesamtverschuldung ist ein wichtiger Erfolg unserer Finanzpolitik, ein wichtiger Erfolg dieser Koalition, den man nicht kleinreden darf, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Beitrag, um die Herausforderungen der Zukunft besser zu bewältigen.

Angesichts der Rekordsteuereinnahmen und einer immer noch guten Wirtschaftsentwicklung sind wir geradezu verpflichtet, diesen Weg der Tugend beizubehalten. Wir dürfen jetzt nicht Belastungen für die Zeiten aufbauen, in denen die Steuereinnahmen vielleicht nicht mehr so gut fließen wie heute. Ich sage dies mit Blick auf manche Diskussionen und Forderungen, zum Schuldenmachen zurückzukehren, wie wir es heute von den Grünen gehört haben, weil das Schuldenmachen derzeit so billig sei, wie sie sagen. Ich kann darauf nur entgegnen: Wo bleibt denn da Ihr Nachhaltigkeitsgedanke?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer so denkt, denkt nicht über das Heute hinaus. Wer so denkt, schadet der Glaubwürdigkeit einer zukunftsgerechten Finanzpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Politik der schwarzen Null ist erfolgreich, und sie ist ein wichtiges Signal. Deutschland ist damit ein Stabilitätsanker in der EU, ein Anker einer stabilen Währung, eines stabilen Euro. Dazu gehören Ausgabendisziplin, Förderung des Wirtschaftswachstums und eben keine Steuererhöhungen.

Dieser Haushalt ist die Fortsetzung der konsequenten Umsetzung des Koalitionsvertrages. Dazu gehören unter anderem weitere Erleichterungen für Arbeitnehmer und Familien sowie Maßnahmen zur Belebung des Wohnungsneubaus und zur Wohnungseigentumsbildung für Familien. Das wird sich im Geldbeutel der Bürger spürbar bemerkbar machen. Zudem erhöhen wir die Investitionsmittel für die Infrastruktur, meine Damen und Herren. Das ist echte Zukunftsvorsorge. Deswegen muss man diesem Haushalt allen Respekt zollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Bereits jetzt hat diese Koalition 61 Prozent der vereinbarten Vorhaben umgesetzt oder substanziell in Angriff genommen. Das ist rekordverdächtig, das ist ein deutlicher Leistungsnachweis. Aber die Haushaltspolitik muss sich natürlich immer auch dem Effizienzgedanken stellen. Deswegen halte ich es für richtig, dass die Effizienz der Haushaltsansätze stärker geprüft wird.

Meine Damen und Herren, so weit, so gut. Aber ich komme nicht darum herum, etwas Wasser in den Wein zu schütten. Wir sehen, dass die konjunkturelle Dynamik zu lahmen beginnt und bereits erste Bereiche des Arbeitsmarktes tangiert werden. Die wirtschaftliche Entwicklung fordert eine Antwort auf die Frage, wie wir die wirtschaftliche Dynamik erhalten und wieder verbessern. Wir dürfen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir müssen einer Rezession vorbeugen, eine Rezession verhindern. Alles andere wäre verantwortungslos gegenüber den Menschen in unserem Land. Deshalb müssen wir handeln und insbesondere auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Bürger und die Wirtschaft verbessern; das ist die Aufgabe der Gegenwart. Das betrifft die steuerliche Forschungsförderung, eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung, ein umfassen- des Soli-Abschaffungsgesetz, um bei den Steuerzahlern Vertrauen zu erreichen,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

und eine Grundsteuerreform ohne Steuererhöhungen.

Die Grundsteuer darf nicht zu einer verkappten neuen Vermögensteuer degeneriert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist die Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Die Leistungen für die Bürger werden vor Ort finanziert. Des- wegen habe ich kein Verständnis dafür, dass jetzt ein Bundesland die Umlagefähigkeit der Grundsteuer ändern will. Letzten Endes ist es ja nicht der Vermieter, der die Infrastruktur vor Ort nutzt, sondern der Mieter nutzt die Leistungen der Kommunen vor Ort. Deswegen kann es nicht sein, dass wir hier zu einer Veränderung der der- zeitigen Situation kommen.

Zum Schluss möchte ich dafür werben, dass wir im Interesse einer guten Zukunft unseres Landes und seiner Menschen nicht nachlassen. Das muss sich auch in der Finanzpolitik widerspiegeln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)