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Dr. Georg Nüßlein: Wenn wir einseitig nur auf Elektromobilität setzen, sind wir auf dem falschen Dampfer

Rede zum Haushaltsgesetz 2020 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Epl. 16)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hohmann, wer wie Sie die Bibel zitiert, müsste wissen, dass die Bewahrung der Schöpfung ein urkonservatives Thema ist,

(Zuruf von der AfD: Genau! Sie sind nicht konservativ!)

bei dem wir uns dem lieben Gott unterwerfen und nicht den Grünen, und dass es aus den Gründen, die Sie angerissen haben, nämlich der Überlegung, dass man Ressourcen schonen muss, eigentlich Sinn macht, den Weg, den wir beschreiten wollen, mitzugehen. Ich glaube, dass das ein richtiger Weg ist, Ressourcen zu schonen und verantwortungsvoll mit unserer Schöpfung umzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt – lassen Sie mich das einleitend noch sagen – ein Narrativ auf der anderen Seite von denjenigen, die mit viel Alarmismus sagen: Alles zu wenig, alles zu spät. – Das treibt auch mich um, und ich möchte hier ganz klar zu Protokoll geben: Deutschland spielt eine immens wichtige Rolle beim Thema Klimaschutz. Klimaschutz ist ein internationales Thema, und es war niemand anderes als unsere Bundeskanzlerin, die dieses Thema auf der internationalen Agenda gehalten hat.

Klimaschutz ist ein Thema, das am Schluss nur mit erneuerbaren Energien vorangebracht werden kann,

(Karsten Hilse [AfD]: Hören Sie doch auf!)

und es sind die deutschen Stromverbraucher, die aktuell 26 Milliarden Euro pro Jahr dafür ausgeben, dass das Ganze marktgängig geworden ist.

Ich stelle die Frage, meine Damen und Herren: Hätte Deutschland das nicht gemacht, womit würden wir denn Klimaschutz betreiben wollen? Da kann man lamentieren: zu viel, zu teuer. – Das ist alles richtig. Fakt ist doch genau das.

Dann gibt es welche, die sagen, der große Teil der CO2- Einsparung in Deutschland habe zu tun mit der Wiedervereinigung. Auch das stimmt. Aber auch das ist eine große volkswirtschaftliche Leistung, die wir erbracht haben.

(Karsten Hilse [AfD]: Deindustrialisierung ist eine wirtschaftliche Leistung? Hören Sie mal, was Sie sagen! Also wirklich!)

Das will ich an der Stelle einmal ganz deutlich unterstreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Klimaschutz ist das Topthema, nicht nur im Umweltbereich, sondern momentan das Thema, das die Politik insgesamt dominiert. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen, dann sagen Ihnen gut 80 Prozent: Das ist ein sehr wichtiges Thema. – Der Haken ist: Von diesen 80 Prozent sagen wiederum 80 Prozent, dass andere das Problem lösen sollen und dass sie insbesondere kein Geld für die Thematik ausgeben wollen. Das macht das Ganze politisch so schwierig.

Nun können wir eines tun: Wir können das Ganze politisch gut oder schlecht lösen. Wir können das Thema  negativ belegen. Dann reden wir, wie etliche hier, über Verzicht, über das Thema „Weniger ist mehr“, was jeden- falls in meinem Wahlkreis nicht der Lebensrealität der Mehrheit entspricht. Wir können ankündigen, wie es die Bundesumweltministerin vorhin vorsichtig angedeutet hat, dass alles teurer wird. Dann müssen wir im Blick haben, welche soziale Konsequenz das hat, wenn am Schluss beispielsweise nur noch die Reichen Auto fahren können. Oder wir können das in Kauf nehmen, was ein Professor, der in diesem Bereich sehr bekannt ist – ich nenne keinen Namen –, mir und anderen gegenüber vor Kurzem angedeutet hat. Er hat nämlich gesagt: Das wird über kurz oder lang zu Veränderungen in der Siedlungsstruktur führen.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Rede mit Andeutungen!)

Zu glauben, dass wir durch Urbanisierung die Probleme lösen, ist falsch. Dass wir neue schaffen, ist sicherlich richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen, das ist letztendlich etwas, bei dem man das Thema Stadt und Land, Alternativen, Möglichkeiten tatsächlich im Blick haben muss. Und ich glaube, wir sollten uns einmal darüber Gedanken machen, ob man nicht das Thema Klimaschutz zu einem neuen Innovationsmotor entwickeln kann.

(Beifall des Abg. Klaus Mindrup [SPD] – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eine ganz neue Erkenntnis!)

Doch!

(Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Natürlich nicht so, wie Sie es machen. Sie machen es mit Verboten, mit Vorschriften. Wir wollen das anders machen: mit Anreizen, mit Leitplanken, intelligent, nicht wie Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie wollen doch nur Ausstieg. Ausstieg war noch nie ein Thema, das uns politisch vorangebracht hat. Es geht doch jetzt darum: Wo sind beispielsweise im Bereich der industriellen Produktion Potenziale?

Ich sage Ihnen: Die Kreislaufwirtschaft ist noch lange nicht am Ende. Da gibt es eine Menge Potenzial, übrigens 

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

auch bei der CO2-Kreislaufwirtschaft. CCU, da schauen die Grünen nicht mehr ganz so begeistert. Ich glaube, dass das Thema Energieeffizienz eine Rolle spielen wird.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir im Bereich der Energiewirtschaft noch ein ganzes Stück des Weges vor uns haben. Das kann man gut, das kann man schlecht machen. Heute hat ein Minister die Frage gestellt: Was macht es denn für einen Sinn, aus der Kohle auszusteigen, wenn in der gleichen Zeit das Zehnfache an Kohlekapazitäten weltweit aufgebaut wird? Mich hat seine Antwort „Weil wir es können“ an dieser Stelle nicht wirklich überzeugt. Ich sage Ihnen: Es macht nur dann Sinn, wenn wir es nicht so machen, wie es bisher grüne Planung war.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten mal Ihre Scheuklappen ablegen!)

Grüne Planung war bisher: Wir kaufen dann den Strom aus dem Ausland. Die Statistik in Deutschland wird schon irgendwie stimmen. – Wenn Sie mir das nicht glauben, dann fragen Sie Herrn Baake; das war seine Idee.

Wir müssen uns überlegen, wie wir das Thema regenerative Energien voranbringen, und zwar so, dass es die Menschen verstehen, dass wir die Leitungen dazu haben, dass wir die Speicher dafür haben.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch!)

Da gibt es genügend Hemmnisse. Da sind wir dabei. Es wird Teil dessen sein, was demnächst entsprechend beschlossen wird. Wir brauchen eine Wasserstoffstrategie, einen Ansatz, den man nicht nur national fahren kann, so wie Sie es gerne hätten. Wir sollten auch nicht sagen: das bisschen überschüssigen Strom. Das Thema Nordafrika wird eine Rolle spielen. Wir brauchen das Thema Wasser- stoff im Verkehr, wir brauchen dort übrigens auch synthetische Kraftstoffe. Ihnen geht es nur darum, einen An- schlag auf den Verbrennungsmotor zu vollziehen, weil Sie endlich einmal die Chance sehen, dies durchzusetzen. Ich sage Ihnen: Wenn es uns gelänge, den ganzen Pkw- Verkehr auf elektrisch umzustellen, bliebe doch die Frage: Was ist im Bereich der Luftfahrt, was ist im Bereich der Schiffe, was ist im Bereich des Gütertransports eine sinnvolle Alternative? Deshalb sind wir von der Union ganz klar der Meinung, dass wir technologieoffene Lösungen brauchen.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo sind jetzt die Anträge dazu?)

Synthetische Kraftstoffe, die Weiterentwicklung der THG-Quote und die Anrechenbarkeit der alternativen Kraftstoffe auf der europäischen Ebene: All das sind Themen, die sinnvoll sind. Ich kann all das fortsetzen in Richtung Wärme, Geothermie und Fernwärmenetze.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Lassen Sie hören!)

Wie bauen wir das aus? Wie machen wir das? All das sind Dinge, die wir auf der Agenda haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

 

Jetzt schreien Sie doch nicht so laut. Hören Sie lieber zu; da können Sie was lernen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir sind auf dem Weg, die Klimaschutzgesetzgebung so vorzubereiten, dass da nicht nur das drin ist, was ursprünglich die Bundesumweltministerin wollte.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:

Sie sollen nichts vorbereiten! Sie sollen was machen!)

Sie hat sich ja vorgestellt, sie macht den Klima-Ranger und sagt den anderen, wo es langgeht; der Bundesfinanzminister aber gibt kein Geld dafür, und die, die dazwischen sind, die das Ganze umsetzen wollen, sind am Schluss die bösen Buben, die nichts hingekriegt haben.

(Michael Theurer [FDP]: Jetzt kommt Söder!)

Das wird nicht die Idee und nicht das Ergebnis sein.

Wir werden mit dem Klimakabinett die Chance haben, eine ganze Menge an Maßnahmen zu beschreiben,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen was machen!)

um das Thema, so wie ich es gerade eben beschrieben habe, massiv voranzubringen. Wir werden das nicht über eine Verteuerung machen, sondern auf einem Weg, der schlüssig dazu führt, dass diese Gesellschaft, dass diese Wirtschaft modern und leistungsfähig bleibt. Deutsch- land, meine Damen und Herren, ist ein Industriestaat. Ich gehe so weit, zu sagen: der letzte wirklich bedeutende Industriestaat Europas. Und ich will, dass das so bleibt. Das ist die Überschrift über dem Ganzen. Es muss beides gelingen, nämlich Klima zu schützen und die Industrie und die Arbeitsplätze in diesem Land zu erhalten.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit so was wie Ihrer Rede!)

Jetzt sage ich Ihnen noch was, weil Sie gerade so schreien – Sie werden sich wundern –: Ein großer Teil der Automobilzulieferer in diesem Land ist momentan in einer ganz, ganz schwierigen Situation.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selbst verschuldet!)

Ich weiß, was passiert, wenn wir wieder in einer Situation stecken wie 2008 und die Kolleginnen und Kollegen aus dem Wahlkreis zurückkommen und sagen: „Kurzarbeit, Kündigungen, Schwierigkeiten“, weil eine Schlüsselin- dustrie auf dem Prüfstand ist. Da kann man sagen: Da  ist das Management selber schuld. – Stimmt. Da sind  die ganz maßgeblich mit dran schuld.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Ihre falsche Politik!)

Aber, meine Damen und Herren, es hilft denen, die dort angestellt sind und jeden Monat auf das Gehalt angewiesen sind, überhaupt nicht, wenn wir diese Schuldzuweisungen machen. Deshalb müssen wir auch überlegen, wie es an der Stelle weitergeht. Und wenn wir einseitig nur auf Elektromobilität setzen, sind wir auf dem falschen Dampfer; das sage ich Ihnen ganz offen. Deshalb werden wir etwas machen, was sinnvoll ist, nämlich das Thema technologieoffen und innovationsorientiert voranzubringen und nicht einfach nur die kleinen Leute zu schröpfen in der Hoffnung, dass man von denen, die viel Geld haben, gewählt wird, meine Damen und Herren.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)