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Dr. Georg Nüßlein: Akademisierung ist nicht immer das Mittel der Wahl

Rede zum Einzelplan 15 des Bundesministeriums für Gesundheit

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Eigentlich könnte eine Haushaltsdebatte im Bereich Gesundheit eine sehr kurze Diskussion sein: 15,3 Milliarden Euro Volumen, 14,5 Milliarden Euro Zwangszuweisung zum Gesundheitsfonds. Eigentlich ist der Herr Bundesgesundheitsminister ein armer Tropf.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Aber, meine Damen und Herren, wir alle miteinander als Gesundheitspolitiker verwalten ein Riesenausgabenvolumen – 125 Milliarden Euro allein im ersten Halbjahr 2019 –, nämlich das der GKV, der gesetzlichen Krankenversicherung. Es geht um Versicherungsgelder, es geht um das Gesundheitswesen, für das wir Verantwortung tragen. Aber wir tragen natürlich auch Verantwortung für die Lohnnebenkosten.

Da haben wir, glaube ich, ganz gut gewirkt. Wir tun das zusammen mit den Selbstverwaltungsorganen. Das funktioniert manchmal gut, manchmal funktioniert es schlecht. Ich will auf einen Aspekt zu sprechen kommen, der zwar ein Randaspekt ist, der mir aber besonders wichtig ist. Ich will betonen, dass wir auch in dieser Legislaturperiode gelegentlich in die Selbstverwaltung eingegriffen haben: dort, wo es zu träge war, dort, wo keine Entscheidungen getroffen werden. Das zeichnet mutige Gesundheitspolitik aus. Wir korrigieren dann, wenn es am Ende auf Schiedsgerichte ankommt.

Nun hat die FDP den Gesundheitsminister „umtriebig“ genannt. Die Linke hat vom „Laubbläser“ gesprochen. Mir fällt dazu der neue Besen ein, der üblicherweise gut kehrt. Dieser Minister ist ein mutiger Minister. Ich hätte gewollt, dass das der eine oder andere mal sagt.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Sie sagen es ja jetzt! Das reicht!)

Wenn Sie es nicht glauben, schauen Sie sich zum Beispiel das an, was er im Bereich der gematik gemacht hat. Es ist eine Schande, dass wir Jahrzehnte gebraucht haben, bis die Digitalisierung langsam und schrittweise im Gesundheitswesen ankommt. Der Minister ist da auf einem ausgezeichneten Weg, und wir wollen das unterstützen.

Meine Damen und Herren, Datenschutz ist in einem sensiblen Bereich wie dem Gesundheitswesen natürlich ein wichtiges Thema; ganz unstrittig. Aber wir müssen den Datenschutz so organisieren, dass er am Schluss nicht beispielsweise der Forschung im Wege steht und er nicht einen Beitrag dazu leistet, dass uns die Datenbasis fehlt und wir mit Fortschritten im gesundheitlichen Bereich nicht vorankommen. Das halte ich für ganz wichtig. Deshalb steht das Digitale-Versorgung-Gesetz auf dem Plan. Ich glaube, dass wir da einen wichtigen und großen Schritt tun. Das sage ich all jenen, die eben nach dem großen Wurf gefragt haben und ihn nicht sehen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Des Weiteren merke ich, dass hier alle miteinander das Thema Pflege umtreibt. Das ist bei uns genauso. Das ist ein Topthema. Es geht darum, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Ich hätte mir von der Opposition gewünscht, dass sie auch sagt: Da ist eine Menge geschehen.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Übersichtlich!)

Es ist wirklich eine Menge. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben sich nur beklagt, es gebe zu wenige Arbeitsplätze. Das stimmt. Aber das, was wir hier zunächst beeinflussen können, sind die Rahmenbedingungen. Da haben wir eine ganze Menge gemacht.

Ich will einen Punkt herausgreifen, den ich für besonders wichtig halte: Wir haben im Krankenhausbereich die gesamte Pflege aus den DRGs, aus der Fallpauschalenfinanzierung herausgenommen. Wir setzen uns in Zukunft nicht mehr dem Vorwurf aus, dass hier zwangsbewirtschaftet wird, sondern werden das alles refinanzieren, und zwar komplett. Das passiert zum 1. Januar 2020.  Ich sage das deshalb explizit, weil manche jetzt schon wieder lamentieren und sagen: Da kommt nichts. – Wir haben bis dahin eine Lücke. Ich bin guter Dinge, dass es uns gelingt, auch im Hinblick auf diese Lücke etwas zu tun. Das ist ganz wichtig; ab dem 1. Januar 2020 ist die Voraussetzung sehr, sehr gut. Wir werden uns im Krankenhausbereich dann mit Themen wie der Grundversorgung beschäftigen müssen und der Frage: Wie adressiert man das richtig, wie macht man das? Dazu gehört auch die Frage der Verteilung: ambulant oder stationär? – Das war vorhin bei einem Redner Thema. Dafür haben wir die Grundlagen geschaffen.

Ich sage, die Bürger wollen nicht wissen, was wir gemacht haben, sondern was kommt. Da ist eine Menge in der Pipeline. Ich verweise auf die Masernimpfpflicht. Ich weiß, dass das in bestimmten Bevölkerungsteilen extrem umstritten ist. Es ist aber angesichts der Risiken, die von dieser Krankheit ausgehen, und der hohen Ansteckungsgefahr der richtige Schritt. Auch das ist mutig. Das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir unterhalten uns über eine Lösung im Bereich der Organspende. Wir haben die organisatorischen Grundlagen geschaffen, damit da mehr kommen kann. Ich persönlich – das sage ich Ihnen ganz offen – trete für die Widerspruchslösung ein; denn ich glaube, an dieser Stelle brauchen wir wirklich den großen Wurf. Die Widerspruchslösung ist etwas, was man aus meiner Sicht machen kann.

Der Minister hat das Thema Apothekenversorgung angesprochen. Das ist mir ein ganz besonderes Anliegen. Viele von uns – manche nicht – unterschätzen das Risiko an dieser Stelle; das sage ich ganz deutlich. Wir sind an einem Punkt, an dem man deutlich sehen kann, was der Onlinehandel aus dem Einzelhandel gemacht hat. Und wir alle können uns doch vorstellen, was es heißt, wenn dasselbe mit den Apotheken, die einen anderen Anspruch als nur Distribution haben, passiert. Deshalb ist das, was wir hier gemeinsam auf den Weg bringen wollen, nicht zu unterschätzen: eine gleiche Wettbewerbsbasis mit dem Versandhandel auf der einen Seite, aber auch die Stärkung der Strukturen vor Ort. Das ist ganz wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Hebammenausbildung sagen: Akademisierung ist nicht immer das Mittel der Wahl. Vielfach wird es uns von der Europäischen Union ins Konzept gespült. So wie wir es jetzt vorhaben, als duales Studium, ist die Ausbildung praxisgebunden.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ewig Gestrigen von der CSU!)

Das kann man so machen. Wir müssen aber auch überlegen, wie man das so organisieren kann, dass nicht diejenigen, die jahrelang diesen Job gemacht haben, die viel Erfahrung haben, jetzt plötzlich benachteiligt werden gegenüber den Jungen, die akademisch ausgebildet nachkommen.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist die Regelung dafür im Gesetz? Die gibt es doch gar nicht!)

Praxis zählt, gerade im Gesundheitsbereich. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])