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Dr. Carsten Linnemann: Wir müssen den Firmen eine Perspektive geben

Rede zur Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Weltwirtschaft ist mit dem Coronavirus infiziert. Länder auf diesem Globus, die über 50 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes erwirtschaften, befinden sich derzeit im Lockdown. Das trifft unsere Wirtschaft mit voller Wucht. Es geht auch ins Mark, gerade für den Mittelstand, der sehr stark exportorientiert ist und unter den abgebrochenen oder unterbrochenen Lieferketten leidet. Es trifft unsere ganze nationale Wirtschaft. Wir haben Branchen, die derzeit keine Umsätze machen, aber laufende Kosten haben. Ich denke da an die Veranstalter, an den Einzelhandel, an die Gastronomie, an das Reisegewerbe, an Schausteller, Messebauer, Hotels und vieles mehr. Der Arbeitsmarkt – das muss man nüchtern sagen – ist heute um ein Vielfaches heftiger getroffen als bei der letzten Rezession 2008/2009. Wir haben heute über 700 000 Firmen und Unternehmen, die das Instrument Kurzarbeit nutzen; das ist fast ein Drittel aller Unternehmen in Deutschland. Das geht ins Mark.

Darauf hat die Regierung reagiert, unterm Strich – bei aller Kritik – richtig. Die CDU/CSU-Fraktion – das hat auch Ralph Brinkhaus eben deutlich gemacht – unterstützt das Vorgehen. Nur, klar ist auch – auch das wurde deutlich –: Unsere Möglichkeiten sind nicht unendlich, sondern endlich. Wir können nicht monatelang – das wissen wir alle – so weitermachen, als gäbe es kein Morgen. Auch unser Staat kommt irgendwann an seine Grenzen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns heute Gedanken auch über die Zeit nach Corona machen: Welche Trends gibt es? Wie wird die Entwicklung sein? Ich sehe vor allen Dingen drei Trends.

Erstens. Die Welt wird digitaler sein. Unternehmen und Staaten erleben gerade – das hat die Kollegin Katja Leikert gesagt – einen Crashkurs in E-Commerce, in digitalem Arbeiten und digitaler Kommunikation.

Zweitens. Die globalen Lieferketten werden sich neu ordnen, die Lagerhaltung wird zunehmen. Das macht etwas aus für ein Unternehmen: Das Unternehmen wird auf der einen Seite widerstandsfähiger sein, aber auf der anderen Seite auch weniger profitabel.

Jetzt kommt ein dritter Punkt, und der ist für mich zentral: Es wird einen Konzentrationsprozess in der Wirtschaft geben, flankiert mit dem Umstand, dass der Staat sich mehr einmischt, sich mehr beteiligt, mehr umverteilt. Dieses beides zusammen – ein Konzentrationsprozess in der Wirtschaft und ein ausgeweiteter Staat – mag im Einzelfall notwendig, ja, sogar richtig sein – das sehen wir im Moment –, aber langfristig ist das natürlich Gift für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Deswegen – das ist meine Überzeugung – brauchen wir jetzt in dieser Krise ein kluges Vorgehen.

Wir müssen akut helfen. Dabei geht es vor allen Dingen um Liquidität. Das, was heute Nacht beschlossen wurde – Stichwort „Verlustverrechnung im steuerlichen Bereich“ –, ist absolut richtig; das ist eine absolut richtige Maßnahme. Hier müssen wir weiterkommen. Wir müssen daneben die Sozialversicherungsbeiträge länger stunden; hier ist Mai zu früh. Auch die Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ist jetzt, denke ich, ein zielgerichtetes Instrument, um der Wirtschaft zu helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen auch europäisch helfen, und zwar mit voller Wucht. Der Kollege Rehberg hat das, wie ich finde, richtig angesprochen. Wir müssen erstens mit viel Geld helfen, aber – auch das wurde deutlich – wir dürfen Solidarität nicht mit Haftungsvergemeinschaftung verwechseln.

Wir müssen zweitens den Firmen eine Perspektive geben, sodass sie genau wissen, unter welchen Auflagen und Bedingungen sie langsam wieder Fahrt aufnehmen können.

Drittens müssen wir den Exit vorbereiten. Wir müssen immer wissen, dass die Instrumente, die wir jetzt auf den Weg bringen – ich denke hier beispielsweise an den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit Staatsbeteiligung –, immer befristet sind und dass wir da wieder herausmüssen. Die soziale Marktwirtschaft kann das auf Dauer nicht aushalten, und wir müssen allen entgegentreten, die eine Verstaatlichung von Unternehmen und eine Vergemeinschaftung von Haftung vorantreiben wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die soziale Marktwirtschaft – um das ganz klar zu sagen – ist und bleibt unser Erfolgskonzept – vor der Krise, in der Krise und nach der Krise.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)