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Dr. Andreas Lenz: Wir brauchen maßgeschneiderte Konzepte für jedes Revier

Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt könnte man sich fragen, und ich wurde auch schon gefragt: Was hat die CSU zum Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit zu sagen?

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Gute Frage!)

Es ist wie immer: eine ganze Menge.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind aber in erster Linie die mutigen Menschen, denen wir für das Geschenk der deutschen Einheit danken müssen. Es war die Macht der scheinbar Machtlosen, die das Glück der Wiedervereinigung erst ermöglichten. Diese Macht stammt aus dem Glauben an die Grundwerte, an die menschliche Würde.

Die Menschen in der DDR wollten den maroden Unterdrückungsstaat nicht reformieren, nein, sie wollten ihn überwinden, sie wollten Freiheit statt Sozialismus, sie wollten soziale Marktwirtschaft anstatt sozialistischer Mangelwirtschaft, sie wollten Menschen- und Bürgerrechte anstatt Ideologie und Unterdrückung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deutschland und Europa wurden also durch den Willen der Menschen, der Völker verändert. Es war der Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 3. Oktober jährt sich auch der Todestag von Franz Josef Strauß zum 30. Mal: ein großer Bayer, Deutscher und Europäer. Wir verdanken Franz Josef Strauß einen großen Teil der deutschen Einheit.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch wohl selber nicht!)

Bayerns Klage gegen den Grundlagenvertrag hat sich als Glücksfall für die deutsch-deutsche Geschichte erwiesen. Das Bundesverfassungsgericht hatte damals klar festgestellt, dass das Wiedervereinigungsgebot für alle Verfassungsorgane bindend ist und das Grundgesetz für alle Deutschen gilt, eben auch für die Menschen in der damaligen DDR. Die Verweigerung der völkerrechtlichen Anerkennung war Bayerns Beitrag zum Fall des Unrechtsstaates.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Auch heute noch müssen wir betonen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. In der Verharmlosung der Diktatur liegt immer auch eine Verhöhnung der Opfer. Dazu darf es nicht kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das gilt übrigens auch, wenn man jetzt die aktuelle Bundesrepublik mit der damaligen DDR vergleicht.

Von Strauß kann man übrigens auch heute noch lernen,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Bayern hat doch das Grundgesetz nicht anerkannt!)

was aktive Strukturpolitik bedeutet. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind Verfassungsauftrag. Ich bin dankbar, dass nun durch die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ zusammen mit den Ländern und Kommunen konkrete Vorschläge und Maßnahmen für ganz Deutschland erarbeitet werden. Das Heimatministerium wird hier Ankerpunkt sein,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Machen die überhaupt was?)

damit Heimat auch Heimat bleiben kann, damit Perspektiven entstehen. Wir handeln also.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Blickt man auf die Bilanz, so sieht man: Es wurde Vieles erreicht. Die Lebenserwartung hat sich annähernd angeglichen. Dies war übrigens 1990 noch ganz anders. Im Osten war die Lebenserwartung bei Männern im Schnitt vier Jahre niedriger als im Westen. Im Übrigen war in der ehemaligen DDR die Selbstmordquote doppelt so hoch wie im Westen. So gesund kann der Kommunismus also nicht gewesen sein.

Aber natürlich ist nicht alles nur schwarz-weiß. Auch das zeigt der Bericht. Vieles ist zwar gelungen, aber 40 Jahre Zwangswirtschaft haben auch Spuren hinterlassen.

Wir alle wissen, dass kein DAX‑30-Unternehmen in Ostdeutschland seinen Sitz hat, übrigens in Schleswig-Holstein beispielsweise auch nicht. Trotzdem hat sich der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland positiv entwickelt. So lag die Arbeitslosigkeit 1999 noch bei 17 Prozent, 2017 liegt sie bei nur noch 7,6 Prozent. Natürlich liegt das auch an externen Effekten, am demografischen Wandel, Wegzug usw., aber jüngst auch am Beschäftigungsaufbau. Das ist ein Erfolg, und das ist auch ein politischer Erfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Beschäftigung entsteht durch Innovation, durch Wertschöpfung, durch eine möglichst breite Wertschöpfung. Genau hier müssen wir ansetzen. Es wurde schon thematisiert, dass die Forschungs- und Entwicklungsquote im Osten etwas niedriger ist als im Westen Deutschlands. Hier setzt beispielsweise ZIM an. 42 Prozent der Mittel aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand gehen in die neuen Bundesländer, genauso wie die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Hier müssen wir schauen, dass wir in Zukunft passgenau die Stärken der jeweiligen Region flexibel fördern. Ich durfte neulich mit der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ nach Halle an der Saale fahren.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Eine schöne Stadt!)

Ich war zuvor noch nie dort: eine sehr schöne Stadt. Ich habe auch spontan eine Kirchenführung im Dom durch den örtlichen Küster bekommen. Auch hier sieht man, was Aufbau Ost letztlich bedeutet. Aber vor Ort werden auch die Herausforderungen durch die Braunkohlereviere und die nachgelagerten Industrien sichtbar. Wichtig wird sein, dass gerade hier keine Strukturbrüche, sondern ein Strukturwandel erfolgt. Wir müssen aktivieren und dürfen nicht alimentieren, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungsketten.

Das, was hier seit der Wende aufgebaut wurde, soll nicht wieder abgeschafft werden. Wir brauchen maßgeschneiderte Konzepte für jedes Revier, auch für die Reviere im Westen. Das umfasst natürlich Infrastruktur, von mir aus auch das Ansiedeln von Behörden. Aber es muss auch über grenzüberschreitende Wirtschaftszonen, beispielsweise Sonderwirtschaftszonen gesprochen werden. Wir brauchen Planungsbeschleunigung, wir brauchen Hightechlabore, und wir müssen vor allem mit den Menschen vor Ort sprechen und dann die Ergebnisse gesetzlich entsprechend umsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist eine Mär, dass keine Experten in dieser Kommission sitzen würden. Wenn der Vorsitzende des BDEW, des BDI und des VKU in dieser Kommission sitzen, dann kann man doch nicht sagen, dass keine wirtschaftliche oder energiewirtschaftliche Kompetenz vorhanden wäre.

Wir müssen jetzt die Grundlagen für eine weitere positive Entwicklung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung legen. Man muss betonen, welche Kraftanstrengungen hinter uns liegen und welche auch noch vor uns liegen werden. Man darf aber auch betonen, welch Glück es ist, dass wir in Frieden und Freiheit wiedervereinigt sind. Ich glaube, wir sollten das gerade jetzt erwähnen, da in diesem Jahr erstmals der Zeitraum seit dem Fall der Mauer länger ist als der Zeitraum, in dem sie stand. In diesem Sinne geht es weiter.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)