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Christian Haase: Bauernregeln waren gestern

Redebeitrag in der Haushaltswoche zum Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen in dieser Woche den Bundeshaushalt 2021. Es ist kein Haushalt wie jeder andere. Die Coronakrise stellt uns in den nächsten Jahren vor Herausforderungen, die weit über die der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt hinausgehen. Auch wenn alle staatlichen Ebenen davon betroffen sind, trifft es – aus finanzieller Sicht – den Bund besonders schwer. Allein die Tilgung der aufgenommenen hohen Kredite ist eine große Vorbelastung für zukünftige Haushalte und schränkt politische Gestaltungsspielräume ein. Gleichzeitig erholen sich die erwarteten Steuereinnahmen auf der Bundesebene am langsamsten, sodass wir weitere Coronahilfsmaßnahmen im neuen Jahr unter dem Stichwort „Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern“ neu justieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, schauen wir auf unseren Haushalt. Die Coronakrise hat auch die Landwirtschaftsbranche stark unter Druck gesetzt. Zurzeit trifft es die Schweinehalter besonders hart. Das Ganze findet vor dem Hintergrund vielfältiger, immer rasanter werdender Veränderungsprozesse in der Landwirtschaft statt. Zu nennen sind der europäische und internationale Wettbewerb, die steigenden Anforderungen im Natur- und Landschaftsschutz, die Auswirkungen des Klimawandels, die weltweit steigende Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, Herausforderungen durch Tierkrankheiten, gestiegene gesellschaftliche Anforderungen im Umgang mit Nutztieren und dem Tierwohl und letztlich die Wettbewerbsstellung im Lebensmittelmarkt. Zudem assoziieren viele, auch Fraktionen in unserem Hause, die Landwirtschaft mit Tierquälerei und Umweltsündern oder Leuten, die nachts auf Feldern arbeiten, um absichtlich die Bevölkerung zu stören.

Was ist die Antwort darauf? Man hat manchmal den Eindruck, dass einige Politikerinnen und Politiker die Landwirtschaft in Deutschland beenden wollen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Das ist nicht meine Antwort. Das ist nicht die Antwort von CDU und CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)

An einer Antwort müssen aber alle mitwirken. Die Bäuerinnen und Bauern sind bereit, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Nach wie vor reizt junge Menschen der verantwortungsvolle Umgang mit Tieren und Pflanzen, das hautnahe Erleben der Jahreszeiten und die Eigenständigkeit. Das ist gut so. Wir brauchen aber auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Offenheit für eine moderne, innovative und digitalisierte Landwirtschaft. Und Politik? Sie muss die Enden zusammenbringen, das heißt, Zielkonflikte lösen. Sie muss Veränderungsprozesse auf wissenschaftlicher Basis vorantreiben, Umstellungsprozesse flankieren und Rahmenbedingungen im Bereich des Tierschutzes, bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU oder bei der Düngung setzen. Was muss Politik noch? Sie muss Mut machen und nicht entmutigen, wenn wir in Deutschland eine Landwirtschaft haben wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

All das finden Sie im eingebrachten Haushalt des BMEL, sodass wir im parlamentarischen Verfahren nur marginale Ergänzungen vornehmen mussten. Der Schwerpunkt lag in der personellen Flankierung der Politikansätze. Ich will auf einige Punkte eingehen.

Beispiel Digitalisierung. Bauernregeln waren gestern. Algorithmen und Hightech bestimmen heute schon die Arbeit auf den Feldern. Diese Entwicklung wollen wir weiter unterstützen; denn die Digitalisierung ermöglicht nicht nur mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit, sondern auch einen ressourcenschonenden Einsatz. Das schont Böden und das Trinkwasser. Im vorliegenden Haushalt sind insgesamt 63 Millionen Euro für die Förderung der Digitalisierung vorgesehen. Nun gibt es einen Schulterschluss mit dem Bundesforschungsministerium. Wir stellen über 40 Millionen Euro über fünf Jahre für den Aufbau eines Fraunhofer-Zentrums für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming mit Standorten in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern bereit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was soll da konkret passieren? Ich will Ihnen drei Beispiele nennen.

Erstens. Der Anbau von Russischem Löwenzahn für die Gewinnung von Kautschuk ist ein gutes Beispiel für eine lokale Spezialkultur, die nicht mit den verfügbaren Ansätzen kultiviert werden kann. Die Herausforderung ist hier, dass der Löwenzahn, der sonst bekämpft wird, in diesem Fall die Nutzpflanze ist.

Zweitens. Wir forschen zur Messbarkeit von Tierwohl. Über eine Videoüberwachung und die Erfassung von Vitaldaten mithilfe intelligenter Sensorik direkt am Tier können zuverlässige Aussagen zum Gesundheits- und Stresszustand gemacht werden.

Drittens. Es wird ein automatisiertes Gewächshaus mit modernster Technologie entstehen. Dies bietet die einzigartige Möglichkeit, sowohl neue Agrartechnologien als auch neue Sorten unter Laborbedingungen zu testen. Damit lassen sich Pflanzenarten züchten, die gegen veränderte klimatische Bedingungen resilient sind.

Mit so vielen innovativen Ideen will und wird Deutschland als Spitzenreiter auf dem Gebiet moderner Landwirtschaft glänzen.

Meine Damen und Herren, sicherlich haben Sie in der letzten Woche und auch heute die Protestaktionen der Landwirte gegen die Preispolitik des Handels verfolgt. Sie zeigen, wie wichtig der Vorstoß unserer Ministerin Julia Klöckner zur Umsetzung der UTP-Richtlinie war. Wir verbieten damit unlautere Handelspraktiken. Wir unterstützen dies und stellen sechs neue Stellen zur Umsetzung und Überwachung der Einhaltung der Regeln bereit.

300 000 Euro stellen wir für ein Kompetenzzentrum für Weidetierhaltung zur Verfügung, um mit den Weidetierhaltern Antworten auf die Folgen der weiterhin rasanten Ausbreitung des Wolfes in Deutschland zu finden.

Meine Damen und Herren, wichtig sind mir auch unsere Bundesforschungsinstitute, die die wissenschaftliche Vorarbeit leisten. Auch hier sorgen wir mit deutlichen Stellenaufwüchsen für noch mehr Expertise. Im Julius-Kühn-Institut wird zum Beispiel ein Institut für Waldgesundheit eingerichtet. Im Thünen-Institut stärken wir das Kompetenzzentrum Holzherkünfte. Der so beliebte Weihnachtsschmuck – die meisten werden ihn gerade zu Hause aufgestellt haben – ist häufig aus Holz, kommt aber in der Regel aus dem Ausland. Das Kompetenzzentrum in Hamburg arbeitet an verbesserten Methoden zur Bestimmung von Holzarten. So können wir falsche Angaben bei Holzimporten aufdecken und dem Handel mit illegal eingeschlagenem Holz einen Riegel vorschieben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit zusätzlichen Stellen setzen wir zudem den Aufbau der Institute für Wirtschaft bzw. Lebensqualität im ländlichen Raum fort.

„Ländlicher Raum“ ist im Übrigen ein gutes Stichwort. Im parlamentarischen Verfahren haben wir das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung um weitere 5 Millionen Euro verstärkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Abschluss möchte ich noch auf das Thema Wald zu sprechen kommen. Wir alle wissen, wie stark die Wälder in den letzten Jahren gelitten haben: Sturm, Dürre, Schädlinge. Die Förderprogramme für den Wald, etwa in der GAK, sind sehr stark nachgefragt. Wir müssen andauernd Mittel umschichten, damit noch mehr Mittel fließen können. Das zeigt, wie groß die Not im Wald tatsächlich ist. Dabei ist der Wald doch der Schlüsselfaktor für unsere Klimapolitik. Daher haben wir die Mittel für die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe und den Waldklimafonds im parlamentarischen Verfahren noch einmal erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt weist in die Zukunft und ist durch die Anhebungen wieder ein Rekordhaushalt: 7,7 Milliarden Euro. Lassen Sie mich aber anmerken, dass wir nicht damit rechnen können, dass das so weitergeht. Wir werden uns in den nächsten Jahren als Bund auf unsere Aufgabenkompetenzen und ‑verantwortungen konzentrieren müssen. Wünsche nach immer neuen Bundesprogrammen werden nicht erfüllbar sein.

Eines ist aber auch in Zukunft sicher: CDU und CSU stehen an der Seite der Bauern, Fischer und Waldbesitzer in Deutschland.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)