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Alois Rainer: Eine europäische Lösung ist notwendig

Rede zu Kindergeld für im Ausland lebende Kinder

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe antragstellende Fraktion, Sie wollen mit Ihrem Antrag einen nationalen Alleingang durchsetzen. Der ist gerade angesichts der vorliegenden Rechtsprechung nicht möglich. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat hierzu ausführliche Gutachten vorgelegt.

(Martin Hebner [AfD]: Fragen Sie Kollegen in Österreich! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Herr Kurz darf es! Aber Sie dürfen es nicht mehr!)

– Ja, genau das wollte ich gerade erklären, Herr Kollege, den Unterschied zwischen dem deutschen – in Anführungszeichen – „Kindergeld“ und dem österreichischen Kindergeld. Da gibt es nämlich einen signifikanten Unterschied.

Beim Kindergeld in Deutschland handelt es sich um eine Steuervergütung im Rahmen des steuerlichen Familienleistungsausgleichs, die vorrangig in Form des Kinderfreibetrags die Steuerfreistellung eines Einkommensbeitrages in Höhe des Kinderexistenzminimums bei der Besteuerung der Eltern zum Ziel hat. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Kindergeld in Deutschland grundsätzlich dem Einkommensteuergesetz unterliegt. Wir sprechen zwar von Kindergeld; aber der deutsche Staat kommt damit seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, das Existenzminimum von Kindern steuerlich freizustellen, nach.

Nun das österreichische Modell: Wenn man einfach sagt: „Wir könnten das Gleiche machen wie Österreich“, dann ist das schlichtweg falsch. Österreich hat ein völlig anderes System. Anders als in Deutschland wird das Kindergeld in Österreich nicht über eine Entlastung bei der Einkommensteuer geregelt. Es gilt vielmehr als Entlastung der zum Unterhalt verpflichteten Personen. Die Familien- und Kinderbeihilfe hat in Österreich die spezielle Funktion, einen Teil der Ausgaben für das Kind zurückzuerstatten. Mittel der Allgemeinheit sollen bei der Erfüllung der Unterhaltspflicht – beispielsweise Kauf von Nahrung, Kleidung, Schulsachen usw. – entlasten. Folglich ist das österreichische Modell auf Deutschland so nicht zu übertragen.

Ja, Sie alle wissen: Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat in Neuhardenberg den Beschluss gefasst, dass auch wir die Indexierung des Kindergeldes in Europa wollen. Wir stehen zu diesen Aussagen; aber offenen Auges in eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof hineinlaufen, das wollen wir auch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb: Eine europäische Lösung ist notwendig. Sie wäre auch machbar; denn vor dem Brexit, als David Cameron mit der Europäischen Union verhandelt hat, hat man ihm diese Indexierung zugesagt. Und da wollen wir auch hin.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Dann machen Sie es doch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn nach der Europawahl Manfred Weber EU-Kommissionspräsident wird, dann werden die Karten neu gemischt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das zieht gar nicht! Bei euch zieht nie was! – Michael Schrodi [SPD]: Der Kollege aus Bayern träumt von den Weißwürsten!)

– Also, Herr Kollege Schrodi, wenn Sie glauben, ich träumte von den Weißwürsten,

(Michael Schrodi [SPD]: Ja!)

dann sind Sie schon relativ weit weg von der Realität. Ich habe Ihren Unsinn zum Soli letzte Woche nicht kommentiert. Ich habe auch den Unsinn, den Sie heute gesagt haben – es kann keine europäische Lösung geben –, nicht kommentiert. Aber so einen blöden Zwischenruf muss ich kommentieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt nämlich europäische Lösungen, wenn ich es denn nur will. Das ist der eine Punkt.

(Michael Schrodi [SPD]: Europarechtlich!)

Lieber Kollege Schrodi, vielleicht ist Ihnen entgangen, dass Ihr Finanzminister, Olaf Scholz, was ich sehr begrüße, gegenüber der Kommission in Luxemburg die Initiative zur Indexierung des Kindergeldes weiterbetreiben will. Das ist ein kluger Mann auf Ihrer Seite.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Schrodi [SPD]: Europarechtlich, haben wir gesagt, geht es nicht!)

Lassen Sie mich vielleicht noch mit einem Mysterium aufräumen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Eine Einwanderung in das deutsche Sozialsystem ist das nicht. Das muss man schon ein Stück weit anders sehen. Wir haben bei den Missbrauchsvorwürfen in der letzten Legislaturperiode schon gehandelt. Es geht nicht, dass hier Missbrauch getrieben wird; wir wissen, dass das immer wieder vorkommt. Mit der Einführung der Pflicht zur Angabe der Steuer-Identifikationsnummer bei der Beantragung von Kindergeld wurde ein großer Schritt nach vorne gemacht. Es wurde auch dadurch ein großer Schritt nach vorne gemacht, dass man das – in Anführungszeichen – „Kindergeld“ nur sechs Monate rückwirkend beantragen kann. Es wurden noch viele andere Dinge gemacht. So einfach, wie man es sich mit dem vorliegenden Antrag macht, kann man es sich also nicht machen. Trotzdem wären auch wir für eine Indexierung des Kindergeldes in Europa. Man muss das nur differenziert und richtig lösen, damit man die Richtigen erwischt.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Dann machen Sie es doch!)

– Ja, wir machen das, wenn es europarechtskonform ist. Dann werden wir das wieder aufgreifen. Jetzt macht das wenig Sinn. Ihr Antrag ist deshalb heute abzulehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ihr wolltet, aber gedurft habt ihr nicht!)