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Alexander Radwan: Wir müssen für Innovationen und für Wettbewerb eintreten

Redebeitrag zu Nachhaltigkeit - Demokratie, starker Staat und Finanzen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf heute zum Thema Nachhaltigkeit aus der Sicht des Finanzausschusses sprechen. Wir erleben momentan, dass Finanz- und Umweltthemen in Bezug auf Nachhaltigkeit durchaus konträr sein können, aber man möchte momentan die Finanzpolitik nutzen, um die Nachhaltigkeit im Umweltbereich voranzubringen. Das Ziel, meine Damen und Herren, die Ressourcen und die Kräfte der Finanzmärkte zu nutzen, ist ein richtiger Ansatz. Die Frage ist nur, ob der Weg, den wir gerade beschreiten, der richtige ist. Da wir heute so grundsätzlich breit, teilweise philosophisch, die Diskussion hier im Parlament geführt haben, halte ich es für gegeben, dass wir uns das Thema heute zum Abschluss konkret anschauen.

Es wird schon länger darüber diskutiert, dass die Förderbanken in Europa, EIB und KfW, sich zukünftig primär nach Umweltthemen ausrichten. Es stellt sich die Frage, ob eine solche Politik prozyklisch im negativen Sinne beim Strukturwandel wirkt. Im Zuge der neuen Strategie der Europäischen Zentralbank wird darüber diskutiert, dass zukünftig Umwelt- und ESG-Ziele in die Politik der Europäischen Zentralbank Einzug halten sollen. Das heißt, dass die Marktneutralität der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank aufgegeben wird und neue Prioritäten – –

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

– Nein, das ist kein Quatsch, Frau Kollegin. Es geht genau darum – ich komme gleich noch auf etwas zu sprechen, das den Grünen wehtut –, dass die Marktneutralität aufgegeben wird.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Investitionen muss der Klimawandel bewertet werden! Das ist eine Risikobewertung!)

Es ist ein Gut der Deutschen, dass die Zentralbanken unabhängig sind. Dass Sie das gerne politisieren und im Inflationsziel abweichen, um zusätzliche Ziele zu erreichen, das wissen wir, aber eine Politisierung der Zentralbank ist genau der falsche Weg und bringt eine Beliebigkeit der Geldpolitik mit allen negativen Konsequenzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die aktuelle Diskussion über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, die in die gleiche Richtung geht: Man möchte Investitionen in Ökologie, in Umwelt zukünftig ein Stück weit nicht auf die Schuldenquote anrechnen. Man möchte sozusagen gute Schulden und schlechte Schulden haben. Auch hier jubeln die Grünen. Ich möchte Sie nur daran erinnern: Als Präsident Sarkozy die Meinung vertrat, man solle Rüstungsinvestitionen nicht anrechnen, weil sie wichtig für einen Staat sind, kam von Ihnen ein großer Aufschrei. Meine Damen und Herren, es gibt nicht gute und schlechte Schulden. Es gibt Schulden der Staaten. Und wir müssen zusehen, dass die Staaten nach der Coronakrise von diesem Schuldenstand wieder runterkommen. Es bringt nichts, die Schulden zwischen den ESG-Kriterien beliebig hin und her zu schieben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft den Kapitalmarkt. Da ist die Kombination ganz besonders bemerkenswert: Auf der einen Seite stehen Teile der europäischen Finanzwirtschaft und auf der anderen Seite die NGOs. Deren Ziel ist momentan, dass man im Bereich der Finanzmarktregulierung die Priorisierung so vornimmt, dass gute, grüne Projekte weniger Risiko haben – das ist der sogenannte Green Supporting Factor – und andere Projekte ein entsprechend höheres Risiko haben. Ich möchte nur daran erinnern: Der Ursprung der Subprime-Krise war die Politisierung der Kapitalmärkte. Die amerikanische Politik wollte, dass Menschen mit Low Income Immobilien erwerben konnten. Die Folgen davon trafen auch uns hier in Europa. Von daher möchte ich darauf drängen, dass wir die Politisierung in dem Bereich nicht weiter vorantreiben.

Alle, die heute das Hohelied der Demokratie zu Recht gesungen haben, bitte ich, es auch auf europäischer Ebene anzustimmen, wenn es um die Expertengremien geht, also um Level 2 und Level 3 – jetzt wird es ein bisschen technisch; es tut mir leid, aber zum Abschluss will ich Sie noch mit etwas Konkretem behelligen –: Dadurch, dass Vertreter von NGOs in den Expertengremien sitzen, werden Regelungen nicht demokratischer. Ich bitte alle, die hier gerade für die Demokratie geworben haben, dafür zu kämpfen, dass die wichtigen Entscheidungen demokratisch getroffen werden und nicht in intransparenten Expertengruppen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen für Innovationen und für Wettbewerb eintreten, und dafür brauchen wir Rahmenbedingungen wie Haftungsregeln und Transparenz.

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Wir befinden uns gerade in der Vorbereitung auf einen Wirecard-Untersuchungsausschuss. Wir haben erlebt, dass Wirtschaftsprüfer, dass Aufsichten an der Komplexität von Unternehmen und Finanzprodukten gescheitert sind. Lassen Sie uns diese ganze Thematik nicht noch weiter verkomplizieren, sodass noch weniger Menschen durchblicken; denn es besteht die Gefahr, dass Leute, die den schnellen Gewinn suchen, dadurch entstehende Möglichkeiten nutzen. Bleiben wir bei einfachen Regeln. Ich glaube, das ist der beste Weg, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, sowohl in der Umwelt als auch in der Finanzwirtschaft.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)