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Volkmar Vogel: Das Grüne Band ist heute eine Lebenslinie

Rede zu 30 Jahre Grünes Band

Der ehemalige Todesstreifen ist zu einem Grünen Band des Lebens geworden. Er ist einmalig, und es ist richtig und wichtig, ihn zu schützen.

Von 1945 bis 1989 trennte der Eiserne Vorhang auf über 12 500 Kilometer ganz Europa. Die ab 1961 vom DDR-Unrechtsregime errichteten innerdeutschen Grenzanlagen haben eine Länge von 1 400 Kilometern, mehr als die Hälfte davon, knapp 763 Kilometer, verlaufen an der Thüringischen Landesgrenze. Damit trägt meine Heimat Thüringen eine besondere Verantwortung dafür, den ehemaligen Todesstreifen sichtbar und erfahrbar zu erhalten.

Im letzten Jahr wurde das Grüne Band Thüringen zum Nationalen Naturmonument erklärt. Das freut mich sehr. Denn damit ist die ehemalige Grenze auch zu einem Zeichen für etwas Verbindendes geworden. Das Grüne Band ist heute eine Lebenslinie mit einer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt, in der sich auch der Mensch frei bewegen kann. Das müssen wir bewahren.

Der ehemalige Grenzverlauf darf nicht verwischt werden, sondern muss in seinen Konturen als Mahnung erhalten bleiben. Dies ist 30 Jahre nach der friedlichen Revolution und dem Fall der Mauer unbedingt notwendig. Auch wenn die Wunden inzwischen verheilt sind, die Narben sollten als Mahnung sichtbar bleiben. Für die Menschen war die Grenze eine unüberwindbare Barriere, die immenses Leid verursachte. Hier zeigte sich das SED- Regime von einer seiner schlimmsten Seiten. Hunderte Menschen wurden erschossen oder durch Minen und Selbstschussanlagen getötet.

Gerade in diesem Grenzgebiet entwickelte sich nach der friedlichen Revolution jedoch ein weltweit einzigartiges Band vielfältiger Lebensräume, die anderswo bedroht oder ganz verschwunden sind. Denn der mit dem DDR- Grenzgesetz im Jahr 1952 entstandene innerdeutsche Todesstreifen mit seiner Fünfkilometersperrzone und dem 500 Meter breiten Kontrollstreifen bot zugleich Tieren und Pflanzen Schutz vor dem Eingriff durch den Menschen. Diese besondere Biodiversität im Grünen Band gilt es zu schützen.

Die Bewahrung der Schöpfung ist ein Markenkern von CDU/CSU. Wir setzen uns konsequent für den Erhalt der biologischen Vielfalt ein – in Deutschland, Europa und weltweit. Artenschutz ist ein starker Pfeiler unserer Umweltpolitik. Die Unionsfraktion hat dafür gesorgt, dass die Mittel für den Schutz der biologischen Vielfalt im Bundeshaushalt 2019 um mehr als 7 Millionen Euro auf etwas über 32 Millionen Euro aufgestockt wurden.

Das Programm „Nationales Naturerbe“ wird um rund 30 000 Hektar Fläche erweitert. Rund 156 000 Hektar wertvoller Naturflächen aus Bundesbesitz wurden dem Naturschutz übergeben, dazu zählen auch Gebiete entlang der innerdeutschen Grenze. Insgesamt stellt der Bund mehr als zweimal die Landesfläche Berlins für den Arten- und Naturschutz zur Verfügung.

Doch beim Grünen Band geht es nicht allein um Schutz von Flora und Fauna. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden. Lange genug bildete diese Grenze eine tödliche Barriere für uns. Wir dürfen die Menschen nicht wieder aus dem Gebiet verbannen. Denn es ist auch der Lebens- raum des Menschen. Für die dort Ansässigen gehört dieses Gebiet zu ihrer Existenz und muss demzufolge zumindest in Teilen wirtschaftlich genutzt werden dürfen, etwa für Land- und Forstwirtschaft. Wo kommen wir sonst hin? Etwa wieder zu Enteignungen? Das darf nicht sein.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin nicht dafür, dass das Grüne Band intensiv wirtschaftlich genutzt wird. Ich wiederhole: Das Mahnmal darf nicht verwischt wer- den. Doch ich betone auch: Es darf für den Menschen auch keine Barriere darstellen.

Die ehemalige Grenze ist ein Mahnmal. Sie erinnert an das SED-Unrechtsregime der DDR, das infolge des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges Deutschland auf unmenschliche Weise geteilt hat. Das Grüne Band ist ein Mahnmal wider jegliche ideologische Verblendung und muss als solches erhalten bleiben. Erweiterungen durch Zukäufe oder die Verödung einzelner Gebiete würden das Grüne Band verwischen und so zweckentfremden, davon abgesehen, dass Wildwuchs der Biodiversität auch schaden würde.

Was gibt es Besseres, als aus einem Gebiet, auf dem einst Stacheldraht und Minen lagen, auf dem geschossen wurde und vom Menschen auf Menschen abgerichtete Hunde angekettet waren, einen Raum zu schaffen, den Menschen, Tiere und Pflanzen einvernehmlich nutzen? Das haben wir mit dem Grünen Band und müssen es erhalten. Ein Naturmonument und ein Mahnmal: Lebensraum für Flora und Fauna, Lebensraum und Existenzgrundlage für die Menschen.