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Steffen Bilger: Die tragischen Unfälle in der letzten Zeit beweisen, dass weitere Maßnahmen dringend notwendig sind

Rede zum Schutz vor Abbiegeunfällen

Heute ist ein guter Tag für die Verkehrssicherheit in Deutschland. Der vorliegende Antrag, den wir bereits am Mittwoch im Verkehrsausschuss beraten haben, macht dies deutlich.

Ich danke allen, die in den vergangenen Wochen im politischen Raum dazu beigetragen haben, die öffentliche Debatte zu intensivieren. Das ist auch an der europäischen Ebene nicht spurlos vorbeigegangen. Das ist besonders wichtig, weil wir durch Beschlüsse der europäischen Ebene am schnellsten am meisten erreichen könnten – für den Schutz der Verkehrsteilnehmer in ganz Europa mit direkter Auswirkung auf alle Fahrzeuge auf unseren Straßen, egal ob mit deutschem oder ausländischem Kennzeichen.

Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer hatte schon immer eine sehr hohe Priorität im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – genauso wie im Verkehrsausschuss des Bundestages. Eine ganz besondere Verantwortung haben wir für schwächere Verkehrsteilnehmer, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer.

In letzter Zeit häuften sich leider die Berichte über schwere Unfälle von abbiegenden Nutzfahrzeugen mit toten oder schwerverletzten Fußgängern und Radfahrern. Solche Meldungen und die damit verbundenen Schicksalsschläge lassen niemanden unberührt. Jeder dieser Unfälle ist einer zu viel.

Aus diesem Grund setzt sich das BMVI seit über einem Jahrzehnt für eine Verbesserung der Sicht und eine Verringerung des „Toten Winkels“ bei Nutzfahrzeugen ein. Durchaus mit Erfolg!

Auf Initiative des BMVI wurde eine EU-weite Ausrüstung mit zusätzlichen Spiegeln erreicht, die das indirekte Sichtfeld erweitern. Vorschläge für mitblinkende Seitenmarkierungsleuchten und Kamera-Monitor-Systeme anstelle von Spiegeln wurden bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, der UNECE, erfolgreich umgesetzt.

Die tragischen Unfälle in der letzten Zeit beweisen jedoch, dass weitere Maßnahmen dringend notwendig sind. Wir wollen, dass die Fahrzeugführer in komplexen Verkehrssituationen gezielt unterstützt und über potenzielle Gefahren informiert werden.

Wir fordern deshalb seit Jahren die verpflichtende Ausrüstung von schweren Nutzfahrzeugen mit nichtabschaltbaren Abbiegeassistenten. Bereits im Januar 2017 reichte das BMVI bei den Vereinten Nationen einen entsprechenden Vorschlag für international harmonisierte, technische Anforderungen für den Abbiegeassistenten ein. In dem Vorschlag, der in der letzten Woche finalisiert wurde, ist eine verpflichtende, nicht abschaltbare Information für die Fahrzeugführer über Radfahrer vorgesehen, die bei Abbiegevorgängen gefährdet werden könnten.

Darüber hinaus wird zusätzlich eine Akutwarnung gefordert, sofern ein drohender Unfall erkannt wird.

Mit der Unterstützung anderer Länder haben wir durchgesetzt, dass auch die Erkennung radfahrender Kinder in die Regelung aufgenommen werden soll.

Über den Vorschlag muss nun zuerst im Oktober auf Arbeitsgruppenebene und im März nächsten Jahres auf Ebene des Weltforums für die Harmonisierung fahrzeugtechnischer Regelungen bei den Vereinten Nationen abgestimmt werden. Ziel ist es, die Anforderungen für diese Systeme anschließend in den für alle Mitgliedstaaten der EU geltenden Typgenehmigungsvorschriften verbindlich vorzuschreiben.

Verpflichtende rein nationale Aus- bzw. Nachrüstungsvorschriften für technische Systeme sind wegen der EU-Vorschriften wohl nicht möglich. Dies gilt auch für den Abbiegeassistenten. Gleichwohl werden wir nationale Regelungen noch einmal prüfen.

Wir arbeiten aber auch an weiteren Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes schwächerer Verkehrsteilnehmer:

So wird die Ausrüstung von Nutzfahrzeugen mit Kamera-Monitor-Systemen und Abbiegeassistenten bereits heute durch uns im Rahmen des Programms De-minimis finanziell unterstützt. Wir prüfen, wie der Abbiegeassistent noch gezielter gefördert und die Marktdurchdringung des Systems beschleunigt werden kann.

Auch aus diesem Grund hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die „Aktion Abbiegeassistent“ initiiert. Am 10. Juli wird es unter seiner Leitung ein Treffen mit Vertretern der Autoindustrie, der Logistikbranche, Prüforganisationen, Verkehrssicherheitsexperten, Auto- und Fahrradfahrerclubs geben.

Konkret wird es beispielsweise darum gehen, dass sich möglichst viele Unternehmen verpflichten, ihre Lkw-Flotten mit solchen Assistenten nachzurüsten. Auch der Bund sollte bei seinem Fuhrpark mit gutem Beispiel vorangehen.

Neben den nationalen Maßnahmen ist uns die internationale Debatte sehr wichtig. Wir haben sie immer wieder angestoßen und werden sie weiterhin prägen. Erst kürzlich auf der Tagung der EU-Verkehrsminister in Luxemburg hat Bundesminister Andreas Scheuer vehement für schnellere Änderungen gekämpft.

Ein Resultat unserer Arbeit findet sich im Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Allgemeinen Sicherheit wieder, in dem die Ausrüstung bestimmter Fahrzeugklassen mit Kollisionswarnern für Fußgänger und Radfahrer sowie den Totwinkel-Assistenten vorgesehen ist.

Wir werden uns auf EU-Ebene intensiv dafür einsetzen, dass Abbiegeassistenzsysteme hohe technische Anforderungen erfüllen, im relevanten Geschwindigkeitsbereich nicht abschaltbar sind und schnellstmöglich eingeführt werden.

Ich gehe davon, dass wir bei diesem Vorhaben auf die volle Unterstützung des Deutschen Bundestages bauen können.