Skip to main content

Rüdiger Kruse: Wir können nicht nur Umweltschutz machen und alles andere vergessen

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Epl. 16)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Die Debatte ist ja ganz spannend, wenn man sieht, wie der Herr Kollege Miersch sich darum bemüht, Frau Dött für eine Äußerung zu kritisieren, die vielleicht 15 Prozent der Schlagkraft der Äußerung hatte, die vorher Frau Nahles gemacht hat.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat Frau Nahles gemeint!)

– Das kann natürlich sein. Ich glaube aber, dass zwischen diesen beiden Personen die Verwechslungsgefahr nicht unbedingt gegeben ist.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Das hier ist eine Debatte, die schon zu meiner Schulzeit nicht mehr ganz frisch war. Meine Schulzeit ist zwar noch in frischer Erinnerung, aber auch schon lange her.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber noch nicht so lange her!)

– Charmant. Aber gelogen. Oder zumindest ist das nicht die Wahrheit. Aber jetzt wollen wir mal nicht diskutieren, wie lange das her ist, sonst ist die Redezeit auch gleich lange her.

Dieses Verharren in einer Positionierung „Umweltschutz gegen Arbeitsplätze“ haben wir eigentlich überwunden. Wir haben uns darüber hinaus auf das Thema Nachhaltigkeit geeinigt; das hatten Sie zitiert. Denn wir haben natürlich eingesehen, dass wir nicht bei uns Umweltschutz pur machen und alles andere vergessen können. Wir können das vor allen Dingen nicht im Rest der Welt so machen. Ich sage mal: Wir können nicht nach Südamerika jetten, den Jungs und Mädels erklären, dass sie den Regenwald stehen lassen sollen, und wenn sie dann fragen: „Ja, okay, wie kriegen wir Bildung für unsere Kinder?“, antworten: Hey, komm, das ist ein lokales Problem. Das geht uns nichts an. – Das wissen wir. Deswegen haben wir zusammen die 17 SDGs erarbeitet.

Wir haben über die Jahrhunderte ja ein bisschen mit den Zehn Geboten geübt, und mit den meisten klappt das auch ganz gut. Sie haben Eingang in die normale Gesetzgebung gefunden. Gut, die ersten zwei sind natürlich persönliche Geschmackssache. Man muss selber wissen, ob man sich denen unterwirft.

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ob man sich die Erde untertan macht, ist auch so eine Sache!)

– Sie kennen doch die hohe Verantwortung, die man hat, wenn man eine Sache übernimmt: Eigentum verpflichtet. Das heißt – das haben Sie auch zitiert –: Dass man die Schöpfung bewahren muss, ist eine hohe Aufgabe. Die Fragestellung, ob wir im Anthropozän leben oder nicht, ist nicht, ob wir die Könige der Welt sind, sondern ob wir die Verantwortung für alles haben. Ich sage: Ganz klar ist das so. Es gibt keine Natur mehr da draußen, die von uns unabhängig existiert und in die wir uns retten könnten, sondern wir sind in diesem geologischen Zeitalter die maßgeblichen Bestimmer, und damit haben wir auch die maßgebliche Verantwortung.

Wenn Sie sich die Ziele angucken, die netterweise auch mit vielen bunten Farben hinterlegt sind – manche Farben entsprechen auch denen, die sich die Parteien hier im Parlament ausgesucht haben –, dann sehen Sie: Es ist für jeden etwas dabei. Ich empfehle, dass wir uns bei den Beratungen für den Haushalt einfach mal an den 17 SDGs orientieren; denn ich glaube, sie sind im Konsens entstanden. Oder ist irgendjemand dagegen, dass wir sagen: „Keine Armut, kein Hunger, Bildung, menschenwürdige Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klimaschutz!)

innovative Industrie“? Ich habe die 17 Ziele noch nicht auswendig gelernt, aber sie sind eigentlich alle so formuliert, dass man sagt: „Ja, das will ich auch“, sodass es dann nur noch – nur noch? – darum gehen kann, welchen Weg wir beschreiten.

Natürlich ist ein Regierungsentwurf so ein bisschen Copy-and-paste; das Beharrungsvermögen von Institutionen ist auch normal. Unsere Aufgabe ist es, ein Haushaltsgesetz zu machen. Wir könnten den Haushalt komplett neu aufstellen, wir könnten ihn auch komplett so übernehmen, wie er ist, und die richtige Positionierung ist, es zu bearbeiten. Da kann man sich eine Checkliste mit den 17 SDGs machen und fragen: Entspricht eine bestimmte Maßnahme eigentlich den Zielen, die wir bis 2030 erreichen wollen?

Dann sollten wir darauf verzichten, darüber zu diskutieren, ob Kollegen von uns schon vor 25 Jahren genau das oder etwas anderes gesagt haben. Übrigens: Eine Technologie, die vor 50 oder vor 100 Jahren zum Wohlstand der Menschen beigetragen hat, muss nicht eine Zukunftstechnologie sein, und die Zukunftstechnologien waren vielleicht vor 25 Jahren noch gar nicht möglich. Die Entwicklungen gehen ja voran, und wir sind gut beraten, in der Gegenwart das zu tun, was für die Zukunft richtig ist. Darum sollten wir uns an den 17 SDGs orientieren und sie zur Maßgabe unseres Handelns machen. Wir beweisen ja immer wieder, dass wir, wenn es um die Sache geht, in der Lage sind, fraktionsübergreifend gute Entwicklungen voranzutreiben. Ich bin mir sicher: Wir werden uns nicht jeden Schlagabtausch ersparen – er lockert es ja auch ein bisschen auf –, aber in der Sache, für die Positionierung, ist das gut.

Ein letztes Wort dazu, ob Deutschland, prozentual gesehen, weltweit einen entscheidenden Beitrag leistet. Ich glaube, meine Fraktion ist über den Zweifel erhaben, dass wir die Rolle der deutschen Nation überbewerten. Nun nehmen Sie mal so etwas wie damals den Transrapid: Wenn Sie es selber nicht machen, kauft es auch keiner von Ihnen. – Warum soll irgendjemand unsere Produkte kaufen, wenn wir sie selber nicht anwenden? Warum sollte dann irgendjemand Maßnahmen ergreifen? Wenn wir – meinethalben; das ist ja immer beliebt – den Chinesen sagen: „Rettet mal das Klima!“, dann können die ja sagen: Okay, macht es uns doch mal vor! – Das ist doch der Effekt. Da sie sich in gewissen Dingen für Avantgarde halten, müssen sie natürlich auch vorangehen. Das gilt aber für uns alle.

Es gibt 17 SDGs, und das 17. Ziel ist, diese Wege gemeinsam zu beschreiten und die SDGs mit gemeinsamen Maßnahmen umzusetzen. Da gibt es ganz klar einen Auftrag auch an die deutsche Gesellschaft und an die deutsche Politik, und den müssen wir ernst nehmen.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)