Skip to main content

Karsten Möring: Wir brauchen keine flächendenckenden Maßnahmen

Rede in der aktuellen Stunde zum kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich in der Tagesordnung das Thema der Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich mich ein bisschen gewundert. Ich hätte ja verstanden, wenn man an dem Tag, an dem wir – anlässlich der Revision von Urteilen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart – das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten erwarteten, dies zum Thema gemacht hätte, vielleicht auch das möglicherweise drohende EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxid. Aber das, was wir von der FDP zum Thema Mobilität vorgelegt bekommen haben, hat mich dann doch ein bisschen irritiert. Das gilt vor allen Dingen für Herrn Luksic, der seine Rede damit eingeleitet hat, dass wir nicht denken, sondern handeln sollen. Denn ich habe ein Flugblatt der FDP vor Augen, auf dem steht: „Mobilität neu denken.“ Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass für die Bundesregierung Denkverbote verlangt werden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was steht eigentlich in dem Brief? Frau Lühmann hat es vorhin schon einmal zitiert. Darin steht: Wir denken darüber nach. –

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie sollten mal vordenken, nicht nachdenken!)

Wir denken über sieben Punkte nach, aber auch über die Dutzende von Punkten, die wir als Ergebnis der Dieselgipfel I und II und der weiteren Gespräche auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Von den Linken habe ich nichts anderes erwartet als einen Vorschlag, die Kosten des ÖPNV, der ja nicht kostenlos ist, zu sozialisieren und ihn auf diese Weise zu bezahlen. Das ist aber auch nicht das richtige Modell.

Dann habe ich mich ein bisschen über Herrn Gelbhaar gewundert. Herr Gelbhaar, der ÖPNV ist bezahlbar, und da, wo er nicht bezahlbar ist, weil die Preissteigerungen groß sind – die Preise werden ganz wesentlich von der Lohnentwicklung bestimmt –, haben die Städte und zum Teil die Länder zum Mittel der Sozialtickets gegriffen, zum Beispiel bei mir in Köln. Dass das Modell richtig funktioniert, zeigt sich daran, dass wir jedes Jahr eine massive Zunahme der Fahrgastzahlen haben. Marktwirtschaftlich ist es also offensichtlich richtig, und sozial abgefedert ist es auch.

Die Frage, was ein ticketfreier ÖPNV kostet und wie diese Kosten gedeckt werden sollen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Der VDV hat ausgerechnet, dass die deutschen Nahverkehrsunternehmen insgesamt rund 12 Milliarden Euro durch Fahrgastbeförderung eingekommen haben. Angesichts dieser Summe, muss man nicht lange darüber nachdenken, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass das eine ziemlich irreale Summe ist. Aber es wird ja auch nicht ernsthaft darüber diskutiert, eine solche Maßnahme einzuführen.

In der ganzen Diskussion ist folgender Punkt noch gar nicht zur Sprache gekommen. Es geht um die Erfahrung, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, nämlich dass die durch Emissionen entstandenen Belastungswerte deutlich zurückgegangen sind. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind, haben also Wirkung gezeigt.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Richtig!)

Die Frage, die heute bei der Erörterung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rolle gespielt hat, nämlich die Frage der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen in Bezug auf die gesundheitliche Beeinträchtigung der Bevölkerung durch Emissionen, wird auch noch einmal eine Rolle spielen, wenn wir über praktische Maßnahmen in den Kommunen diskutieren. Wir arbeiten mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen, die ich jetzt aber nicht wiederholen will. Meine Kollegen Jung und Klare haben das bereits thematisiert bzw. konkretisiert.

Lassen Sie mich auf einen Punkt der sieben Punkten, die in dem Brief der drei Bundesminister aufgelistet worden sind, eingehen, der da lautet: den Rechtsrahmen verändern. Dahinter verbirgt sich die Überlegung, dass wir die Kommunen in die Lage versetzen sollen, Regelungen für punktuelle, lokal wirksame Maßnahmen zu treffen, zum Beispiel eine Beeinflussung der Ausgestaltung, wie Taxen, Busse oder Ähnliches mehr fahren sollen. Das zeigt: Bei vielen Punkten ist eine Ergänzung vorgenommen worden, über die wir diskutieren können. Das ist schlicht und einfach sinnvoll.

Es wird gefordert: Die Autoindustrie soll für Nachrüstungen zahlen. Ja, es sieht so aus, als seien technische Nachrüstungen möglich und sinnvoll; sicherlich nicht in Bezug auf alle Fahrzeuge, weil die Nachrüstung bei einigen Fahrzeugen möglicherweise deutlich zu teuer und damit wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Leider haben wir eine ganz klare Rechtslage, die besagt: Die Autoindus­trie, mit Ausnahme der Nutzung von Betrugssoftware, hat sich an die EU-Rechtsvorgaben gehalten. Die Vorgaben enthielten Lücken, die dazu geführt haben, dass wir heute in diesem Bereich Probleme haben. Allerdings will ich auch sagen: Die Autoindustrie wäre gut beraten, wenn sie, statt Hunderte von Millionen Euro in Imagekampagnen zu stecken, diese Mittel benutzen würde, um sich an den Nachrüstungskosten zu beteiligen. Das wäre meiner Ansicht nach eine lohnendere Investition.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Arno Klare [SPD])

Ich will zum Schluss einen Blick auf die Situation in Köln werfen. Köln ist die belastetste Stadt in Nordrhein-Westfalen, ein Hotspot für Überschreitungswerte. Es gibt aber auch Messpunkte, an denen wir die Grenzwerte unterschreiten. Das zeigt doch eines, nämlich dass wir keine flächendeckenden Maßnahmen brauchen, sondern punktuell wirksame Maßnahmen. Die Punkte, die in der Diskussion sind, bieten hierfür genügend Möglichkeiten.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Möring, ich bitte darum, den Punkt zu setzen.

Karsten Möring (CDU/CSU):

Schießen wir nicht mit Schrot auf Punktziele.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)