Skip to main content

Hans-Jürgen Thies: Wir bekennen uns ganz ausdrücklich zu einem wirksamen Verbraucherschutz

Rede zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verbraucherschutz insgesamt und der gesundheitliche Verbraucherschutz im Besonderen haben in den letzten Jahren in Deutschland einen extrem wichtigen Stellenwert erlangt.

(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])

Wir, die CDU/CSU, bekennen uns ganz ausdrücklich zu einem wirksamen Verbraucherschutz. In Deutschland leben schließlich 82 Millionen Menschen. Sie alle sind Verbraucher. Die Menschen in unserem Land erwarten vom Staat, dass er sie im Lebensmittelbereich wirksam vor Gesundheitsgefahren, aber auch vor Täuschungen schützt.

Genau diesem Ziel dient das im Jahr 2005 verabschiedete Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Wirksamer Verbraucherschutz ist aber nur dann gewährleistet, wenn Markttransparenz und umfassende Verbraucherinformationen vorhanden sind. Dies erfordert staatliches Informationshandeln in Form effektiver Öffentlichkeits­information.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ein ahnungsloser Verbraucher ist im Marktgeschehen strukturell unterlegen. Erst durch zeitnahe, leicht verfügbare Informationen wird er überhaupt in die Lage versetzt, in Kenntnis veröffentlichter Missstände eine autonome Konsumentscheidung zu treffen und gegebenenfalls von einem Vertragsabschluss mit einem genannten Unternehmen abzusehen. Dies stärkt letztlich die Vertragsfreiheit der Verbraucher, und diese ist bekanntlich in Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz besonders geschützt.

Um diesem Anliegen Rechnung zu tragen, wurde im Jahr 2012 der Absatz 1a in § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch eingefügt. Die Vorschrift ermächtigt und verpflichtet nunmehr die Behörden, die Öffentlichkeit über Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften zu informieren. Das bedeutet, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass eine Behörde dazu verpflichtet ist, egal ob gesundheitsgefährdend oder nicht, Verstöße öffentlich zu machen. Dazu zählen Kennzeichnungsverstöße, Grenzwertüberschreitungen oder auch Verletzungen hygienischer Anforderungen. Die Liste möglicher Verstöße ist sehr lang.

Wenn bei einem Unternehmen ein Verstoß nicht unerheblichen Ausmaßes festgestellt wurde, landet das Unternehmen auf der Internetseite der Behörde. Diese Veröffentlichung im Netz ist für die Allgemeinheit jederzeit einsehbar. Es handelt sich hierbei um den sogenannten Internetpranger. Im Sinne des Verbraucherschutzes und der Transparenz ist dieses Instrument des § 40 Absatz 1a LFGB ein deutlicher Fortschritt. Dabei hat schon die drohende Veröffentlichung einen erheblichen generalpräventiven Effekt. Dass sogar behobene Verstöße publiziert werden, erhöht die abschreckende Wirkung noch.

Allerdings bedeutet dieses staatliche Informationshandeln, durch das sich die Markt- und Wettbewerbssituation bestimmter Unternehmen durchaus zum Nachteil verändern kann, einen sehr, sehr schwerwiegenden Eingriff in die durch Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit. Eine öffentliche Namensnennung von Unternehmen oder Marken kann diese durchaus irreparabel beschädigen, unter Umständen sogar finanziell ruinieren.

Wegen dieser Eingriffsschwere sind an die Verfassungskonformität des § 40 Absatz 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch hohe Anforderungen zu stellen. Die Veröffentlichungsvorschrift war deshalb von Anfang an, seit 2012, sowohl juristisch als auch politisch durchaus umstritten. Zahlreiche Landesbehörden hatten aufgrund mehrerer oberverwaltungsgerichtlicher Entscheidungen die Veröffentlichungsvorschrift sogar ganz außer Vollzug gesetzt. In der Rechtsanwendung herrschte also große Unsicherheit über die Verfassungsgemäßheit dieser Bestimmung.

Hier hat jetzt zum Glück, sage ich mal, das Bundesverfassungsgericht durch seinen Beschluss vom 21. März 2018 Klarheit geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass die gesetzliche Veröffentlichungspflicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im weiteren Sinne durchaus genügt. Insbesondere sei die Informationsverbreitung, wenn sie denn verfassungskonform angewendet werde, geeignet und erforderlich, die legitimen Ziele des Gesetzes zu erreichen. Hervorgehoben hat das Bundesverfassungsgericht in dem Zusammenhang ausdrücklich, dass es im Grundsatz auch angemessen sei, die Interessen der Unternehmen im Falle eines im Raum stehenden Verstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucher zurücktreten zu lassen.

Lediglich in einem einzigen Punkt hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung dennoch für verfassungswidrig erachtet. Beanstandet hat das Bundesverfassungsgericht allein, dass es an einer zeitlichen Begrenzung der Informationsverbreitung mangelt. Von diesem Befristungserfordernis abgesehen, ist nach Auffassung des Verfassungsgerichts eine verfassungskonforme Anwendung der angegriffenen Regelung durch die zuständigen Behörden durchaus möglich, ohne dass es einer Nachbesserung durch den Gesetzgeber bedarf.

Der jetzt von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf sieht eine zeitliche Begrenzung der Veröffentlichung vor. Nach sechs Monaten müssen Veröffentlichungen wieder gelöscht werden. Auch diese Dauer der Löschungsfrist entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts; denn mit einer zunehmenden Dauer der Veröffentlichung nimmt deren Informationswert für den Verbraucher deutlich ab.

Wir unterstützen daher den Gesetzentwurf der Bundesregierung, weil er sozusagen minimalinvasiv die vorhandene gesetzliche Schwachstelle kurzfristig repariert. Dies muss nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis spätestens April 2019 geschehen. Mit der zügigen Verabschiedung dieser Gesetzesänderung stellen wir also wieder Rechtssicherheit im Lebensmittelrecht her.

Nun noch ganz kurz zum Antrag der Fraktion Die Linke. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird uns ein ganz bunter Blumenstrauß an weiteren Forderungen präsentiert, die weit über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinausgehen. Ja, auch wir von der CDU/CSU erkennen weiteren Änderungsbedarf beim LFGB. Es gibt einige Punkte, über die diskutiert werden muss, zum Beispiel darüber, wie ein bundeseinheitlicher Bußgeldkatalog aussehen könnte oder in welchen Fällen möglicherweise auf eine Doppelbeprobung verzichtet werden kann.

Lassen Sie uns diese Fragen gründlich und in einem gesonderten, nicht fristgebundenen Gesetzgebungsverfahren klären. Heute müssen wir uns meines Erachtens auf das wirklich Wesentliche konzentrieren. Der Antrag der Bundesregierung ist konstruktiv und schafft schnelle Handlungsmöglichkeiten. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden eins zu eins umgesetzt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Thies, kommen Sie bitte zum Schluss.

Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU):

Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin. – Die inhaltliche und fachliche Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sollte nunmehr zügig in den zuständigen Ausschüssen erfolgen, damit wir Anfang 2019 wieder eine in jeder Hinsicht verfassungskonforme Gesetzesgrundlage haben.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)