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Hans-Jürgen Thies: Jedes Verbot muss sich an dem Kriterium der Erforderlichkeit messen lassen

Gesetzes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss lange überlegen, wann ich das letzte Mal bewusst Tabakwerbung wahrgenommen habe.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Genau das ist das Problem!)

Das war früher durchaus anders. Tabakwerbung war allgegenwärtig, im Fernsehen, an der Litfaßsäule, an der Bushaltestelle. Hier hat sich zum Glück vieles verändert. Die Methoden der Werbebranche sind subtiler geworden. Die Produktwerbung wird mit Lifestylebotschaften verknüpft. Sie richtet sich insbesondere an die jungen Menschen, die dafür besonders empfänglich sind. Gefällt mir das? Nein, absolut nicht, besonders nicht als überzeugter Nichtraucher.

Aber was bedeutet das in der Konsequenz? Was bedeutet das für uns als politische Entscheidungsträger? Jegliche Werbung für Tabak verbieten?

(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau das!)

Na klar, liebe Kollegen von den Grünen, das würden Sie gerne. Das entspricht Ihrem Regelungsdrang, möglichst all das aus dem öffentlichen Raum, aus dem Straßenbild zu verbannen, was Ihnen nicht gefällt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Kirsten ­Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle Länder in Europa bis auf Deutschland!)

Nein, ich bin der festen Auffassung, dass wir hier die Verhältnismäßigkeit wahren müssen.

(Martin Hebner [AfD]: Verbotspartei!)

Heute wollen Sie jegliche Tabakwerbung verbieten. Und morgen den Zucker, übermorgen den Kaffee?

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Oder das Auto! – Martin Hebner [AfD]: Strohhalme!)

Das frage ich Sie. Schon heute heißt es: Wir wollen Verkaufsbeschränkungen für Energydrinks. – Ich sage Ihnen eines: Wer den Konsum von Cannabis legalisieren und die Werbung für legale Schwangerschaftsabbrüche straffrei stellen will, der hat aus meiner Sicht jegliche moralische und politische Rechtfertigung verloren,

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

ein Verbot für Tabakwerbung zu fordern. Das ist geradezu aberwitzig und paradox.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ist Ihnen das nicht peinlich, so einen Unsinn zu verbreiten?)

Den Antrag der Linken kann man überhaupt nicht ernst nehmen.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Und wir können Sie nicht ernst nehmen!)

Er ist voll von reiner Polemik und richtet sich nur gegen die Tabakwarenindustrie.

Was würde passieren, wenn wir Ihren ständigen Verbietereien nicht entgegentreten würden? Wir würden die Büchse der Pandora öffnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Jegliche Art der Werbung für Produkte, die auf die eine oder andere Art und Weise schädlich sein könnten, würde dann verboten.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, liebe Kollegen, wir wollen ja grundsätzlich das Gleiche. Was wollen wir denn? Wir wollen gesunde Bürger. Wir wollen ein Umfeld schaffen – das ist noch viel wichtiger –, in dem unsere Kinder und Jugendlichen gesund und ohne Sucht in ihr Leben starten können.

(Rainer Spiering [SPD]: Gute Idee!)

Daher ist die Zielsetzung Ihres Vorstoßes durchaus auch in meinem Sinne. Nur: Der Weg dorthin ist ein falscher.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, ich muss Sie kurz unterbrechen. Ich bitte den Besucher auf der Tribüne, das zu unterlassen, und ich bitte die Saaldiener, den Besucher zu entfernen.

Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU):

Das möchte ich Ihnen gerne anhand von drei Argumenten verdeutlichen.

Erstens: zum Stichwort „Aufklärung und Prävention“. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der konsumierten Zigaretten um 50 Prozent gesunken. Dies belegen die Zahlen des Deutschen Krebsforschungszentrums. Zudem fangen viele Jugendliche – ich sage: gottlob – gar nicht erst an, zu rauchen. Nur noch knapp 8 Prozent der Jugendlichen in Deutschland greifen zur Zigarette. Im Jahre 2001 waren es immerhin noch 27,5 Prozent; so sagt es das Gesundheitsministerium. Die Erfolge der Präventionsarbeit und der zahlreichen Aufklärungskampagnen sind somit evident. Unser Credo lautet daher: Aufklärung ist ein viel effektiveres Mittel der Prävention als schlichte Verbote.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Zweitens: zum Stichwort „Verhältnismäßigkeit“. Wir bewegen uns doch in die richtige Richtung. Der Tabakkonsum sinkt drastisch. Unsere Kinder und Jugendlichen werden viel vernünftiger, als wir es in unserer Generation einstweilen waren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie sagen vermehrt Nein zur Qualmerei. Das ist ein Erfolg unserer bisherigen Maßnahmen. Das ist sicherlich auch deshalb so, weil die Tabakbranche selbstverpflichtend aktiv geworden ist, nicht zuletzt allerdings durch den Druck der Politik.

An dieser Stelle muss allerdings eines gesagt werden, meine Damen und Herren: Tabak ist nun einmal ein legales Produkt. Ob es uns gefällt oder nicht, er ist frei verkäuflich. Ein legales Produkt, das frei verkäuflich ist, muss auch legal beworben werden dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Immerhin haben wir den Handlungsspielraum für die Tabakindustrie in den letzten Jahren wirksam eingeschränkt. Die Liste der Maßnahmen ist lang: Wir haben ein vollständiges Werbeverbot für Fernsehen, Internet und Hörfunk eingeführt. Wir haben Gesundheitswarnungen auf die Produkte gesetzt. Wir haben ein Verbot der Produktplatzierung implementiert. Wir haben ein Werbeverbot in den Printmedien erlassen, und wir haben ein Werbeverbot im Kino bis 18 Uhr eingeführt. Insbesondere aber – das ist mir ganz wichtig – haben wir in den letzten Jahren den Nichtraucherschutz wesentlich verbessert. Wir haben die Raucher weitgehend aus öffentlichen Räumen ausgeschlossen. Ich meine, das ist auch gut so.

Ab einem gewissen Punkt müssen wir uns allerdings fragen, ob es bei den geforderten Werbeverboten, die hier in Rede stehen, nicht in Wahrheit sogar um ein Produktverbot durch die Hintertür geht. Dann machen Sie sich aber bitte so ehrlich und sagen auch, dass Sie ein komplettes Produktverbot wollen und Tabak zu einem illegalen Produkt machen wollen.

Wir müssen uns also die Frage stellen, ob es in Anbetracht der bereits erzielten Erfolge und der positiven Tendenzen wirklich erforderlich ist, weitere Maßnahmen zu ergreifen und Werbeverbote zu erlassen. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass weitere Verschärfungen in den grundrechtlich geschützten Bereich der Berufsfreiheit eingreifen und deswegen auch an die Grenze der Verfassungsgemäßheit gehen, Stichwort „Übermaßverbot“.

Jedes Verbot muss sich auch an dem Kriterium der Erforderlichkeit messen lassen. Im Hinblick auf die gegenwärtige Situation sind da Zweifel angebracht.

Ein letztes Argument – ich will mich hier kurzfassen –: WHO. Das von Deutschland unterzeichnete WHO-Abkommen aus dem Jahre 2005 verpflichtet uns völkervertragsrechtlich nicht zur Verhängung eines flächendeckenden Tabakwerbeverbots.

Abschließend sei also gesagt: Unser gesundheitlicher Verbraucherschutz steht auf starken Füßen. Unsere Kinder und Jugendlichen sagen vermehrt Nein zum Tabak. Die Bundesregierung hat alle verhältnismäßigen Maßnahmen genutzt, um die Tabakwerbung wirksam einzuschränken – auch im Sinne internationaler und europäischer Richtlinien.

Ja, wir wollen einen starken gesundheitlichen Verbraucherschutz; ja, wir wollen unsere Kinder vollumfänglich über die Gefahren schädlicher Produkte aufklären; ja, wir wollen Prävention und Suchtbetreuung auch weiterhin im Auge behalten und stärken.

Diese unerträgliche Art der Volkspädagogik, liebe Kollegin von den Grünen, hat Ihnen in der Vergangenheit bereits zahlreiche Wahldesaster eingebracht. Haben Sie aus Ihren Fehlern denn überhaupt nichts gelernt?

(Beifall bei der AfD)

Ihren Antrag und den in der Begründung noch viel polemischeren Antrag der Linken werden wir deshalb ablehnen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD sowie bei Abgeordneten der FDP)