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Gitta Connemann: Wir brauchen Lösungen, die den Betrieben Luft zum Atmen lassen

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Epl. 10)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heimat hat Konjunktur: früher ein Fall für den „Musikantenstadl“, heute im Zentrum der Politik in allen ihren Facetten – leider auch missbräuchlich.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: AfD wirkt!)

Heimat ist für jeden etwas anderes. Für mich ist es das Land; ich lebe dort wie die Mehrheit der Deutschen. Dort ist auch die Heimat des Mittelstandes, vorneweg der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Ernährungswirtschaft. Meine Damen und Herren, diese wurden in den letzten Monaten durch Frost, Sturm, Dürre, Hagel schwer getroffen. Ernten fielen aus, Futter fehlt, Setzlinge verdorrten. Die Luft auf den Betrieben brennt. Insgesamt geht es für 10 000 Höfe um die Existenz.

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist klar: Unsere Familien verdienen unsere Unterstützung. Sie sichern unser tägliches Brot, und sie sind wie keine andere Branche dem Wetter ausgesetzt. Das unterscheidet sie von allen anderen. Deshalb ist es richtig, zu helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bis zu 340 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Dies verdanken wir ganz wesentlich unserer Bundesministerin. Liebe Julia Klöckner, du hast beherzt und wirklich besonnen agiert. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser Dürresommer wird nachbeben, in den Betrieben und in der Politik. Das vollständige Ausmaß der Schäden wird sich zum Beispiel im Wald erst in Jahren zeigen. Die politische Debatte dagegen ist bereits in vollem Gang, zum Teil erschreckend einseitig. Der Klimawandel wird der Branche von interessierten Kreisen in die Schuhe geschoben. Das nenne ich Ideologie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Betrachten wir die Fakten: 93 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen nicht auf das Konto der Branche. Landwirte und Waldbauern sind keine Schuldigen, sondern vor allem Leidtragende. Verbessern kann man natürlich immer etwas. Aber wenn ein Bereich in den letzten Jahren seine Hausaufgaben gemacht hat, dann die Landwirtschaft. Für den deutschen Wald gilt ohnehin: Er ist der Klimaschützer Nummer eins.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Klar ist aber auch: Kein Landwirt will auf Hilfe angewiesen sein, und Steuerzahler sind keine Vollkaskoversicherung. Risikovorsorge ist besser als Hilfspakete. Liebe Frau Ihnen, Sie hatten angemahnt, dass dort eine Initiative fehlt. Besser informiert, wäre besser gewesen; denn unsere Bundesministerin Julia Klöckner hat mit der tariflichen Gewinnglättung bereits einen ersten Schritt getan. Wir warten nur darauf, dass Brüssel diese endlich notifiziert. Herzlichen Dank. Danach muss es weitergehen. Deshalb plädiert übrigens auch der Bund der Steuerzahler für die Einführung einer Risikorücklage, die steuerlich gesondert behandelt wird. Das ist eine gute Idee.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit einer zweckgebundenen Klimarücklage könnten die Betriebe in guten Zeiten für schlechte Zeiten vorsorgen.

Dies ist übrigens nicht nur im Interesse unserer Bauernfamilien; es ist im Interesse der ländlichen Regionen und Verbraucher; denn die Landwirtschaft ist systemrelevant für Ernährung, Landschaft, Wirtschaft und das Leben auf dem Land. Sterben die Höfe, sterben die Dörfer. Aus Landschaft wird dann nur noch Gegend. Das ist übrigens keine Schwarzmalerei, sondern bittere Realität in manchen Gegenden Deutschlands. Auf der anderen Seite gibt es Regionen mit starker Wirtschaftskraft und Infrastruktur wie zum Beispiel meine Heimat Ostfriesland und das Emsland. Es gibt also Unterschiede wie Tag und Nacht.

Viele Aufgaben sind im Koalitionsvertrag schon benannt. Klar ist: Die ländlichen Regionen brauchen keine Almosen, sondern passgenaue Lösungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Baustein dafür ist das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung. Lieber Johann Saathoff, du hattest angemahnt, dass die Ministerin dies nicht konkret benannt hätte. Ich habe sehr wohl gehört, wie sie in ihrer Rede darauf eingegangen ist, dass wir über dieses Bundesprogramm im nächsten Jahr über 70 Millionen Euro bereitstellen. Vielen Dank dafür! Wir sind uns einig – da schaue ich auch unseren Haushälter Christian Haase an –, dass die Mittel schneller und leichter abfließen können müssen. Deswegen bin ich der Ministerin dankbar, dass sie der zuständigen BLE jetzt einen externen Projektträger zur Seite stellen wird. Auch dafür herzlichen Dank!

Wir sind uns einig: Wir müssen weg von den komplexen Modellen und Demonstrationsvorhaben zu einer einfachen Regelförderung. Denn ehrlicherweise muss man sagen: Was hilft das beste Förderprogramm einem Verein, der ehrenamtlich arbeitet, wenn er dafür einen Juristen beschäftigen muss? Für diese Vereinfachung brauchen wir das Bundesfinanzministerium.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn wir wissen: Investitionen in den ländlichen Raum sind Investitionen in die Zukunft unseres ganzen Landes. Dabei geht es übrigens nicht nur um Geld. Ein Beispiel: Wer Auto oder Bahn fährt, bewegt sich von Funkloch zu Funkloch. Das könnte sich mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G ändern – könnte! Dafür muss die Bundesnetzagentur aber auf eines achten: Es darf nicht allein um das höchste Gebot gehen, sondern um die beste Flächenabdeckung. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden darauf ganz genau achten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Am Ende steht und fällt die Zukunft der ländlichen Räume aber mit der Zukunft der Landwirtschaft. Diese befindet sich in schweren Zeiten, auch wegen der Politik in Europa, in Bund und Land. Ich nenne nur einige Stichworte, mit denen sich Landwirte zurzeit auseinandersetzen müssen: Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die Zukunft der Direktzahlungen, die Düngeverordnung mit all ihren betrieblichen Auflagen. Hinzu kommen neue Anforderungen im Pflanzenschutz, bei Stallbauten. Insofern bin ich unserer Ministerin dankbar, dass sie in ihrem Haus extra ein Referat, das sich mit Bürokratieabbau beschäftigt, eingerichtet hat. Herzlichen Dank dafür! Wenn man denn einmal ein Organigramm liest, liebe Frau ­Ihnen, hätte man das auch gesehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Besondere Unterstützung brauchen an dieser Stelle unsere Ferkelerzeuger in Deutschland.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Na, dann mal los!)

Nur noch 75 Prozent der Ferkel werden hier geboren. Der Rest kommt aus Ländern wie Dänemark, den Niederlanden, Polen oder Spanien. Dieser Trend wird sich verschärfen; denn 60 Prozent der Sauenhalter denken ans Aufgeben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Es handelt sich im Wesentlichen – das ist gar nicht lustig, liebe FDP; da sieht man, dass Ihr Bekenntnis zur Landwirtschaft dann eher auf dem Papier stattfindet als in der Tat – um kleine Betriebe.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Na, na, na!)

Die interessieren Sie vielleicht nicht so, uns schon. Die kleinen Betriebe, gerade aus Baden-Württemberg und Bayern, wollen aus Sorge vor kostenintensiven Auflagen aufgeben. Sie warnen uns: Ein Strukturbruch droht. Das müssen wir verhindern, im Sinne der Höfe, aber auch im Sinne der Verbraucher und des Tierschutzes; denn der höchste Tierschutz ist hier in Deutschland gewährleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb appelliere ich an alle Akteure: Wir brauchen Lösungen, die den Betrieben Luft zum Atmen lassen. Das gilt vor allem bei der Ferkelkastration, sonst haben wir am Ende noch größere Agrarbetriebe, eine Verlagerung der Ferkelerzeugung ins Ausland, womöglich in Länder mit weniger Tierschutz.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Mir kommen die Krokodilstränen!)

Ich sage zu Ihnen: Das kann doch keiner wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere auch im Namen unserer Fraktion an unser aller Vernunft, auch für unsere Heimat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Sie tragen die Verantwortung!)