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Dr. Anja Weisgerber: Wir nutzen die Chancen, die sich aus den Klimainnovationen ergeben

Aufgabe der Energie- und Klimaschutz-Zwischenziele 2030 des Energiekonzeptes 2010

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Abkehr von allen Gesetzen und Verordnungen in der Klimapolitik, die Aufgabe aller Klimaziele, die Beendigung aller nationalen und internationalen Verpflichtungen und die Entlassung aller Klimamanager und Mitarbeiter in ganz Deutschland, die sich mit diesem Thema befassen – „sozialverträglich“, schreiben Sie in Ihrem Antrag –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

und das mit der Begründung, CO 2 ist das „Gas des Lebens“.

Meine Damen und Herren, so gut wie alle Wissenschaftler weltweit sagen, dass Klimagase wie CO 2 den Klimawandel befördern

(Jürgen Braun [AfD]: Das stimmt nicht, Frau Weisgerber! Das ist falsch! Nicht alle! Ganz bestimmt nicht!)

und dieser auch menschengemacht ist. Sie sind die einzige Partei im Bundestag, die den Klimawandel komplett verleugnet.

(Jürgen Braun [AfD]: Klimawandel hat es immer gegeben, Frau Weisgerber!)

All das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist verantwortungslos. Sie sagen, der Klimawandel ist nicht menschengemacht. Aber er ist auch menschengemacht.

Ich sage es noch mal: Das, was Sie machen, und das, was Sie in Ihrem Antrag formulieren, ist verantwortungslos gegenüber unseren Kindern und Enkelkindern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Aber Hunderte Milliarden einfach für nichts rauszuhauen, das ist in Ordnung, oder was?)

Und jetzt zu den Details. Eines ist richtig: Pflanzen verwandeln mithilfe von Sonnenlicht CO 2 und Wasser zu Biomasse – das ist Fotosynthese. Grundsätzlich gibt es diesen Düngeeffekt durch CO 2 . Es ist aber schon so, dass er viel geringer ist als gedacht. Was im Labor stimmt, ist in der Natur wesentlich komplizierter.

(Jürgen Braun [AfD]: Sagen Sie mal was zu den Modellrechnungen von Herrn Schellnhuber aus Potsdam!)

Zu den Studien im Labor, die Sie in Ihrem Antrag zitieren – Sie sehen, ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt –: Feldstudien in der Natur kommen zu etwas anderen Ergebnissen. Sie zeigten, dass das Pflanzenwachstum durch CO 2 um den Faktor 2 überschätzt wurde. Außerdem: Keine Pflanze lebt allein von CO 2 ; sie braucht auch Nährstoffe aus dem Boden.

(Jürgen Braun [AfD]: Richtige Erkenntnisse!)

Diese Nährstoffe nehmen dann nicht analog zum CO 2 zu. Die negativen Effekte des Klimawandels führen zu Trockenheit, Stürmen und Ernteeinbußen. Salopp gesagt: Selbst wenn die Pflanzen mehr wachsen würden, würden sie verdorren und vertrocknen.

(Jürgen Braun [AfD]: In der Sahelzone wird der Ackerboden wieder urbar gemacht!)

Eines steht fest: Das Schutzschild aus CO 2 verhindert, dass die Erde zu viel Wärme abgibt – richtig! Das ist der natürliche Treibhauseffekt, der wichtig ist. Sonst hätten wir eine mittlere Temperatur auf der Erde von circa -18 Grad. Aber generell gilt: Ein Zuviel an CO 2 führt dazu, dass sich die Erde zu stark erwärmt. Das ist die globale Erwärmung mit allen negativen Folgen, die drohen:

(Jürgen Braun [AfD]: Das ist eine Theorie! Das ist nur eine Theorie!)

Anstieg des Meeresspiegels, bedrohte Inselstaaten, Dürren und die Zunahme von Unwettern.

Noch mal: Es ist erschreckend, dass Sie sich in allen Ihren Reden hier im Deutschen Bundestag zur Klimapolitik – auch ich habe in dieser Legislatur schon oft gesprochen – fast nie mit den Klimagesetzen befassen.

(Jürgen Braun [AfD]: Welche Klimagesetze?)

Das Einzige, was Sie können, ist, Ihre Redezeit darauf zu verwenden – um nicht zu sagen: darauf zu verschwenden –, wie gut angeblich CO 2 ist. Der überwiegende Teil der Wissenschaftler sagt etwas anderes,

(Jürgen Braun [AfD]: Was sind Klimagesetze, Frau Weisgerber?)

nämlich, dass CO 2 und Klimagase den Klimawandel auslösen und dass dieser – ja! – auch menschengemacht ist.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karsten Möring [CDU/CSU])

Noch ein letztes Argument: Früher erwärmte sich das Klima alle 1 000 Jahre um 1 Grad, jetzt alle 100 Jahre um 1 Grad. Die Erderwärmung findet also statt. Ihre rückständige Haltung entspricht auch nicht dem, was die Mehrheit der Bevölkerung sagt:

(Jürgen Braun [AfD]: Und Sie vertreten das Grün-Ideologische! Die CDU ist grün-ideologisch geworden!)

Wir müssen dem Klimawandel entgegentreten, und zwar konsequent und natürlich im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Arbeitsplätze. Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, aber wir müssen unsere Ziele erreichen und unseren Weg konsequent weitergehen, und zwar auf internationaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene, werte Kollegen von der AfD.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Begeisterung allerorten!)

Jetzt kann man sich hinstellen, wie Sie es gemacht haben, Herr Hilse, und sagen: Deutschland steht ja nur für 2 Prozent der Treibhausgasemissionen. Ja, es stimmt, dass wir nur für 2 Prozent stehen; das sage auch ich. Aber Deutschland hat als Industrienation eine wichtige Rolle in der internationalen Klimapolitik, alle schauen auf uns.

(Jürgen Braun [AfD]: Wie dumm wir sind! Da schauen alle hin! Uns halten alle für dumm bei dem Thema! Die Deutschen stehen dumm da bei dem Thema!)

Alle schauen darauf, wie wir unsere Rolle gestalten und wie wir beides schaffen: Wirtschaftswachstum und Energiewende bzw. Minderung der Treibhausgasemissionen. Wir haben eine Vorbildfunktion, und die gilt es auszugestalten.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Es ist nicht zu fassen! – Jürgen Braun [AfD]: Frau Weisgerber rettet die Welt!)

Wenn man nur auf Anpassungsmaßnahmen setzt, wie Sie das in Ihrem Antrag fordern, dann werden auch – das ist doch das Entscheidende – die Entwicklungs- und Schwellenländer, die gerade ihre Wirtschaft aufbauen, zusammen mit allen Ländern, die für die restlichen 98 Prozent der Treibhausgasemissionen stehen, sagen: Dann können wir unsere Wirtschaft doch gleich ausschließlich mit fossilen Energien aufbauen. – Dann liegt die Erderwärmung nicht nur bei 3 Grad, sondern noch viel höher. Und dann könnten wir einpacken, meine Damen und Herren. Das können auch Sie nicht wollen.

Ihre Forderung, die Klimaziele aufzugeben, ist eine komplette Kapitulation vor dem stattfindenden Klimawandel. Und: Es ist ein Schlag ins Gesicht von all denjenigen Menschen, für die das Thema Klimawandel eine Existenzfrage ist.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Zum Beispiel?)

Die Menschen, die ihre Lebensgrundlage verlieren, sind die Klimaflüchtlinge von morgen, meine Damen und Herren. Die machen sich nämlich auf den Weg.

(Karsten Hilse [AfD]: Die Armen werden immer ärmer, und die Reichen werden immer reicher!)

Man muss auch gar nicht in die Ferne schauen: In meinem Heimatort hat es vor wenigen Wochen ein so starkes Unwetter gegeben, dass es allein in einem kleinen Ortsteil 200 Feuerwehreinsätze gegeben hat, weil die Keller vollgelaufen sind, teilweise auch die Erdgeschosse.

(Jürgen Braun [AfD]: Es hat ein Unwetter gegeben, oder was wollen Sie uns da sagen?)

Man kann Wetter und Klima nicht komplett gleichsetzen, das stimmt. Aber die Experten sagen, dass die Zahl der Extremwetterereignisse in den letzten Jahren stark zugenommen hat.

(Jürgen Braun [AfD]: Welche Experten?)

Das ist einfach Fakt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage eines Kollegen der AfD?

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Ich würde jetzt gern erst mal fortfahren, und dann kann er gerne danach noch etwas sagen.

Wir bekennen uns weiterhin zu unseren Klimazielen – national, europäisch und international. Wir sagen, dass wir die Klimaschutzlücke so weit wie möglich schließen wollen und dass wir das Klimaziel 2030 in jedem Fall erreichen wollen, meine Damen und Herren. Deshalb ist es wichtig, dass wir schon heute den richtigen Weg einschlagen.

Die Wirtschaft kann Wandel; das hat sie in der Vergangenheit bewiesen bei der Industrialisierung und jetzt bei der laufenden Digitalisierung. Auch die Entwicklung von Umwelt- und Klimainnovationen ist eine Riesenchance, die es zu nutzen gilt, weil dabei Arbeitsplätze entstehen. Gerade die Wirtschaft braucht Planungssicherheit, braucht Investitionssicherheit. Eines ist klar: Die Aufgabe der Klimaziele, die Abschaffung aller Gesetze zum Klimaschutz, ist genau das, was eben keine Planungssicherheit bringt.

Deswegen: Wir machen uns auf den Weg; wir nutzen die Chancen, die sich aus den Klimainnovationen und deren Entwicklung ergeben. Das ist unser Weg. Wir setzen auf Anreize und nicht auf Verbote und das nicht nur national, sondern auch im europäischen und internationalen Kontext.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])