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Dieter Stier: Unsere Landwirte brauchen Anerkennung statt Verachtung

Rede zu wettbewerbsfähiger Landwirtschaft

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen FDP-Antrag, bei dem die Zukunft einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft in Europa im Mittelpunkt stehen soll. Wer dieses Thema aufruft, der kommt nicht daran vorbei, sich die aktuelle Situation der landwirtschaftlichen Betriebe vor Augen zu führen.

Die Darstellung unserer Landwirtschaft in der öffentlichen Debatte hat in unserer Wohlstandsgesellschaft mittlerweile einen gefährlichen Tiefpunkt erreicht. Echten Seltenheitswert haben ausgewogene Darstellungen zu dieser Branche. Die Folgen sind dramatisch.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Gespräche mit Schülerinnen und Schülern offenbaren mir, dass gerade junge Menschen aus den urbanen Zentren unseres Landes teilweise ernsthaft überzeugt sind, dass Bauern als kauzige Sonderlinge vom Dorf täglich unser Grundwasser verseuchen und unschuldige Tiere quälen – und alles nur aus reiner Profitgier. Den Alltag eines Landwirtes kennt hingegen meistens keiner mehr. – Das ist die Lage. Leider!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Medienberichterstattung tut ihr Übriges: Unterstellungen statt Fakten, man beruft sich, um Objektivität zu suggerieren, einseitig auf das Umweltbundesamt und auf einschlägige NGOs – diese sind übrigens in keiner Weise demokratisch legitimiert – sowie deren vorgebliche unabhängige Expertise.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Was sagt der Wissenschaftliche Beirat?)

Unter diesen Bedingungen stellt sich mir die Frage: Wie soll unsere moderne Landwirtschaft eine Zukunft haben, wenn viele Konsumenten nicht einmal mehr wissen, wie Landwirtschaft heute aussieht und welchen hohen Anforderungen sie bereits jetzt genügen muss?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, zunächst danke ich Ihnen für den vorliegenden Antrag, welchen wir heute auch mal nicht früh um 2 Uhr, sondern zu bester Sendezeit beraten, der die Absicht hat, hier einiges geradezurücken, und der uns wieder in die seriöse Debatte zurückführen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)

Alte Feindbilder bringen uns nicht weiter. Grüne Kreuze und die Proteste der Landwirte vor zwei Tagen – ich denke an Magdeburg, Hannover, Bonn und auch hier an Berlin, um nur einige zu nennen – machen deutlich, wo für den Berufsstand mittlerweile die Zumutbarkeitsgrenzen liegen. Ich kann das sehr gut nachvollziehen.

Die landwirtschaftlichen Betriebe sind trotz eigener Veränderungsbereitschaft mit einer immer neuen Vielzahl weiterer Forderungen konfrontiert, deren Umsetzung in der Theorie zwar möglich erscheint, die im praktischen Alltag aber oft nicht mehr integrierbar sind. Wenn wir in dieser zugespitzten Auseinandersetzung zu einer wirklich fairen Debatte zurückkommen wollen, dann sollten wir uns im Vorfeld auf zwei grundlegende Dinge verständigen:

Erstens. Wir brauchen ein schnelles Ende der Diffamierung der Landwirte. Unsere Landwirte brauchen Anerkennung statt Verachtung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zweitens. Landwirtschaftsfremden Kritikern muss klar sein, dass Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nicht endlos finanzielle Ressourcen haben, um jedes Jahr grandiose Stallumbauten, die sie übrigens meist gar nicht genehmigt bekommen, finanzieren und jeweils die originellsten Tierwohlvorstellungen umsetzen zu können.

Was heißt das nun konkret? Einmal vereinbarte verbesserte Standards – ob für das Tierwohl oder für den Umweltschutz – müssen längerfristig Bestand haben und dann auch von allen Seiten als verbindlich akzeptiert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Betriebe brauchen Planungssicherheit. Es müssen die Grundlagen ökonomischen Sachverstands Berücksichtigung finden, wenn sich echte Erfolge einstellen sollen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr regiert!)

Noch einmal kurz zurück zum Antrag, der auf zweieinhalb Seiten eine Sachstandsbeschreibung, hingegen kaum neue Handlungsempfehlungen enthält: Ihre Forderung, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu verbessern, erfüllen wir.

Ich bin der Frau Bundeskanzlerin, die jetzt hier ist, sehr dankbar, dass sie die Landwirte zu einem Gespräch einladen will, und ich glaube, dass wir diesen Dialog unbedingt weiterführen müssen. Ich denke, wir sollten auch schnellstens den neuen polnischen Agrarkommissar kennenlernen, um auch Verbesserungen auf europäischer Ebene zu erreichen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Und Sie sollten bitte schnellstens zum Ende kommen.

 

Dieter Stier (CDU/CSU):

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Außerdem sollten wir die Chance nutzen, dass wir jetzt eine deutsche EU-Kommissionspräsidentin haben werden. Dann ist mir um die deutsche Landwirtschaft auch nicht bange.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)