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Rüdiger Kruse: "Schienen, Wasserwege und Straßen sind wie das zentrale Nervensystem"

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 12 - Verkehr und digitale Infrastruktur

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schöne, zum Schluss einer Debatte zu reden, ist: Man kann sich aussuchen, auf wen man eingeht. 

(Marianne Schieder [SPD]: Sie sind gar nicht der Letzte!)

– Ich habe „zum Schluss“ gesagt, ich habe nicht gesagt, dass ich der oder das Letzte bin; das würde ich niemals sagen.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf zwei Kritiker eingehen, auf Herrn Meyer und Herrn Hartmann.
Herr Meyer, als FDP-Politiker ist die Rolle des oppositionellen Kritikers die Ihre. Das haben Sie zum Beispiel mit dem Kollegen Kindler von den Grünen gemein. Das ist Ihr Schicksal. Der Unterschied ist: Bei Ihnen ist es selbstgewähltes Schicksal. An der langen Zeit der Nichtregierungsbildung haben Sie doch großen Anteil gehabt. Es ist daher schon recht verwegen, das zu kritisieren. 

Ich habe mit Liberalismus immer auch Pragmatismus verbunden, aber davon haben Sie sich ja wohl verabschiedet. Pragmatisch ist es in der Politik, zu sagen: Lieber 70 Prozent erreichen, als gar nichts erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Aber das ist Ihr Problem. Unter diesen Folgen dürfen Sie nun die gesamte Legislaturperiode bis zum Ende leiden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig und gut, wenn auch aus Kreisen der Regierungskoalition kritische Anmerkungen gemacht werden. Wir sind unterschiedlich. Wir als Parlamentarier haben eine Aufgabe und wollen nicht einfach alles abnicken. Aber Herr Hartmann, ich wäre schon vorsichtig: Seit 1998, also seit 20 Jahren, hat die SPD bis auf vier Jahre immer mitregiert oder sogar führend regiert. 

(Christoph Meyer [FDP]: Sie doch auch!)

– Ja, habe ich mich über die Leistung der Regierung beschwert? Auch hier würde ich sagen: Wir haben sehr vieles erreicht, aber längst nicht alles. Unser Auftrag ist: Wir müssen uns darauf konzentrieren, was kommen soll. 

Haushaltspolitik ist nicht zweckfrei. Wir haben einen Auftrag; denn mit der Verabschiedung des Haushaltes gestalten wir die Zukunft unseres Landes. Für diese Zukunft ist es wichtig – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, unser Land nachhaltig zu machen. Die Haushaltspolitik der vergangenen Jahre hat eine wesentliche Grundlage für Generationengerechtigkeit geschaffen, indem wir nicht mehr über unsere Verhältnisse leben und keine neuen Schulden machen. Das ermöglicht uns jetzt im Übrigen auch, zu sagen, wo wir Akzente setzen wollen. In dieser Hinsicht ist das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur besonders interessant; denn es ist eigentlich das Bundesinvestitionsministerium. Kein anderes hat eine so hohe Quote von Investitionsmitteln, und mit Investitionen entscheide ich natürlich am stärksten über die Zukunft des Landes, weil ich jedes Projekt prüfen kann, und das müssen wir hier auch tun. 

Der Sektor „Verkehr und Infrastruktur“ ist natürlich bei weitem nicht alles, wenn es darum geht, ob unser Land nachhaltig wird, aber ohne diesen Sektor wird man das nie hinbekommen. Schienen, Wasserwege und Straßen sind wie das zentrale Nervensystem, wie die Blutbahnen in unserem Körper: Sie sind auch nicht alles, aber ohne sie wäre alles nichts. 

Schauen wir uns einen großen Brocken an: die Bahn. Wir haben in der Vergangenheit eine Bahnreform durchgeführt. Das ist jetzt eine Generation her. Ohne diese Reform gäbe es die Bahn vielleicht nicht mehr. Wir hätten ganz andere Bedingungen. Niemand in Europa hat so viel Schienennetz wie wir. Das heißt, niemand in Europa hat so viele Verpflichtungen, aber auch so viele Möglichkeiten, etwas zu tun. Jetzt geht es darum, die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen und damit die Bahn als wesentliches Rückgrat der Nachhaltigkeit zukunftsfähig zu machen. Das ist unsere Aufgabe. Dafür werden wir in den Haushalten der Zukunft die Mittel bereitstellen müssen. 
Es ist gut, dass wir gesagt haben: Wir wollen als Parlament mehr Kontrolle und Steuerfunktion, damit die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden und der Leistungsträger Bahn seine Aufgabe auch in der Fläche erfüllen kann. Es ist ziemlich egal, wer in den Ländern regiert: Bei den nächsten Landtagswahlen wird das Thema Verkehr eine zentrale Rolle spielen.

Es gibt noch einen wichtigen Aspekt. Sie alle sind umweltfreundliche Nutzer der Bahn. Man denkt sich: Selbst wenn das Auto genauso schnell ist, nehme ich die Bahn, weil ich während der Fahrt noch arbeiten kann. Mancher guckt sich auch etwas auf Instagram an. Aber wenn die autonom fahrenden Autos kommen – und darüber reden wir ja immer –, dann zählt dieses Argument nicht mehr. Auf der Rückfahrt von einer erfolgreichen Koalitionsverhandlung oder irgendetwas anderem Schönen, 

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gönnen Sie sich entweder ein Glas Rotwein oder eine Cola light und sind nicht darauf angewiesen, dass es a) den Speisewagen gibt und er offen hat und b), dass er das Produkt Ihrer Wahl hat, sondern Sie gehen an Ihren Kofferraum, schenken sich etwas ein und fahren ohne Probleme über die Autobahn nach Hause.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche Veränderung ist eine Herausforderung, und wir müssen sie schon heute mitdenken, wenn wir Investitionen tätigen. 

Das heißt, wir müssen den Vorteil, die Convenience, des Produktes Bahn deutlich vergrößern. Alle Redner der Koalitionsfraktionen haben das hier angesprochen. Es kommt darauf an, den Grad der Zuverlässigkeit zu erhöhen und Modernität zu schaffen. Wir müssen auch ganz klar sagen: Die einzige digitale Bahn darf nicht Ihre Modelleisenbahn von Märklin oder einem anderen Anbieter sein, sondern auch die echte Bahn muss in Zukunft digital sein, damit wir die Herausforderungen bewältigen können.

(Beifall des Abg. Michael Donth [CDU/CSU] – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

– Herr Özdemir, Ihre Rede hat deutlich gemacht, dass eine Koalition mit Ihnen und der FDP funktioniert hätte. 

Die Nachhaltigkeitskriterien, die wir heute einführen, sind natürlich mit einem guten Leben vereinbar. Zu meiner Schulzeit war es noch so, dass fair gehandelter Kaffee einem ein Loch in die Magenschleimhaut gebrannt hat. Dieser Kaffee war zwar revolutionär, aber auch ein bisschen bitter. Das ist heute alles anders. Von daher müssen wir die Entwicklung prägen. 

Deswegen ist es wichtig, dass wir auch die technischen Innovationen fördern. Natürlich tun wir das für unser Land. Das hört aber nicht an den Grenzen dieses Landes auf. Das ist vielmehr eine hervorragende Möglichkeit für grenzübergreifende Zusammenarbeit. Wir diskutieren derzeit intensiv über die ein, zwei Punkte, an denen sich unsere Vorstellung von Politik von der Macrons unterscheidet. Schauen wir doch lieber auf das, was wir gemeinsam machen können. Verkehrspolitik ist grenzübergreifend, weil die Infrastruktur und die Warenflüsse grenzübergreifend sind. An dieser Stelle können wir etwas erreichen. Die Menschen sagen: Wenn ihr in diesem Bereich etwas erreicht, dann tut ihr etwas für uns.

Und das ist unser Auftrag.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)