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Peter Weiß: Ein zweites Mal in 30 Jahren zeigt der Sozialstaat: Ja, er funktioniert

Redebeitrag zum Einzelplan 11 - Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den heutigen Tag begonnen mit der Debatte über die deutsche Einheit. Morgen, am 3. Oktober, feiern wir 30 Jahre wiedervereinigtes Deutschland. Wenn wir uns anschauen, was die Sozialversicherungssysteme und die Sozialpolitik zum Zusammenwachsen Deutschlands beigetragen haben, erkennen wir, dass das eine beispiellose Leistung unserer Systeme war. Sie zeigen: Unser Sozialstaat funktioniert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Gleiche gilt jetzt im Hinblick auf die Herausforderung, vor die uns die Coronakrise stellt. Es ist international anerkannt: Deutschland bewältigt diese Krise im Vergleich zu anderen Industrienationen besser, und zwar deswegen besser, weil wir einen funktionierenden, leistungsfähigen Sozialstaat haben. Ein zweites Mal in 30 Jahren zeigt der Sozialstaat: Ja, er funktioniert. Er schützt die Bürgerinnen und Bürger. Er hilft da, wo geholfen werden muss. – Deutschland steht in dieser Pandemie besser da als andere. Das ist zuallererst auch eine Leistung dieses Sozialstaates und der Solidarität unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn man die Ratschläge des verehrten Herrn Vorredners befolgen würde, würde genau das Gegenteil entstehen, nämlich Elend und Verarmung in Deutschland. Das ist Ihr Programm!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt allerdings!)

Eine ganz besondere Leistung muss in diesen Zeiten die Bundesagentur für Arbeit erbringen. Deswegen ist es richtig, dass wir die Agentur für Arbeit sowohl in diesem Jahr als auch im kommenden Jahr mit einem Bundeszuschuss in Milliardenhöhe zusätzlich stärken, um ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten. Handlungsfähigkeit heißt, dass sie vor allen Dingen, nachdem die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derzeit mit dem Thema Kurzarbeit beschäftigt sind, sich wieder der Berufsberatung und Berufsvermittlung zuwenden kann. Das haben vor allen Dingen die jungen Leute nötig.

Wir haben – Stand heute – im Handwerk 10 Prozent und in der Industrie 15 Prozent weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge als im vergangenen Jahr. Das zeigt: Es muss jetzt noch Nachvermittlung stattfinden. Es muss vor allen Dingen auch dafür gesorgt werden, dass Berufsberatung und Berufsbegleitung für die im kommenden Jahr den Schulabschluss anstrebenden Schülerinnen und Schüler angeboten werden kann. Deshalb wollen wir, dass die Bundesagentur für Arbeit handlungsfähig ist. Corona darf nicht bedeuten, dass junge Leute um ihre Zukunftschancen gebracht werden, sondern wir wollen, dass den jungen Leuten in Ausbildung und Beruf eine Perspektive geboten wird. So wie wir das in vergangenen Jahren geschafft haben, wollen wir das auch in Zukunft schaffen. Deswegen wollen wir die Unterstützung der BA.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte ausdrücklich begrüßen, dass der Verwaltungsrat der BA beschlossen hat, 1 000 zusätzliche Stellen zu schaffen, die jetzt unterjährig besetzt werden können. Jawohl, wir intensivieren auch den Personaleinsatz, damit denen, die Hilfe brauchen, wirklich auch durch die BA geholfen werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu Beginn dieser Krise hätten doch die allermeisten Wissenschaftler nicht prognostiziert, dass wir bereits heute über eine sinkende Zahl von Kurzarbeitern reden können – nach Auffassung von Arbeitsmarktexperten sind wir mittlerweile bei unter 4 Millionen, nachdem wir einen Höchststand von 6,7 Millionen Kurzarbeitenden hatten – und dass zum Beispiel die Arbeitslosigkeit wieder sinkt. Ich finde, diese aktuellen Zahlen zeigen sehr eindrucksvoll, dass das, was wir als Bundestag zusammen mit der Bundesregierung initiiert haben, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, um die Konjunktur anzukurbeln und um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen, wirkt. Wir sind auf dem richtigen Weg, und deswegen wollen wir einen Bundeshaushalt, der diesen richtigen Kurs noch weiter bestärkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Manche wundern sich über die hohen Zahlen, die dieser größte Einzelhaushalt, der Haushalt für Arbeit und Soziales, beinhaltet. Das liegt natürlich auch daran, dass wir andere entlasten. Vor allem die Kommunen entlasten wir maßgeblich von Sozialaufgaben. In diesem Haushalt ist niedergelegt, dass wir als Bund künftig 75 Prozent der Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose stemmen und damit die Kommunen entlasten, nachdem wir die Kommunen bereits bei der Grundsicherung im Alter entlastet haben. Ich finde, wir zeigen sehr deutlich: Wir stärken die Kommunen, die vor Ort Verantwortung tragen – zu Recht. Das bedeutet eben: Der Sozialetat muss wachsen, damit diese Entlastung tatsächlich auch funktioniert. Auch dieser Weg ist richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade die Rentenversicherung zeigt in diesen Zeiten, dass sie krisenfester ist denn je.

(Otto Fricke [FDP]: Oh Gott! Ogottogott!)

Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen – auch in dieser Legislaturperiode –, die die gesetzliche Rente stärken, die zu zusätzlichen Leistungen führen. Und die Rentenversicherung leistet dies. Wir haben das auch getan, indem wir die berufliche Altersversorgung attraktiver gestalten. Wir wollen – ich hoffe, dass wir es in dieser Legislaturperiode schaffen – auch die private Altersvorsorge attraktiver und besser ausgestalten.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Ich halte es für richtig, dass wir alle drei Säulen der Altersvorsorge stärken. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir wollen, dass Altersarmut keine Zukunft hat, sondern der Vergangenheit angehört. Deshalb Stärkung der gesetzlichen Rente und der zusätzlichen Rentensysteme – das ist unser Programm.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit das alles für die Mitbürgerinnen und Mitbürger noch transparenter wird und auch nachrechenbar ist, starten wir mit einem Gesetzentwurf, den wir demnächst hier beraten, das Projekt einer säulenübergreifenden digitalen Renteninformation. Auch dafür stellen wir Gelder in diesem Haushalt bereit. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen für die Bürgerinnen und Bürger, dass wir ihnen ermöglichen, noch genauer und differenzierter zu sehen: Was spare ich wirklich fürs Alter an, und wo fehlt noch etwas? Ich hoffe, dass wir dieses Projekt, über das wir schon lange diskutieren, noch in diesem Jahr durch Beschlussfassung im Deutschen Bundestag in Kraft setzen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ralf Kapschack [SPD])

Natürlich muss man gerade in diesen Zeiten der Krise darauf achten, dass wir die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die es besonders schwer haben, nicht aus dem Auge verlieren. Dazu gehören für mich die Langzeitarbeitslosen. Ja, sie haben es am allerschwersten. Und wir haben neue Instrumente zum Beispiel in § 16i SGB II geschaffen. Und wir sehen jetzt: Ja, das wirkt tatsächlich dort, wo wir bisher nicht hingekommen sind und wo die größten Probleme lagen. Rund 77 Prozent der Teilnehmenden sind älter als 45, rund 32 Prozent über 55 Jahre, knapp 50 Prozent haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Und jetzt eröffnen wir diesen Personen, die sonst nie eine Chance hätten, endlich einen Weg in Arbeit, von der man auch leben kann. Auch das ein großer Erfolg, den wir in diesem Bundeshaushalt durch zusätzliche Mittel für Projekte für Langzeitarbeitslose unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Gleiche gilt für die Menschen mit Behinderungen. Gerade in dieser Krisenzeit müssen wir aufpassen, dass sie weiterhin Arbeit finden. Wir haben mit dem Bundesteilhabegesetz ein neues Instrument zur Integration von Behinderten in unsere Gesellschaft geschaffen – aber auch, um ihnen den Weg in Arbeit zu ermöglichen. Wir haben zum Beispiel Rolle, Aufgaben und Finanzierung der Inklusionsbetriebe neu geregelt. Ich freue mich, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen vom 9. bis zum 20. November dieses Jahres Informations- und Aktionswochen zum Thema Inklusionsbetriebe durchführt. Ich finde es richtig, dass wir dieses tolle Instrument, durch das Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt kommen, deutlich besser bewerben und weiter unterstützen. Ich halte Inklusionsbetriebe für ein vorzügliches Instrument, um den ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen aufzuschließen. Wir wollen diesen Weg weitergehen und unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in dieser Krise kam es auch darauf an, dafür zu sorgen, dass die sozialen Dienste und Einrichtungen, die notwendig sind und zur Grundausstattung unseres Landes gehören, nicht in die Knie gehen. Ich finde, wir haben mit dem SodEG, einem Gesetz, dessen Geltungsdauer wir bis zum Jahresende verlängert haben, dafür ein gutes Hilfsinstrument geschaffen.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei all denjenigen, die in den sozialen Diensten und Einrichtungen in unserem Land arbeiten, angefangen bei der Pflege über die Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe usw. – ich will sie nicht alle aufzählen, sonst ist die Redezeit zu Ende –, herzlich für ihren großartigen Einsatz bedanken, den sie in dieser Krise erbracht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Für einen Christdemokraten, aber zum Teil auch für Sozialdemokraten und andere ist die christliche Soziallehre das Fundament ihres Handelns. Die beiden Grundprinzipien Solidarität und Subsidiarität zeigen sich in dieser Krise, wie ich finde, in deutlicher Ausprägung. Die Selbstverantwortung, die jeder Einzelne wahrnimmt, um diese Krise zu bewältigen – sie wurde von der Bundeskanzlerin zu Recht in ihrer Rede am Mittwoch noch mal deutlich herausgestellt –, und die Solidarität des Sozialstaates, der staatlichen Gemeinschaft, dieser Gesellschaft gehören zusammen. Und mit diesen beiden Prinzipien werden wir auch die Zukunft erfolgreich gestalten. Bitte unterstützen Sie uns. Dieser Bundeshaushalt 2021 ist Ausdruck dieser Subsidiarität und Solidarität.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)