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Jürgen Hardt: Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist eine gute Beratungsgrundlage

Redebeitrag in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 05 des Auswärtigen Amtes

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mir erlauben, zumindest zu Beginn einen kleinen Satz zum Haushaltsentwurf der Bundesregierung zu machen. Ich finde, der Haushaltsansatz für das Ministerium, für das Auswärtige Amt, ist mit erstmals über 6 Milliarden Euro ein guter Haushalt, mit dem man viel machen kann. Es gibt sicherlich das eine oder andere Rädchen, an dem wir im Parlament noch gerne ein wenig drehen würden. Aber grundsätzlich ist es ein Haushalt, der den gewachsenen Anforderungen in der Welt und auch den gewachsenen Erwartungen an Deutschland gerecht wird. Deswegen ist er eine gute Beratungsgrundlage.

Wir haben heute Morgen im Kreis einiger Abgeordneter mit dem Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, mit Herrn Dr. Maurer, zusammengesessen. Nüchtern war die Analyse, dass die Coronapandemie weltweit nicht etwa zum Austrocknen oder Versiegen von Konflikten geführt hat, sondern dass die Konflikte in der Coronazeit eher an Intensität zugenommen haben und dass neue hinzugekommen sind.

Das, was wir vor wenigen Tagen zwischen Aserbaidschan und Armenien erlebt haben, muss uns erschrecken. Der Appell von diesem Pult aus geht ganz klar an die beiden Staaten, die Kampfhandlungen einzustellen, aber auch an die Adresse Russlands und der Türkei, ihre Unterstützung der Eskalation eines solchen Konfliktes aufzugeben. Wir fordern beide Seiten auf, zum Minsk-Prozess zurückzukehren, der unter dem Dach der OSZE auf der Basis der Helsinki-Schlussakte, der Paris-Charta und der Madrider Prinzipien eine Lösung dieses Konflikts suchen soll, die in erster Linie den Menschen in der Region und in zweiter Linie auch den Regierungen der beiden beteiligten Länder entspricht. Das wäre mein dringender Appell.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Zusammenhang mit dem Haushalt stellt sich die Frage, was Deutschland in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr tun muss. Wir müssen natürlich unsere großen Anstrengungen in den Bereichen der Stabilisierung von Staaten und der humanitären Hilfe fortsetzen. Wir haben mit den Nachtragshaushalten für den 2020er-Haushalt über 2 Milliarden Euro in diesem Bereich aufgebracht. Wir sind damit im Übrigen zweitstärkster Financier des Internationalen Roten Kreuzes geworden. Wir haben Großbritannien überholt und sind auf Platz zwei nach den Vereinigten Staaten von Amerika. Das finde ich auch gut so.

Ich habe mich erkundigt, wie es denn mit dem vielen Geld steht, insbesondere mit den 450 Millionen Euro, die wir für humanitäre Hilfe zusätzlich verabschiedet haben. Die Zahlen, die ich aus dem Auswärtigen Amt bekommen habe, belegen, dass dieses Geld bis auf wenige Millionen tatsächlich entweder abgeflossen oder fest verplant ist. Also, da sind tatsächlich die PS auf die Straße gebracht worden, und das hat uns, wie gesagt, Herr Maurer auch entsprechend bestätigt.

Wir müssen natürlich aber auch zur Bekämpfung der Folgen von Konflikten in der Welt die Instrumente schärfen, mit denen wir an der Wurzel der Konflikte ansetzen und dafür sorgen, dass sie erst gar nicht entstehen oder entsprechend gedämpft werden. Da sollten wir uns als Deutsche keiner Illusion hingeben: Das können wir in erster Linie, wenn es um Friedenssicherung und Friedenserhaltung geht, nur gemeinsam mit den Partnern in der UN und gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union.

Daher erleben wir zurzeit Zeichen der Schwäche der Europäischen Union in der Außen- und Sicherheitspolitik, die uns auf die Füße fallen, mit denen wir auf Dauer nicht leben können. Ich halte es für einen unhaltbaren Zustand, dass möglicherweise das Veto eines einzigen der 27 Mitgliedstaaten es verhindert, dass die übrigen 26 Mitgliedstaaten ein klares Wort an die Führung in Minsk, an die belarussische Regierung, richten und sowohl Herrn Lukaschenko als auch alle diejenigen, die für die Wahlfälschung und für die Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich sind, mit Personensanktionen überziehen, damit sie die Weihnachtseinkäufe eben nicht mit ihren Kreditkarten in den Staaten des Baltikums oder in Berlin oder in Warschau machen können, sondern spüren, dass wir da ganz klar die Rote Karte zeigen. Ich hoffe, dass Donnerstag, Freitag beim Europäischen Rat in diesen Punkt Bewegung kommt.

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für unsere Reaktion auf den Versuch der Vergiftung oder Ermordung von Herrn Nawalny. Russland ist gemäß dem Chemiewaffenabkommen verpflichtet, bei der Aufklärung zu kooperieren, warum dieses Nowitschok in Russland im Umlauf ist. Wenn Russland das nicht tut, verstößt es gegen den Vertrag und setzt sich damit ins Unrecht. Auch hier muss es, wie ich finde, eine klare europäische Antwort geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Etwas optimistischer bin ich, was Europa angeht, im Hinblick auf das, was wir uns für die Sahelzone vorgenommen haben. Ich glaube, zumindest die Vorstellungen der deutschen Ratspräsidentschaft, aber auch anderer wichtiger Staaten in der EU sind sehr vielversprechend, dass wir tatsächlich eine europäische Initiative zur Unterstützung und Stabilisierung der Staaten in der Sahelzone zustande bringen.

Wir müssen uns, glaube ich, schon klarmachen, um was es hier geht. Es geht einmal um die Staaten der Sahelzone. Aber es geht vor allem auch darum, dass nicht in der Mitte Afrikas eine Region entsteht, in der IS und al-Qaida, nachdem wir sie im Nahen und Mittleren Osten ein Stück zurückgedrängt haben, eine neue Heimstatt finden. Die Orientierung dieser Terrorgruppen ist meines Erachtens nicht so sehr auf die Sahelstaaten ausgerichtet, sondern letztlich wollen sie sich von dort aus Richtung südliches Afrika, wo die wirtschaftlichen Ressourcen offensichtlich größer sind, begeben. Wenn wir das gemeinsam mit den Staaten Afrikas nicht in den Griff kriegen, dann werden wir ein Riesenproblem haben.

Ich glaube auch, dass wir in der Europäischen Union einen dringenden Bedarf an einer gemeinsamen vernünftigen China-Strategie haben, die die Chancen, aber eben auch die Herausforderungen im Umgang mit China in den Blick nimmt. Es ist höchste Zeit, dass wir diese gemeinsame Strategie formulieren.

Im Hinblick auf die Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika möchte ich anmerken: Die Allianz der Multilateralisten ist sicherlich eine richtige Antwort auf Bilateralismus und „America First“. Aber wenn man die Vorstellung hat, man könnte eine neue multilaterale Weltordnung organisieren ohne die Vereinigten Staaten von Amerika, dann liegt man auch falsch. Ich bin der Meinung, dass die Allianz der Multilateralisten eben keine exklusive Veranstaltung der, wenn wir so wollen, Opfer der Trump’schen „America First“-Politik werden soll, sondern dass wir die Hand weiter ausstrecken und dass wir Amerika einbeziehen sollten.

Für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl braucht Deutschland, braucht die Europäischen Union eine Agenda, mit der wir, egal wer zum Präsidenten gewählt wird, vielleicht in der einen oder anderen Frage – Handel, Klima, Sicherheit – einen neuen Gesprächsfaden mit der neuen amerikanischen Administration, mit dem neuen Präsidenten knüpfen können.

In diesem Sinne freuen wir uns auf die Haushaltsberatungen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])