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Thorsten Frei: Wir schließen im Bereich des Missbrauchs von Abhängigen Strafbarkeitslücken

Redebeitrag zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Es ist schon schwer erträglich“ – so hat es ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln formuliert, als er über den Missbrauchsskandal in Bergisch Gladbach gesprochen hat, wo ein Vater seine Tochter, die 2017 geboren wurde, dutzendfach missbraucht hat bzw. Gewalt angewendet hat. Was mir auch sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben ist, ist ein Satz einer Ermittlungsbeamtin, die gesagt hat: Man muss sich auf das konzentrieren, was man tun kann, sonst erträgt man es nicht. – Ich finde, das könnte auch eine gute Überschrift für unsere Debatte sein: Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir tun können,

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wir tun müssen!)

weil man es sonst nicht ertragen kann.

Von Ihnen, Frau Ministerin, ist sehr bildhaft und ernsthaft beschrieben worden, um was für ein schlimmes und widerliches Thema es heute in dieser Debatte geht. Ich bin froh und dankbar, dass wir – anders als in der Vergangenheit – nicht bei öffentlicher Empörung stehen bleiben, sondern ganz konkret ins Gesetz gehen und es mit zahlreichen Maßnahmen schaffen, effektiv etwas für mehr Kinderschutz zu tun. Das war auch der Grund, warum die Koalitionsfraktionen entschieden haben: Wir bringen diesen Gesetzentwurf gemeinsam ein, um das Verfahren zu beschleunigen. Denn jeder Tag, den dieser Gesetzentwurf früher im Gesetzblatt steht, ist ein guter Tag für den Kinderschutz in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde es völlig unangebracht, sich hierhinzustellen und in der Rede zu sagen: Wir kommen mit diesem Gesetzentwurf nicht vorwärts. Wir schaffen nicht mehr Kinderschutz. Wir schützen unsere Kinder nicht. – Das ist völlig unangebracht, weil das Gegenteil richtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Es ist doch tatsächlich so: Wenn ich den Strafrahmen erhöhe, hat das Konsequenzen, und zwar nicht nur generalpräventive Konsequenzen. Vielmehr hat das auch Auswirkungen auf die Fragen: Welche Ermittlungsbefugnisse stehen zur Verfügung? Wie verjähren diese Straftaten? Welche Möglichkeiten habe ich, Untersuchungshaft anzuordnen? Und anderes mehr. Es hat konkrete Konsequenzen. Das machen wir beim sexuellen Kindesmissbrauch, und wir machen es genauso im Bereich der Kinderpornografie, wo es darum geht, dass man eben auch Führungsaufsicht anordnen kann und zusätzliche Instrumente hat.

Die Tatsache, dass wir in der Strafprozessordnung zwar nicht für alles, was wir uns gewünscht hätten, aber in vielen Bereichen die Möglichkeiten der Quellentelekommunikationsüberwachung und der Onlinedurchsuchung einführen, ist ein echter Vorteil für die Ermittlungsbeamtinnen und Ermittlungsbeamten, weil sie Instrumente bekommen, um Opfer zu identifizieren und andererseits auch Täter zu überführen. Genau darum geht es, und dafür schaffen wir die Instrumente.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch dass wir Strafbarkeitslücken im Bereich des Missbrauchs von Abhängigen schließen, ist unglaublich wichtig. Dass wir uns dieses widerlichen Phänomens der Sexpuppen annehmen und auch für den Besitz, das Inverkehrbringen und den Erwerb die Strafbarkeit statuieren, ist vollkommen richtig,

(Widerspruch des Abg. Dr. Jürgen Martens [FDP])

weil wir aus der Praxis wissen, dass das in der Regel die Vorstufe für den echten sexuellen Missbrauch ist, der dann häufig folgt. Deswegen ist es konsequent, das zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Kolleginnen und Kollegen werden nachher auch noch auf all die Punkte eingehen, die im Familiengerichtsverfahren zusätzlichen Kinderschutz bedeuten. Dass wir das Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Anhörung von Kindern umdrehen, ist ein wichtiger Schritt, damit wir an der Stelle weiter- bzw. vorwärtskommen. Denn eines darf uns nicht ruhen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt immer noch viel zu viele Fälle unerkannten Missbrauchs in unserer Gesellschaft. Kinderschutzorganisationen gehen davon aus, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder sind, die sexuell missbraucht werden. Das ist etwas, das uns nicht ruhen lassen darf, wo wir weiter arbeiten müssen.

Das ist für uns auch der Grund, warum wir im parlamentarischen Verfahren gerne die Diskussion mit Ihnen, dem Bundesjustizministerium, aber auch mit unserem Koalitionspartner, der SPD-Fraktion, fortsetzen möchten, um zu schauen: Wo gibt es Möglichkeiten, wo können wir noch mehr tun? Wir haben bisher eine wirklich sehr konstruktive Atmosphäre erlebt und gesehen, dass es eine große Bereitschaft gibt, diese offensichtlichen Themen auch gemeinsam anzugehen.

Ich will deswegen darauf hinweisen: Wenn wir beispielsweise im Bereich des präventiven Kinderschutzes sagen: „So etwas wie eine einschlägige Verurteilung muss auch im polizeilichen Führungszeugnis eingetragen sein“, dann ist das wichtig und entscheidend. Es ist ein Hohn, dass so etwas heute nach drei Jahren gestrichen wird. Im Sinne des Kinderschutzes hätten wir das gerne lebenslänglich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber in jedem Fall ist es ein gewaltiger Schritt nach vorne, wenn man aus 3 Jahren Speicherzeit 20 Jahre plus Haftzeit macht. Deswegen gehen wir jeden Schritt mit, der mehr Kinderschutz bedeutet. Deswegen sind wir auch sehr dafür, dass wir in diesem wie auch in anschließenden Gesetzesverfahren schauen: Wo können wir noch etwas tun? Um zum Beispiel den Betrieb von Kinderpornografieforen strafbar zu machen, brauchen wir Straftatbestände. Das können wir in Angriff nehmen, wenn wir uns generell mit der Strafbarkeit von Darknetforen beschäftigen. Das müssen wir in den Blick nehmen. Das ist effektiver Schutz von Betroffenen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch das Thema der Kettenbewährungen – damit komme ich zum Schluss – wollen wir in Angriff nehmen. Das ist nicht nur hier ein Thema, sondern generell: Wenn jemand in der Bewährungszeit erneut einschlägig strafbar wird, ist es nicht einzusehen, warum man darauf mit einer erneuten Bewährungsstrafe reagiert.

Es ist ein super Gesetzentwurf. Wir können ihn noch besser machen. Gemeinsam sollten wir alles versuchen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)