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Thorsten Frei: "Wir möchten Transparenz"

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine große Ehre, dem Deutschen Bundestag angehören zu dürfen, und es ist ein Privileg, für Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger arbeiten zu können. Es ist klar, dass die Vorfälle der vergangenen Woche einen enormen Vertrauensverlust, insbesondere für unsere Fraktion, bedeutet haben, aber auch für die parlamentarische Demokratie insgesamt, für die Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse und ihre Legitimität. Es ist notwendig, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um dieses Vertrauen, das verloren gegangen ist, zurückzugewinnen.

Genau dem dienen unsere Vorschläge, und zwar in mehreren Schritten. Ich will auch noch mal sagen, dass in dieser Debatte vieles durcheinandergekommen ist. Wir haben gestern Abend abschließend das Lobbyregistergesetz verabschiedet für entgeltliche Interessenvertretung, nicht nur beim Deutschen Bundestag, sondern auch bei der Bundesregierung. Wir haben es darüber hinaus verpflichtend gemacht und sanktionsbewehrt – ein gutes Gesetz, wie ich finde, das sich auch im internationalen Vergleich absolut sehen lassen kann.

Lieber Herr Bartke, ich hatte nicht den Eindruck, dass sich die Gespräche hingeschleppt hätten. Wir haben ja bereits im letzten Sommer gemeinsam, in Übereinkunft in der Koalition zu diesem Thema gefunden, haben das der Öffentlichkeit auch gemeinsam gesagt. Das darf man, glaube ich, nicht hintanstellen. Dass wir es jetzt noch besser gemacht haben, ist nicht zuletzt auch Ihnen zu verdanken, Herr Dr. Bartke. – Vielleicht erspare ich Ihnen damit den Zwischenruf.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ja deutlich geworden, dass wir nicht nur Einzelfälle unter die Lupe nehmen möchten, sondern dass wir letztlich umfassend sicherstellen möchten, dass es in Zukunft nicht mehr möglich ist, bestehende Regelungen zu umgehen. Und das bedeutet eben insbesondere, Aktienoptionen oder auch Derivate so wie Einkünfte zu behandeln. Das bedeutet, klarzustellen, dass man dann, wenn man hier im Deutschen Bundestag arbeitet, nicht gleichzeitig für bestimmte Gruppen entgeltlich tätig sein kann. Also, die entgeltliche Interessenvertretung durch Abgeordnete geht nicht.

Auch die Vermischung von Abgeordnetenmandat und persönlichen wirtschaftlichen Interessen darf es nicht geben, darf es auch heute schon nicht geben. Wir werden es aber sanktionsbewehrt machen, und wir werden Abschöpfungsmöglichkeiten schaffen. Damit ist sichergestellt, dass diese Umgehungsmöglichkeiten zukünftig nicht mehr existieren.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Frei, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Rottmann?

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Bitte schön.

 

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Kollege Frei, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich möchte an dieser Stelle in der Debatte einmal den Blick weiten. Es sind ja nicht nur die Abgeordneten, die bestechlich sind, sondern es gibt auch Bestecher. Es gibt Menschen in der Wirtschaft, die zu diesem Instrument greifen.

Wir warten seit vielen Wochen auf das Unternehmenssanktionsgesetz. Es ist vom Kabinett verabschiedet. Es steht im Koalitionsvertrag. Es taucht aber nicht im Rechtsausschuss auf. Wir warten auf die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie. Viele dieser Skandale sind durch Hinweisgeber aufgedeckt worden.

Sehen Sie es ebenfalls so, dass es zur Glaubwürdigkeit gehört, dass die Union auch da die Bremsen löst, um diejenigen, die dieses Instrument auf der anderen Seite benutzen, also die Abgeordnetenbestechung, endlich unter Kontrolle zu bringen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Liebe Frau Kollegin Dr. Rottmann, schauen Sie einmal: In § 108e Strafgesetzbuch geht es um die Abgeordnetenbestechlichkeit und die Abgeordnetenbestechung. Wir weiten natürlich diesen Blick: Wir packen diesen Paragrafen an, um ihn wirklich wirkungsvoll zu machen – darauf ist eingegangen worden – und das zukünftig als Verbrechen zu bestrafen. Das heißt, wir schauen in beide Richtungen: auf diejenigen, die bestechen, und auf diejenigen, die bestechlich sind. Ihrem Anliegen ist damit Genüge getan.

Sie haben zwei weitere Themen angesprochen: das Unternehmenssanktionsrecht und die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie. An diesen Punkten arbeiten wir. Aber Sie wissen ganz genau, dass es in der Politik nicht ausreicht, Schlagworte in den Raum zu werfen; wir müssen es auch gut machen. Sinn und Zweck müssen erfüllbar sein. Es muss umsetzbar sein, und zwar nicht nur – das wird man jetzt gleich dazwischenrufen – im Bereich der Wirtschaft, sondern auch in den Landesjustizverwaltungen muss das umsetzbar sein. Uns reicht es nicht, Schlagworte in den Raum zu werfen, Dinge ins Schaufenster zu stellen,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die EU-Richtlinie ist doch kein Ding im Schaufenster! Das ist auch kein Schlagwort! Das ist eine europäische Richtlinie, Herr Frei!)

aber in Wahrheit am Ende nicht liefern zu können. Deswegen werden wir es richtig machen. Deshalb beraten wir diese Themen in der Koalition. Seien Sie versichert: Es wird am Ende in jedem Fall zu einem guten Ergebnis führen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Frei, es gibt einen zweiten Wunsch nach einer Frage oder Bemerkung, nämlich vom Kollegen Straetmanns. Das wäre dann allerdings die letzte, die ich innerhalb Ihres Redebeitrags zulassen würde, wenn Sie sie zulassen.

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

An mir soll das nicht scheitern, Frau Präsidentin, wenn Sie damit einverstanden sind.

 

Friedrich Straetmanns (DIE LINKE):

Danke sehr, dass Sie die Bemerkung zulassen; mein Dank geht auch an die Frau Präsidentin. – Ein kurzer Punkt. Die GRECO, die Staatengruppe gegen Korruption, der Deutschland auch angehört, hat Deutschland wiederholt angemahnt, weil es nämlich seinen eigenen Verpflichtungen aus diesem Bündnis nicht nachkommt, mehr gegen Korruption von Abgeordneten zu tun.

Führend in der Blockadehaltung ist ja der jetzt nicht anwesende Herr Grosse-Brömer – zumindest sehe ich ihn nicht –, der hier massiv interveniert hat. Ich will noch mal ganz bewusst den leider verstorbenen Kollegen Thomas Oppermann erwähnen, der sich im Ältestenrat und in der Rechtsstellungskommission mit Herrn Grosse-Brömer sehr angelegt hat. Sein Ziel teilen wir: GRECOs Forderungen müssen erfüllt werden, und zwar von uns, von Deutschland, keinem anderen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Herr Kollege Straetmanns, ich will es in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit kurz machen. Ich glaube, dass wir vieles unternehmen, um genau diese Punkte zu adressieren und umzusetzen. Ich habe vom Lobbyregistergesetz gesprochen. Wozu ich jetzt noch gar nicht gekommen bin, ist, auch darüber zu sprechen, dass wir die Transparenz- und Antikorruptionsregeln entsprechend verschärfen und anpassen.

Wir werden diesen Weg konsequent gehen. Sie werden sehen, dass wir dem Deutschen Bundestag auch entsprechende Vorschläge machen werden. Damit, glaube ich, tun wir alles, um Glaubwürdigkeit sicherzustellen, um Integrität und damit auch die Verlässlichkeit der parlamentarischen Demokratie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sicherzustellen; das ist unser Maßstab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist darüber gesprochen worden, dass wir in vielen einzelnen Punkten Transparenz- und Antikorruptionsregeln entsprechend anpassen werden. Ich will an dieser Stelle vor allen Dingen noch mal darauf hinweisen: Was sind die leitenden Prinzipien bei dieser Frage? Worum geht es im Wesentlichen? Es geht darum, Transparenz zu schaffen. Es geht darum, klarzulegen, dass eine Vermischung von persönlichen Interessen einerseits und Mandatsinteressen andererseits nicht möglich ist. Das heißt, wir möchten die Unabhängigkeit der Abgeordneten sicherstellen.

Auf der anderen Seite – das muss auch vollkommen klar sein; darauf ist der Kollege Dr. Buschmann eingegangen –: Wir möchten am Ende nicht ein Parlament haben, das mit der Lebenswirklichkeit und der Gesellschaft in Deutschland nichts mehr zu tun hat. Deswegen kommt es tatsächlich auch auf die Einzelheiten an. Deswegen muss man ganz genau schauen, wo man ansetzt.

Wir brauchen diejenigen, die auch jenseits des Staates Geld verdient haben. Wir brauchen auch diejenigen, für die nicht das persönliche Modell gilt: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP])

Wir brauchen diejenigen, die auf andere Art und Weise in ihren normalen zivilen Berufen ihr Geld verdienen. Wir brauchen auch deren Expertise für die Gesetzgebung; das will ich ganz ausdrücklich sagen. Deswegen muss es auch zukünftig möglich sein, dass ein Landwirt hier im Deutschen Bundestag Landwirtschaftspolitik betreibt. Es muss auch zukünftig möglich sein, dass ein Rechtsanwalt Rechtspolitik betreibt. Und es muss auch zukünftig möglich sein, dass ein Physiotherapeut und Sportwissenschaftler im Gesundheitsausschuss sitzt und dort seine Arbeit macht, dort seine Expertise einbringt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir möchten Transparenz – um das klarzustellen –, aber wir möchten auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Und wir möchten nicht ein Parlament, das nur aus Beamten besteht oder aus solchen, die zeit ihres Berufslebens nicht aus dem Bannkreis einer Partei herausgetreten sind und sich damit natürlich auch in Abhängigkeiten befinden. Das möchten wir nicht.

Ich bin davon überzeugt, dass es gelingen wird, einen klugen Weg zu finden, und dass wir entsprechend diesem Ziel den Menschen immer glaubwürdig klarmachen können: Wir arbeiten für das deutsche Volk, für die Menschen in Deutschland, für dieses Land. Darum geht es, und das muss die Zielsetzung bleiben.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Weniger CDU-Abgeordnete!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)