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Thorsten Frei

Thorsten Frei: "Wir haben Gesetze verschärft und verändert"

Vereinbarte Debatte - Bekämpfung des Antisemitismus nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Halle haben wir letzte Woche gesehen, was für eine tödliche Gefahr vom rechtsextremistischen Antisemitismus bei uns in Deutschland ausgeht. Es hätte dieses Hallensischen Fanals nicht bedurft, um zu erkennen, dass wir ein hohes Maß an Antisemitismus bei uns im Land haben und dass es dringend notwendig ist, mit aller Kraft, mit aller Entschlossenheit und Härte des Rechtsstaates dagegenzuarbeiten.

Ich will an dieser Stelle und in dieser Debatte auch daran erinnern, dass wir im Deutschen Bundestag am 16. Januar 2018 ein großes Zeichen, eine starke Willensbekundung über Fraktionsgrenzen hinweg, gesetzt haben. CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne haben gemeinsam einen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung des Antisemitismus und zur Antisemitismusprävention beschlossen. Das darf man nicht vergessen, wenn man an dieser Stelle über dieses Thema spricht.

Wir haben damit ein Versprechen abgegeben, das ich gerne für unsere Fraktion an diesem Tag bekräftigen möchte.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Versprechen reichen nicht! Sie regieren! Schützen Sie die Leute! – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie sind doch die Regierungspartei! Handeln, nicht reden!)

Wir sind stolz und froh, dass jüdisches Leben in Deutschland nach dem Holocaust wieder möglich ist. Wir haben das Versprechen abgegeben, dass wir die Menschen schützen und dass wir alles dafür tun, dass unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sicher und frei in unserem Land leben können.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Dann schützen Sie sie!)

– Lieber Herr Hampel, Ihnen muss ich jetzt an dieser Stelle einfach sagen: Wissen Sie, Sie und Ihre Fraktion und Ihre Partei sind diejenigen, die an einer erinnerungspolitischen Kurskorrektur arbeiten. Mit dem, was Sie sagen, betreiben Sie Geschichtsrevisionismus. Sie verschieben rote Linien.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sorgen dafür, dass Dinge denk- und sagbar sind, die es bisher nicht waren. Auch das befördert Antisemitismus bei uns im Land. Das muss in aller Deutlichkeit formuliert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das muss ich mir nicht sagen lassen! Ich war schon in Israel unterwegs, da waren Sie noch in der Grundschule!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, jetzt muss alles darauf gerichtet sein, zu überlegen, was wir tun können, um solche Attacken, solche versuchten Massaker in Zukunft zu verhindern. Ich finde es absolut unfair, an dieser Stelle so zu tun, als wären wir, diese Bundesregierung, und die Fraktionen, die diese Bundesregierung tragen, auf dem rechten Auge blind. Ich finde das nicht akzeptabel.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja! -Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie sind auf beiden Augen blind!)

Lieber Herr Klingbeil, ich finde es auch gegenüber den Innenpolitikern Ihrer Fraktion nicht akzeptabel. Schauen wir uns an, was nach den NSU-Untersuchungsausschüssen passiert ist: 47 Empfehlungen, größtenteils umgesetzt!

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)

Wir haben Gesetze verschärft und verändert. Wir haben zusätzliche Stellen geschaffen. – Das haben diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen gemacht. Deshalb kann man an der Stelle nicht davon sprechen, dass hier irgendjemand, der in diesem Haus Verantwortung trägt, auf dem rechten Auge blind wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Frei, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Ja, gerne.

 

Dr. Christoph Hoffmann (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege Frei, dass Sie die Frage zulassen. – Ich will Ihnen von einem Erlebnis berichten, das schon 20 Jahre her ist. Auf den Straßen Mecklenburg-Vorpommerns bin ich einmal mit einem amerikanischen Unternehmer unterwegs gewesen. Der wollte investieren, der hatte Millionen dabei. Als uns zwei Jugendliche in Nazi-T-Shirts entgegenkamen, hat er gesagt: In einem solchen Land kann ich nicht investieren. Dieselben Jugendlichen wären in Baden-Württemberg von der Straße heruntergepflügt worden. Das Problem ist also durchaus schon alt. Sehen Sie keine Versäumnisse des Innenministeriums oder des Innenministers, dass in dieser Frage nie aufgeräumt worden ist?

(Stephan Brandner [AfD]: Wieso hatte der Millionen dabei? Im Koffer, oder was? So Leute kenne ich gar nicht!)

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Lieber Herr Kollege, es ist überhaupt keine Frage, dass wir in vielen Fällen besser werden können, und an diesem Punkt müssen wir auch weiterarbeiten. Genau so habe ich die Rede des Bundesinnenministers hier am Pult auch verstanden: dass er ganz konkrete Vorschläge gemacht hat, auch quantifiziert hat – nicht erst heute, sondern auch schon in den Wochen und Monaten zuvor –, was wir an zusätzlichen Kapazitäten, zusätzlichem Personal, zusätzlichen Mitteln, aber vor allen Dingen auch zusätzlichen gesetzlichen Möglichkeiten brauchen, um diesem Phänomen Herr zu werden.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Bayerisches Modell!)

– Ganz genau. Das ist ein wesentlicher Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch sagen: Ich war einigermaßen irritiert ob der Rede von Frau Göring-Eckardt; denn sie hat hier so getan, als würden wir irgendetwas nicht tun, obwohl wir die Möglichkeiten dazu hätten. Ich glaube, Sie haben sogar von „Wacht auf“ oder so etwas geredet. Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waffenrecht!)

Denn es ist doch völlig klar, dass allein mehr Personal im Bereich des Bundesinnenministeriums nicht ausreichen wird. Wir brauchen auch die rechtlichen Instrumentarien dafür, damit man es richtig einsetzen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesjustizministerin hat genau diese Punkte erwähnt, die wir brauchen, damit das Personal auch wirksam eingesetzt werden kann. Deshalb müssen wir an dieser Stelle auch über Fragen diskutieren: Wie schaffen wir es, dass es keine schleichende Entwertung der Möglichkeiten des Verfassungsschutzes im Zeitalter der Digitalisierung gibt? Wir brauchen die Onlinedurchsuchung, die Quellentelekommunikationsüberwachung und vieles andere mehr.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Was hat denn das gebracht?)

Man kann nicht auf der einen Seite kritisieren, dass der Verfassungsschutz irgendwas nicht auf dem Schirm hat, und ihn andererseits blind und taub machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Das ist der Denkfehler, den die Grünen machen, die ursprünglich sogar vorhatten, den Verfassungsschutz zu zerschießen. So geht es nicht. Das ist an Unglaubwürdigkeit nicht zu überbieten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jan Korte [DIE LINKE]: Sie verstehen es nicht! Er versteht es nicht!)