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Sebastian Steineke: Scoring ist sogar etwas Positives für die Verbraucherinnen und Verbraucher

Redebeitrag zur Regulierung von Bonitätsauskünften

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir gerade schon gehört haben, beraten wir heute über einen Antrag der Linken, der, überspitzt formuliert – man muss es eigentlich gar nicht mehr überspitzen –, besagt: Wir brauchen keine Bonitätsprüfungen mehr; wir schaffen die Schufa ab. – Das ist eigentlich der Antrag.

Das mag für den Außenbetrachter vielleicht ganz nett sein. Aber am Ende des Tages ist es gerade auch für die Verbraucher schlecht, wenn es keine Bonitätsprüfung mehr gibt. Denn ganz grundsätzlich gesehen ist das Scoring nichts Schlechtes; es ist sogar was völlig Normales. Es geht darum, dass eine Wahrscheinlichkeit berechnet wird, mit der der Kunde oder der Kreditnehmer am Ende des Tages seine Rechnung bezahlt – oder eben nicht. Das ist das Normalste auf der Welt.

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel anfangen, jemandem aus dem Freundeskreis Geld zu leihen, vergewissern Sie sich in der Regel doch auch vorher, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie das Geld auch wiedersehen.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Genau!)

Vielleicht verzichten Sie in den Fällen darauf, wo man sich besonders gut kennt. Aber dieses Glück haben die Unternehmen nicht.

Es ist doch völlig selbstverständlich und logisch, dass Unternehmen wissen wollen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ihre Rechnungen bezahlt werden oder die Käufe im Internet per Rechnung bezahlt werden können. Etliche Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland mit Kauf auf Rechnung umgesetzt. Scoring ist in diesem Zusammenhang unerlässlich und wichtig für den ganzen Wirtschafts- und Handelskreislauf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Übrigens – darauf muss man hinweisen – betrifft das nicht nur die großen Player am Markt, sondern vor allen Dingen die kleinen und mittleren Unternehmen, für die jeder Ausfall in der Zahlung existenzbedrohend sein kann, wenn die Kunden regelmäßig nicht zahlen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Vielleicht noch mal zu den Zahlen. Nach Auskunft der Schufa haben knapp 91 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die erfasst sind, eine positive Bonität. Die Kreditausfallrate lag im September dieses Jahres bei 2,1 Prozent und damit genauso hoch wie in den letzten beiden Jahren – wohlgemerkt: trotz Corona. Im Umkehrschluss heißt das: 97,9 Prozent aller Konsumentenkredite werden ordnungsgemäß bedient. Der ganz überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher erfüllt seine Dauerschuldverhältnisse und zahlt seine Rechnungen.

Es gibt also überhaupt keinen Grund, alle anderen Verbraucher dadurch zu benachteiligen, wie der Antrag es fordert, dass man die Bonitätsprüfung abschafft. Sie stellen mit diesem Antrag eigentlich alle anderen Verbraucher unter den Generalverdacht, dass sie nicht zahlen.

Scoring ist sogar etwas Positives für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Gäbe es das nicht, ist doch geradezu selbstverständlich, was folgen würde: Die Unternehmen müssten anders kalkulieren, um den Zahlungsausfall abzufedern. Das heißt, die Produkte werden für alle auf dem Markt teurer. Wir sprechen hier also nicht nur von Einschränkungen für die Wirtschaft, sondern wir sprechen auch von Einschränkungen und klaren Nachteilen für alle Verbraucherinnen und Verbraucher.

Eine weitere Forderung betrifft die Löschfristen; Sie haben es ja vielleicht nebenbei noch kurz erwähnt. Sie wollen hier eine Löschfrist von einem Jahr. Auch dazu muss man vielleicht zwei, drei Sätze sagen. Das Schuldnerverzeichnis an den Vollstreckungsgerichten kennt die Löschfrist von drei Jahren. Auch die Löschfrist bei der Restschuldbefreiung beträgt drei Jahre.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Viel zu lang!)

Das ist aus unserer Sicht zwingendes europäisches Recht. Das heißt, wir können es gar nicht ändern und würden ein Vertragsverletzungsverfahren kassieren, wenn wir es trotzdem machen würden.

Der klassische Fall außerhalb der Bankkredite – es ist im Antrag angesprochen – ist das Thema Mobilfunk. Unstrittig sind die meisten Menschen auf Mobilfunk angewiesen. Hieran hängen – das wird gerne vergessen, auch im Antrag – aber eben nicht nur die Vertragslaufzeiten, sondern in vielen Fällen teure Endgeräte, die mitverkauft worden sind. Also geht es am Ende des Tages nicht nur um den nichterfüllten Vertrag, sondern auch um das nicht erstattete, das nicht bezahlte technische Endgerät. Auch auf diesen Kosten bleibt das Unternehmen dann sitzen. Auch das darf man nicht vergessen. Es gibt Alternativen für diese Kundinnen und Kunden. Das betrifft das Thema Prepaid; wir haben darüber gesprochen. Dort gibt es keine Bonitätsprüfung, also wird auch niemandem die Möglichkeit genommen, Mobilfunk zu nutzen.

Trotz aller Kritik an diesem Antrag gibt es natürlich auch in diesem Bereich Themen, über die wir reden müssen. Zum Beispiel ist in den letzten Wochen und Monaten das Thema „Bonushopper bei Energieversorgungsverträgen“ aufgekommen. Es sollen wohl Datenbanken aufgebaut werden, in denen die Daten von Zahlungswilligen und Zahlungsfähigen, also Leuten, die ihre Verpflichtungen erfüllen, gesammelt werden, um, so sagen die Unternehmen, einfach mal zu gucken. Aber man könnte davon ausgehen, dass darüber nachgedacht wird, diesen dann keinen neuen Vertrag zu geben. Über solche Dinge müssen wir reden; denn das ist sicherlich nicht im Sinne der Energiewende, und das ist auch nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei Dinge sagen:

Wenn der Antrag so beschlossen würde, würden Sie nicht nur die Unternehmen schwächen, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sicher kennt jeder von Ihnen das Thema Hausbau, wo man sich gerne mal über die Liquidität des Gegenübers informieren möchte, um sicherzugehen, ob der überhaupt bauen kann. Das würden Sie aber dabei und bei anderen größeren Investitionen verhindern; der Verbraucher könnte sich nicht mehr informieren.

Morgen beschließen wir Verbesserungen des Verbraucherschutzes im Inkassorecht in erheblichem Umfang, und das ist gut. Sie wollen aber noch weiter runter: Sie würden die Unternehmen in die doppelte Zange nehmen. Sie wollen erreichen, dass die Unternehmen das nicht mehr kostendeckend geltend machen können; sie dürfen sich aber auch vorher nicht über den Zahlungsausfall informieren. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein, und deswegen werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)