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Philipp Amthor: "Wir wollen eine gute und überzeugende Einigung"

Rede in der Aktuelle Stunde - Für eine schnelle Einigung bei der Wahlrechtsreform

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja gut, dass wir hier intensiv und emotional um ein neues Wahlrecht ringen, und es ist auch gut und legitim, dass die FDP eine schnelle Einigung fordert.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schnell ist das schon lange nicht mehr!)

Und eine schnelle Einigung, liebe Kolleginnen und Kollegen – ob Sie das glauben oder nicht –, wollen auch wir von CDU und CSU. Aber wir wollen eben nicht nur eine schnelle Einigung, sondern auch eine gute und überzeugende Einigung. Und eine solche stellt Ihr Vorschlag nicht dar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn Ihr Vorschlag, über den wir hier ja gelegentlich schon diskutiert haben, ist in diesem Hause nicht mehrheitsfähig, weil er die Direktmandate zu stark entwertet und weil er das Prinzip des regionalen Ausgleichs entwertet. Ich finde, daran wird wieder überdeutlich: Sie haben den Problemschwerpunkt einfach nicht erkannt oder wollen ihn nicht erkennen.

Michael Grosse-Brömer hat darauf hingewiesen: Das Bundeswahlgesetz sieht 598 Abgeordnete als Regelgröße vor, davon 299 in Wahlkreisen gewählt und 299 über die Listen gewählt. Die Realität ist seit Jahren, dass wir 299 direkt gewählte Abgeordnete haben und mittlerweile 410 Listenabgeordnete.

(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Jetzt machen Sie doch wieder eine Zweiklassengesellschaft auf! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Da muss man doch nicht sehr viel nachdenken, sondern es ist offensichtlich. Es reicht also nicht, wenn Sie nur eine schnelle Einigung fordern, sondern wir fordern von Ihnen auch schnelles Nachdenken darüber, dass das Problem bei den Listenmandaten liegt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, bei Ihrem schlechten Zweitstimmenergebnis! – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Ein bisschen aufs Maß achten!)

Genau darauf muss aus unserer Sicht der Fokus gerichtet werden.

Das Problem bei dem Verhältniswahlrecht, wie wir es im Moment haben, und auch das Problem bei Ihrem Vorschlag ist einfach die fehlende Kalkulierbarkeit und die fehlende Nachvollziehbarkeit. Es kann doch nicht sein, dass wir ein System haben, bei dem man vielleicht zwar noch am Wahlabend weiß, wer in einem Wahlkreis ein Direktmandat gewonnen hat, bei dem man aber zusätzlich zum Jurastudium noch ein Mathematikstudium braucht, um zu verstehen, wer denn über die Liste gewählt ist.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Beides nicht kompatibel! – Zuruf des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])

Das ist ein System, das so nicht funktioniert.

Ich will Ihnen eins sagen: So populistisch und so einfach, wie Sie das hier dargestellt haben, ist das auch keine gute Geschäftsgrundlage. Denn das Wahlrecht können wir an vielen Stellen mit 50 Prozent plus x, also mit der einfachen Mehrheit, ändern. Wir haben einen Prozess, in dem die Regierungsfraktionen offen mit den Oppositionsfraktionen reden. Und Sie führen hier so ein Theaterschauspiel auf!

(Widerspruch des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das stimmt nicht! Es redet keiner mit uns, Herr Amthor!)

Da dürfen Sie nicht glauben, dass das irgendwie ein gutes Klima schafft, um dann besser miteinander reden zu können.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie reden mit sich selbst!)

Ich finde, das ist nicht der richtige Umgang miteinander, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jammert doch nicht so!)

Die populistischen Lösungen, die vorgeschlagen werden, sind, isoliert betrachtet, doch auch nicht tragfähig. Wenn wir nur die Zahl der Wahlkreise reduzieren, kann das, selbst wenn wir 30 Wahlkreise streichen, dazu führen, dass ohne andere Methoden der Bundestag unterm Strich sogar noch größer ist als heute. Das ist einfach kein überzeugendes Momentum.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Ein bisschen mehr Respekt vor Herrn Schäuble bitte, Herr Amthor! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Wer hat denn diese Rede aufgeschrieben?)

Und dann wird gefordert, wie wir es verschiedentlich gehört haben: Die Wahlkreissieger mit den vermeintlich schlechtesten Ergebnissen werden nicht in den Bundestag gewählt.

(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Stimmt nicht! – Christian Dürr [FDP]: Wo lesen Sie das denn, Herr Amthor?)

Erstens will ich mal daran erinnern: Diesen Vorschlag, der jetzt auch in der Opposition beliebt ist, den hat die AfD ursprünglich mal gemacht. Da will ich aber sagen: Was Sie bei der AfD zu Recht kritisiert haben, sollten Sie auch heute an sich selbst kritisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [FDP]: Wir haben das doch nicht vorgeschlagen!)

Dazu, dass jetzt im Zuge einer Obergrenze auch diskutiert wird, dass einige wegfallen sollen, die einen Wahlkreis eigentlich gewonnen haben, also dann nicht im Bundestag sitzen sollen, muss man auch sagen: Das überzeugt doch nicht.

(Zuruf von der FDP: Das ist ein totaler Quatsch!)

Wozu führt denn das? Herr Buschmann, Sie haben heute hier eine große Rede über Obergrenzen im Parlament gehalten. Ihr Vorschlag würde dazu führen, dass vielleicht im Wahlkreis Gelsenkirchen ein Abgeordneter, der zwar mit 20 Prozent das Direktmandat gewonnen hat, aber damit ein zu schlechtes Ergebnis erzielt hat, nicht einziehen soll, Sie dann aber mit 6,5 Prozent hier mit breiter Brust im Bundestag sind, nur weil Sie über die Liste abgesichert sind, oder was?

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Meine Liste hat 1,4 Millionen Wähler auf sich vereinigt! Das sind fünfmal so viele wie in jedem Wahlkreis!)

Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen. Deswegen müssen wir schon darauf achten: Wer einen Wahlkreis hat und wer einen Wahlkreis mit relativer Mehrheit gewinnt, der muss danach auch im Deutschen Bundestag sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das stellt ja keiner infrage bisher außer der AfD!)

Ich glaube, es ist sinnvoll, über einen Deckel nachzudenken. Aber dieser Deckel kann eben nicht unkonditioniert sein.

(Christian Dürr [FDP]: Herr Amthor, sagen Sie ehrlich: Sie wollen keine Änderung! Sagen Sie es doch! Es ist doch Quatsch, was Sie erzählen! Was soll diese Schmierenkomödie da vorne jetzt?)

Es kann nicht so sein, dass der Ausgleichsmechanismus direkt gewählte Abgeordnete entfallen lässt, sondern wir wollen, dass beachtet wird, dass direkt gewählte Abgeordnete auch ins Parlament kommen, und dass auch die regionale Verteilung beachtet wird.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja!)

Bekanntermaßen habe ich ein großes Herz für den ländlichen Raum; Sie wissen das. Mein Wahlkreis ist 1,96-mal so groß wie das Saarland. Aber ich habe an der Stelle auch mal ein großes Herz für die Städte. Denn ich finde, es kann auch nicht sein, dass dann, wenn wir den ersten Zuteilungsschritt weglassen, ein Ergebnis entsteht, bei dem wegen Überhangmandaten im Süden Deutschlands auf einmal keine Abgeordneten aus Hamburg und aus Bremen mehr im Parlament sind. Das kann doch nicht richtig sein.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer 29 Prozent erzielt, kann auch nur mit 29 Prozent einziehen!)

Föderalismus ist eine Stärke dieses Landes. Deshalb müssen wir darauf auch setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir werden einen Vorschlag machen. Wir lassen uns von Ihnen nicht treiben.

(Christian Dürr [FDP]: Warum lässt die Union jemanden reden, der keine Ahnung hat von dem Thema? Das sagt doch alles! Das ist unfassbar! Sie können doch nicht jemanden reden lassen, der gar keine Ahnung hat!)

Die Hand ist zu konsensualen Gesprächen ausgestreckt.

(Zuruf von der FDP: Die Hand haben nicht Sie ausgestreckt! Die haben wir ausgestreckt! So ist das!)

Populismus ist jetzt nicht das Gebot der Stunde, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)