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Paul Lehrieder: Wir wollen Verstorbene vor der Sensationsgier von Gaffern schützen

Rede zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Vorredner haben schon darauf hingewiesen: Das Herstellen und Verbreiten entwürdigender Bilder unter Strafe zu stellen und damit eine härtere Gangart all jenen gegenüber anzuschlagen, die die Intimsphäre ihrer Mitmenschen aufs Empfindlichste verletzen, ist das Ziel dieses Gesetzentwurfs. Das bisher geltende Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bot bislang nur einen eingeschränkten Schutz der Opfer und war nicht hinreichend geeignet, entsprechende Taten zu ahnden. Hier haben wir nachjustiert, wo es nötig war, und verschärft.

Wir streben diese Änderungen für zwei Bereiche an. Zum einen wollen wir Verstorbene vor der Sensationsgier von Gaffern schützen – der Kollege Jung hat schon darauf hingewiesen; das betrifft insbesondere die Feuerwehr und den Stau auf der Gegenspur –, zum anderen bestrafen wir die Handlungen, die sich unter den Begriffen „Upskirting“ und „Downblousing“ subsumieren lassen, also das Anfertigen und Übertragen von unbefugten Bildaufnahmen des Intimbereichs und der weiblichen Brust.

Beide angesprochenen Bereiche sind leider keine Randphänomene, und sie sind für ihre Opfer demütigend und verletzend. Ein solches Verhalten gehört sich nicht und wird künftig ganz bewusst verschärft und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe belegt werden. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Kollegen Martens von der FDP, der in diesem Zusammenhang den Begriff „Anstand“ zitiert hat. Es ist unanständig, es gehört sich nicht, und es passt nicht in unsere Rechtsordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Damit wird nun eine Gesetzeslücke geschlossen, die es bisher Schaulustigen und Gaffern ohne Strafe möglich machte, von verstorbenen Personen bei Unfällen und Unglücksfällen Bildaufnahmen anzufertigen und zu verbreiten. Angespornt von der Sensationsgier und oft auch als Hindernis der helfenden Rettungskräfte wurden diese Aufnahmen dann in sozialen Netzwerken verbreitet oder gar an Medien weitergegeben. Es kann nicht Aufgabe der Rettungskräfte sein, wenn sie an einen Unfallort kommen, zunächst Sichtschutzwände aufzurichten, um die Gaffer vom unberechtigten Fotografieren der Unfallstelle abzuhalten. Wir müssen die Gaffer vor sich selbst und den nachfolgenden Verkehr auch vor den Gaffern schützen. Das macht momentan die Feuerwehr. Die hat wichtigeres zu tun, wenn sie zu einem Unfall kommt. Deshalb ist es auch wichtig, das a priori zu verhindern.

Stellen Sie sich die zusätzliche Belastung der Hinterbliebenen und der Angehörigen eines Unfallopfers vor. Dieser Belastung wird jetzt durch die Änderung des § 201a StGB ein Riegel vorgeschoben. Die Würde eines Menschen hört nicht mit dessen Tod auf – darauf kann man nicht oft genug hinweisen – und wird von uns entsprechend geschützt.

Mit dem Gesetzentwurf wird auch ein Anliegen der Union aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, nämlich Schutzlücken des § 201a StGB hinsichtlich der Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen zu schließen.

Ob nun in den eigenen vier Wänden, der Umkleidekabine, bei Festivals oder auf der Rolltreppe: Die Opfer von sogenanntem Upskirting sind meist Frauen oder Mädchen. Oft geschieht es heimlich und im öffentlichen Raum. Immer kleinere und besser entwickelte Aufnahmegeräte spielen den Tätern dabei leider in die Hände. Der Täter akzeptiert keine eigentlich selbstverständlichen Grenzen und dringt damit auf das Schamloseste in die Privatsphäre ein.

Bisher schützt § 201a StGB das Opfer nur vor unbefugten Bildaufnahmen innerhalb einer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, nicht aber vor Aufnahmen, die in der Öffentlichkeit entstehen. Andere Straftatbestände wie Beleidigung oder sexuelle Belästigung greifen nicht, da die Opfer entweder nicht mitbekommen, dass sie fotografiert werden, oder es zu keiner Berührung kam. Auch hier haben wir die Sanktionen verschärft, eine Regelungslücke geschlossen. Ich hoffe, dass wir als Gesetzgeber mit dieser Verschärfung potenzielle Täter abschrecken und obendrein ein stärkeres Unrechtsbewusstsein für solche Taten schaffen. Sie sind schändlich und alles andere als ein Kavaliersdelikt.

Es wird sich also nicht mehr um eine bloße Ordnungswidrigkeit handeln. Frau Kollegin Bayram, ich war schon etwas überrascht, als Sie eben sagten, es reiche aus, das Ganze als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Wir stellen fest: Die Große Koalition ist mit Ihrem Gesetzentwurf stärker auf der Seite der vulnerablen und schutzwürdigen Menschen unserer Gesellschaft, als es manche Kollegin von den Grünen ist. Auch das gehört mal festgestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen Sie selber lachen, nicht wahr?)

– Nein, ich habe jetzt auf die Frage gewartet, Frau Kollegin. – Die strafrechtliche Sanktion des Upskirtings hatte die Union bereits im Rahmen der Sexualstrafrechtsreform in der vergangen Wahlperiode gefordert; die Älteren können sich noch erinnern.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Insgesamt werden wir – da bin ich mir sicher –, einen guten Beitrag zum besseren und wirksameren Schutz von Opfern leisten, die es womöglich erst im Nachhinein in einer Art Ohnmacht, zum Beispiel über das Internet, mitbekommen und entsprechend leiden. Dies ändert sich nun hoffentlich.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, auch mit der Kollegin Bayram.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)