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Paul Lehrieder: Gedulden wir uns gemeinsam noch elf Tage

Rede zur Änderung des Versorgungsausgleichsgesetzes

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Keul, wenn Sie alles richtig ausgeführt hätten, dann hätte ich auf meine Rede verzichten können. Nun muss ich doch ein paar Sätze an Sie richten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber nicht zu lang!)

Liebe Grüne, wenn der Himmel voller Geigen hängt, denkt kaum jemand an die oft herben finanziellen Folgen einer ehelichen Trennung oder gar daran, wie fortgebildet der Familienrichter sein wird, der die Ehe scheidet oder die Kinder in einem Sorgerechtsverfahren anhört. Dafür, dass diese Zäsur im Leben von Männern und Frauen trotz der vielen persönlichen Frustrationen für alle Beteiligten fair und auf Augenhöhe stattfindet, sind wir Rechts- und Familienpolitiker zuständig. Das war schon in der Großen Koalition 2009 so, als die Strukturreform des Versorgungsausgleichs beschlossen wurde, die – Sie sagen es in Ihrem Antrag selbst zu Recht – sich bewährt hat, und das ist auch in der aktuellen Großen Koalition so.

Allerdings, Frau Kollegin Keul, frage ich mich, warum Sie genau elf Tage vor der höchstrichterlichen Entscheidung in Karlsruhe in dem Verfahren 1 BvL 5/18 in Sachen „Versorgungsausgleich bei Ehescheidungen“ das Thema heute hier thematisieren. Wir haben als Politiker großen Respekt auch vor dem Wissensgewinn durch das Bundesverfassungsgericht,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die haben gehofft, dass die Richter zuhören!)

insbesondere seitdem der behandelnde Senat von unserem ehemaligen rechtspolitischen Sprecher Stephan Harbarth geleitet wird. Das heißt, wir halten es für sinnvoll, die klugen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in eine mögliche Änderung des Gesetzes mit einzubeziehen und dann zu gucken, was zu machen ist, liebe Frau Kollegin Keul.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Jens Maier [AfD])

So machen wir den zweiten Schritt nach dem ersten, und dann kommen wir auch nicht so leicht ins Stolpern. In diesem Sinne wäre es also, wie gesagt, eleganter gewesen, wenn Sie diese elf Tage noch hätten warten können. Aber junge Pferde sind ein bisschen vorpreschend.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird Zeit, dass Wochenende ist!)

Es geht in diesem Verfahren konkret um die Frage, ob die sogenannte externe Teilung von Versorgungsansprüchen bei Betriebsrenten verfassungskonform ist. Diese sollte – das ist völlig unstrittig – nach dem Halbteilungsprinzip erfolgen.

Sie haben bereits darauf hingewiesen, Frau Kollegin Keul: Das Problem ist – und das macht sich auch zum Nachteil von vielen Frauen bemerkbar; da haben Sie völlig recht –, dass tatsächlich die niedrige Zinslage zu diesen unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen bei dem Aufsplitten der Betriebsrenten führt. Der Versorgungsträger, der die Anrechte abgibt, ermittelt den Kapitalwert mit einem Zinssatz, der für Handelsbilanzen maßgeblich ist. Bei Betriebsrenten ist aber der vergleichsweise hohe durchschnittliche Zinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre maßgeblich. Der Träger, der die Anrechte übernimmt, orientiert sich dagegen am aktuell niedrigen Marktzins. Durch die Übertragung geht Geld verloren, und der Rentenanteil sinkt. Hier ist sicher zu schauen, wo Handlungsbedarf besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen das vermeintliche Problem einfach dadurch lösen, dass Sie § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes streichen. Ganz so einfach, liebe Grüne, ist es leider nicht. Gut gemeint, aber schlecht gemacht! Mehr kann ich Ihrem Entwurf nicht abgewinnen.

Ich nenne Ihnen zwei Punkte; darüber sollten Sie sich die nächsten elf Tage noch einmal Gedanken machen. Erstens ist es womöglich gar kein Problem, bei dem ein bestimmtes Geschlecht strukturell benachteiligt wird, sondern es ist eher der gegenwärtigen und andauernden Niedrigzinslage geschuldet – ich habe schon versucht, das auszuführen –, die eine Partei benachteiligen kann, nämlich die, die geringere Anwartschaften besitzt.

Zweitens würden Sie mit einer Streichung zusätzlich neue Probleme dort kreieren, wo es durch die Coronakrise bedingt momentan noch schwerer ist als sonst. Streichen Sie die externe Teilung, dann käme es bei kleinen und mittleren Unternehmen zu einem Eingriff in die unternehmerische Freiheit, was insgesamt eine Gefahr für die betriebliche Altersvorsorge darstellen würde. Sie müssten zusätzlich unternehmensfremde Anspruchsinhaber zwangsverwalten.

Meine Bitte deshalb: Gedulden wir uns gemeinsam noch die elf Tage, und dann schauen wir, was zu tun ist. Dann können Sie uns konstruktiv begleiten. Darauf freue ich mich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)