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Paul Lehrieder: Das Pfändungsschutzkonto ist seit zehn Jahren ein Stück gelebte christliche Soziallehre

Redebeitrag zum Pfändungsschutzkonto

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen: Wir werden heute im Anschluss an diese Debatte über den Entwurf zum Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz abstimmen. Das sogenannte P-Konto ist damit nach zehnjähriger Laufzeit sehr intensiv überprüft worden. Der Schlussbericht der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz beauftragten Evaluierung beurteilt die Einführung des P-Kontos insgesamt als Erfolg, hat uns in einigen Bereichen aber auch Verbesserungspotenziale aufgezeigt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung und den Änderungsanträgen der CDU/CSU und SPD kommt es nun – Ihre Zustimmung vorausgesetzt – zu weiteren Verbesserungen und praxisgerechten Ausgestaltungen.

Die Unbill des Lebens kann jeden treffen. Deswegen sollte sich niemand vorschnell ein Urteil über Menschen in derartigen Notlagen erlauben. Ob der Verlust des Arbeitsplatzes, der Tod des Partners, eine Scheidung, eine schwere Krankheit – Schicksalsschläge, die in einer Überschuldung münden können, sind fast immer vielschichtig und in jedem Fall persönlich herausfordernd. Es spielt zunächst auch gar keine Rolle, ob man verschuldet oder unverschuldet in Not geraten ist. Denn egal, was zu einer schwierigen Situation geführt hat: Lebensmittel, Kleidung, ein Dach über dem Kopf – ein Existenzminimum muss immer gesichert werden.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Ihr könnt ruhig mal klatschen, wenn er was Richtiges sagt! – Gegenruf des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ihr könnt ja auch klatschen! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Wir wollen die mal nicht überfordern!)

Das Pfändungsschutzkonto ist seit zehn Jahren auch ein Stück gelebte christliche Soziallehre, meine sehr geehrten Damen und Herren: Hilfe zur Selbsthilfe. In diesem Fall geht es darum, einem Schuldner Zeit zu geben, seine Existenz zu sichern, bis seine eigenen Schultern wieder stark genug sind. Das Konto gibt darüber hinaus dem Schuldner, der keine guten Aussichten hatte, überhaupt ein Konto zu bekommen, die Möglichkeit, am Zahlungsverkehr teilzunehmen und selbstständig über einen pfändungsfreien Betrag zu verfügen.

Die bestehenden Regelungen zum P-Konto werden wir mit den heute zur Abstimmung stehenden Regelungen insgesamt übersichtlicher, systematischer und auch verständlicher gestalten.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Dazu trägt zunächst auch die Schaffung eines eigenen Abschnitts für das Pfändungsschutzkonto in der ZPO, in der Zivilprozessordnung, bei. Damit wird ihrer verbraucherpolitischen Bedeutung in angemessener Weise Rechnung getragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

– Ja, da hätten Sie schon längst mal klatschen können. Herr Müller-Böhm, da können Sie mitklatschen; das wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Wirtschaftet ein Schuldner darüber hinaus sparsam, so hat er künftig die Möglichkeit des Ansparens von nichtverbrauchten Guthaben für Anschaffungen jenseits des täglichen Bedarfs. Damit setzt man letztlich einen positiven Ansatz, und es ist auch ein Ausfluss der Menschenwürde in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz: Es entspricht dem Selbstbestimmungsrecht, etwas ansparen zu können und sich ein Stück weit so am wirtschaftlichen Leben zu beteiligen wie jemand, der nicht in dieser prekären finanziellen Situation ist.

Ferner wird es eine Verkürzung des Anpassungszeitraums für die Pfändungsfreigrenzen auf ein Jahr geben; bisher waren es zwei Jahre. Damit wird es künftig viel schneller möglich sein, die Erhöhung des einkommensteuerrechtlichen Freibetrages anzupassen.

Eine weitere Änderung ist die Ausweitung des Pfändungsschutzes auf Kultusgegenstände, die zur Ausübung der Religion und der Weltanschauung dienen. Diese Ergänzung geht im Übrigen auf ein Petitum des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages zurück, in dem ich fast 15 Jahre lang als Mitglied mitwirken durfte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die gleichzeitige Schaffung einer Wertgrenze von 500 Euro wirkt möglichen Missbräuchen entgegen.

Darüber hinaus planen wir eine Reduzierung der Informationspflichten der Kreditinstitute. Banken und Sparkassen werden so zum Beispiel bei der IT-technischen Umsetzung entlastet.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, Überschuldung ist ein äußerst vielschichtiges und ernstzunehmendes Problem. Die Schaffung des P-Kontos war ein richtiger und wichtiger Schritt, um es Menschen zu ermöglichen, trotz dieser Umstände ein menschenwürdiges Leben zu führen; ich habe bereits darauf hingewiesen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer hat dies x-mal beantragt, bis es kam?)

– Du kommst gleich, Matthias.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und dem Änderungsantrag der Koalition entwickeln wir dieses bewährte Instrument konsequent weiter. Ich bitte Sie deshalb nachher bei der Abstimmung um Ihre breite Zustimmung. Dieser Gesetzentwurf ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen den Interessen des Gläubigers auf der einen Seite und den Interessen des Schuldners auf der anderen Seite, und zwar durch die Wiederherbeiführung menschenwürdigen Lebens durch Teilnahme am Geschäftsverkehr.

Es gibt ja viele Parteien hier im Bundestag, die derzeit nicht regieren, die aber hoffen, nächstes Jahr nach der Bundeswahl auch wieder mal regieren zu können.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Aber nicht regieren werden! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind noch Jungfrau!)

Regieren ist immer auch Gestalten, Verbesserung des Lebens unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es kann sich nachher bei der Abstimmung zeigen, wer bereit ist – Matthias, ich habe gehört, ihr wollt nicht mitstimmen –, konstruktiv und positiv an diesem Gesetz mitzuwirken.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gerade von der Linken erwarte ich es. Von den anderen Parteien würde ich es mir auch wünschen.

Herzlichen Dank. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir wollten eigentlich ablehnen! Nach deiner Rede werden wir uns enthalten! – Gegenruf des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Gut so! Die Richtung stimmt!)