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Patrick Schnieder: Wir werden bei der bestehenden Regelung bleiben

Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Überschneidung von Sitzungen

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Das ist heute eine gute Gelegenheit, dem kompletten Haus beizubringen, wie Parlamentsarbeit in Deutschland funktioniert. Das, was wir eben gehört haben, und das, was wir in dem Antrag lesen können, zeichnet allenfalls ein Zerrbild der Wirklichkeit und passt in das Muster, das hier offensichtlich vertreten wird. Das Plenum wird zu einer Showveranstaltung genutzt. Hier wird provoziert, aber es wird von ganz rechts keine Sacharbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Brandner, es gab in Deutschland zwei Parlamente, die immer komplett getagt haben. Das eine Parlament hat in der Kroll-Oper getagt und das andere in Erichs Lampenladen. In diese Zeiten wollen wir nicht zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch wenn Sie es nicht hören wollen, sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Der Deutsche Bundestag ist ein Rede- und Arbeitsparlament. Wenn Sie nicht verstanden haben, was Arbeitsparlament in Abgrenzung zu Redeparlament bedeutet, dann ist das Ihr Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sind ein Redeparlament, weil wir hier im Plenum Meinungen austauschen, der Öffentlichkeit darstellen, warum wir ein Gesetz einbringen, warum wir dafürstimmen oder warum wir anderer Meinung sind. Wir reden und diskutieren hier, um einen Antrag zu begründen oder um zu begründen, warum wir ihn ablehnen. Das sind wir der Öffentlichkeit schuldig, weil wir transparent darstellen müssen, worüber wir streiten. Denn Parlamentsarbeit ist immer auch Streit in der Sache.

Aber wir sind eben auch ein Arbeitsparlament, weil wir die Grundlagen dafür erarbeiten müssen, dass wir hier streiten.

(Pascal Kober [FDP]: So ist es! – Jürgen Braun [AfD]: Ihre verschwurbelten Anträge haben nichts mit Qualität zu tun!)

Da gibt es eine Fülle von vorbereitenden Gremiensitzungen – allein diese Woche sind es über den Daumen gepeilt 70 Stunden Ausschussarbeit –, die wir in einer solchen Sitzungswoche unterbringen müssen. Vorbereitende Gremien, Anhörungen, Gespräche mit Experten, Verbänden, Kollegen und Berichterstattergespräche: All das dient der Vorbereitung der Auseinandersetzung im Plenum und ist mindestens genauso wichtig wie das, was wir als Redeparlament abliefern.

Es kommt noch etwas dazu, was bei Ihnen offenbar überhaupt keine Rolle spielt. In meinem Wahlkreis habe ich noch nie jemanden von der AfD gesehen. Wahlkreisarbeit findet bei Ihnen einfach nicht statt.

(Widerspruch des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Wir halten Kontakt zum Bürger und erklären ihm unsere Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

All diese Elemente, die ich beschrieben habe, sind mindestens genauso wichtig wie das, was wir in aller Ruhe und Gelassenheit und auch in aller Sachlichkeit dann der Öffentlichkeit präsentieren und darstellen.

In ganz wenigen Fällen tagen Ausschüsse parallel zum Plenum. Das sind vor allem der 1. Untersuchungsausschuss, der donnerstags um 11 Uhr beginnt und oft bis Mitternacht dauert und deshalb nicht montags oder freitags tagen kann – dann würde er mit seiner Arbeit nicht über die Runden kommen und die Zeugen nicht komplett vernehmen können –, und der 1. Ausschuss, der sich mit Immunitätsangelegenheiten befasst, die auch relativ schnell behandelt werden müssen. Deshalb ist es gar nicht möglich, nicht auch Gremiensitzungen parallel zum Plenum zu haben.

Aber Sie haben damit aus zweierlei Gründen ein Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD. Der erste Grund ist, dass die Ausschüsse nichtöffentlich tagen. Da hat man eben keine Bühne, um Provokationen zu machen, eine Show abzuhalten und Videos zu drehen, mit denen man sich seine Wahrheit zusammenbastelt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Grund ist, dass wir in den Ausschüssen natürlich hart in der Sache arbeiten müssen.

(Lachen bei der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Regierungsgeschwafel!)

Das kann man nicht, wenn man hier stundenlang die Sessel warmhält.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] und ­Grigorios Aggelidis [FDP])

Deshalb sage ich ganz klar: Wir stehen zu dem Konzept, das wir im Bundestag seit vielen, vielen Jahren praktizieren, indem wir unserem Anspruch gerecht werden, ein Redeparlament und gleichzeitig ein Arbeitsparlament zu sein.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie repetieren nur Regierungsgeschwafel! Deshalb sind Sie so inhaltslos!)

Das, was wir in § 60 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geregelt haben, ist vollkommen ausreichend. Darin steht nämlich, unter welchen Voraussetzungen neben dem Plenum auch Ausschüsse und andere Gremien tagen können: sehr eng umrissen, in Ausnahmefällen. Jeder Abgeordnete bzw. jedes Ausschussmitglied hat grundsätzlich die Möglichkeit, sowohl im Plenum als auch in den Ausschüssen tätig zu sein. Das ist jedenfalls das, was wir alle praktizieren können. Wer das nicht kann, muss sich überlegen, ob er hier an der richtigen Stelle ist.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Weil wir in der Politik auch die Komplexität der Welt abbilden bzw. abbilden müssen und entscheiden müssen, sind wir auf Arbeitsteilung angewiesen, und wer auf Arbeitsteilung angewiesen ist, kann natürlich auch in seiner Fraktion die Rollen entsprechend verteilen, ohne dass ein Abgeordneter, ohne dass Mitglieder einer Fraktion in ihren Möglichkeiten im Plenum oder bei der Ausschussarbeit beschnitten werden.

Deshalb mein Fazit: Wir bleiben mit Sicherheit bei der bestehenden Regelung, weil sie sinnvoll ist und weil es uns um das Ergebnis und die Sacharbeit geht statt um billigen Applaus, weil es uns um die Arbeit geht,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sagen Sie mal was zu zusätzlichen Sitzungswochen, wenn Sie arbeiten wollen!)

weil wir in den Wahlkreisen präsent sein wollen –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

und diese Arbeit ist mindestens genauso wichtig wie die Berliner Sitzungswochen –

(Jürgen Braun [AfD]: 31 Wochen ohne Sitzung! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Herr Braun, hören Sie doch mal zu!)

und weil wir es schaffen, in den Wahlkreisen unsere Sach- und Facharbeit, die wir auch in Berlin leisten, weiterlaufen zu lassen. Wenn Ihnen das alles nicht möglich ist, dann müssen Sie noch ein bisschen lernen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Neun Wochen Sommerpause! – Gegenruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie da Sommerpause machen, ist das Ihr Problem!)

Wir lassen uns jedenfalls von dem guten Konzept, das wir seit Jahr und Tag im Deutschen Bundestag praktizieren, nicht abbringen. Insofern wird Ihr Antrag keine Aussicht auf Erfolg haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)