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Nina Warken: Bereits jetzt gilt der Kriminalität gegen Frauen unser besonderes Augenmerk

Redebeitrag zu Gewalt gegen Frauen

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was sich in Deutschland vielerorts hinter verschlossenen Türen abspielt, findet sich häufig in den Lokal- und Boulevardzeitungen unter folgenden Überschriften: „Mann bringt Ex-Freundin um“ oder „Ehemann sperrt Frau drei Monate in den Keller“. Erst heute haben wir wieder Ähnliches lesen können. Kurzfristig gibt es dann einen öffentlichen Aufschrei. Dabei sind Frauen jeden Tag Opfer von Hass und Demütigungen; es kriegt nur kaum jemand mit. Das ist traurige Realität. Die Coronapandemie hat dieses Problem sicher nicht besser gemacht; im Gegenteil.

Wir alle sind uns einig, dass solchen Straftaten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln begegnet werden muss. Aber auch wenn alle diese Fälle schlimm sind, gilt es zunächst, zu schauen, wie diese Straftaten einzuordnen sind; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie bringen in Ihrem Antrag – mit diesem möchte ich mich hier gerne befassen – diese Fälle mit Hasskriminalität in Verbindung. Da bedarf es meines Erachtens einer Klarstellung.

Hasskriminalität umfasst politisch oder weltanschaulich motivierte Straftaten, bei denen das Opfer aufgrund seiner tatsächlichen oder unterstellten Zugehörigkeit zu einer dem Täter verhassten sozialen Gruppe ausgewählt wird. Dem Täter geht es also nicht um das Opfer als solches, sondern er möchte mit der Tat eine Wirkung in der Gesellschaft erzielen. Um solche politisch motivierten Taten handelt es sich aber nicht, wenn Frauen durch ihre Partner häusliche Gewalt erfahren oder Mädchen auf Facebook beleidigende Nachrichten bekommen. Doch natürlich müssen auch diese Straftaten in den Statistiken hinreichend abgebildet werden; das ist zutreffend.

Sie bemängeln in Ihrem Antrag, dass es im Hinblick auf Gewaltstraftaten keine Opferstatistiken in Deutschland gebe. Gewaltstraftaten gegen Frauen werden aber bereits seit Jahren statistisch über das Geschlecht des Opfers erfasst. Die kriminalstatistischen Auswertungen der Partnerschaftsgewalt bilden in Deutschland seit 2011 die Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung im Hinblick auf die Beziehungsart sowie auch in Bezug auf den räumlich-sozialen Kontext in der Polizeilichen Kriminalstatistik ab. Welche weiteren Erkenntnisse, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sich darüber hinaus von der Aufnahme des jeweiligen Tatwerkzeugs in die Statistik erwarten, wie im Antrag gefordert, ergibt sich zumindest aus dem Antrag selbst nicht.

In Ihrem Antrag fordern Sie ferner, den kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität zu erweitern und das Kriterium „Frauenhass“ bei der Zuordnung von Straftaten zum Bereich Hasskriminalität zu ergänzen. Hier gibt es aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Lücke. Eine der Kategorien des Bundeskriminalamts zur statistischen Erfassung von Hasskriminalität ist bereits heute die „sexuelle Orientierung und/oder sexuelle Identität“. Die „sexuelle Identität“ betrifft auch und gerade das Geschlecht.

Sehr geehrte Damen und Herren, in dieser Form werden Straftaten gegen Frauen bereits statistisch im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes erfasst. Diese Straftaten stehen in einem Kausalzusammenhang mit der Identität „Frau“, sind also ganz klar frauenfeindlich. Es gibt also bereits eine spezifische Abbildungsmöglichkeit von Straftaten, welche aus frauenfeindlichen Motiven begangen werden. Wir halten eine Doppelerfassung an dieser Stelle für nicht zielführend. Für alle, die darüber ehrlich berichten und aufklären wollen und nicht nur an einer reißerischen Überschrift interessiert sind, gibt es, denke ich, genügend Statistiken.

Sie fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen, Anstrengungen zur Aufklärung und Ahndung frauenfeindlich motivierter Straftaten im Internet und in sozialen Netzwerken. Das ist richtig und wichtig; das sehen wir auch so. Tatsächlich wurden aber gerade die Aufklärungs- und Verfolgungsmöglichkeiten für Hasskriminalität, egal gegen wen sie sich richtet, bereits verstärkt. Im Oktober 2019 wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, gerade auch im Internet, beschlossen. Ein entsprechendes Gesetz haben wir auf den Weg gebracht. Darin werden zum Beispiel die Anbieter großer Netzwerke verpflichtet, strafbare Inhalte zu melden. Dafür wird beim Bundeskriminalamt eine neue Zentralstelle eingerichtet. Um Tatverdächtige identifizieren und Beweise sichern zu können, werden klare Rechtsgrundlagen zur Auskunftserteilung von Anbietern gegenüber Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden geschaffen. Hetze, Drohungen und Beleidigungen im Netz werden wegen der besonders hohen Reichweite härter und besser verfolgt.

Nun kommen wir zu dem Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, den ich für den entscheidendsten halte bei der Bekämpfung von Kriminalität gegenüber Frauen: die Prävention. Denn mit einer Diskussion um die Benennung einzelner Kategorien im Bereich der deutschen Kriminalstatistik ist keiner Frau geholfen, die sich im stillen Kämmerlein vor ihrem Peiniger fürchtet. Bereits jetzt gilt der Kriminalität gegen Frauen und insbesondere auch in der Familie unser besonderes Augenmerk. Beispielsweise hat das Bundesfamilienministerium zur Umsetzung der Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention das Aktionsprogramm zur Prävention und Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder aufgelegt; meine Kollegin Sylvia Pantel hat dazu ausführlich vorgetragen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir den betroffenen Frauen helfen wollen, müssen wir schauen, welche Maßnahmen wirklich weiterhelfen. Wir müssen in diesem Haus außerdem bei unseren Regelungskompetenzen bleiben, auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen; denn die von Ihnen angesprochenen Punkte und geforderten Maßnahmen betreffen zu großen Teilen die Zuständigkeiten der Länder.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende.

 

Nina Warken (CDU/CSU):

Ich komme zum Ende. – Der Antrag der Grünen, liebe Kolleginnen und Kollegen, enthält zwar gute Ansätze, aber in der vorgelegten Form ist er abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)