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Michael Frieser: Gerichte sind unabhängig und Richter entscheiden frei

Einsetzung eines 2. Untersuchungsausschusses zum BAMF

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen! Ich stelle mal fest: Zumindest das Bedürfnis nach Aufklärung eint uns, weil wir mit den Vorkommnissen vor allem in Bremen, aber auch insgesamt im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge etwas erleben müssen, was das fundamentale Vertrauen der Menschen in diesen Staat, in sein Verwaltungshandeln erschüttert hat. Das ist unbestritten.

Ich glaube, wir erleben im Augenblick, dass der Innenausschuss des Deutschen Bundestages an dieser Stelle eine ganz wichtige Arbeit leistet. Das, was wir in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben, ist etwas, was eine gewisse Historie in dieser Parlamentsgeschichte darstellt. Dazu gehört der Aufklärungswille des Bundesinnenministers; an der Stelle bitte ich, den herzlichen Dank auszurichten. Ebenso einen herzlichen Dank an die Innenausschussvorsitzende, Andrea Lindholz; auch so kann man parlamentarische Arbeit leisten: indem sie tatsächlich aufklärt und Beiträge leistet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist genau der Punkt: Dieses Parlament hat in seiner Geschäftsordnung ein mehrstufiges Verfahren. Im Grunde macht der Innenausschuss genau das, was im Augenblick notwendig ist.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Wenn man einen Untersuchungsausschuss haben will, dann sollte man abwarten, was der Innenausschuss jetzt Schicht für Schicht abräumt. Vielleicht bleibt am Ende übrig, was im öffentlichen Interesse in einem Untersuchungsausschuss zu klären wäre. Deshalb – das muss ich sagen –: Seien Sie dankbar, dass der Innenausschuss im Augenblick ihre Arbeit macht, nämlich dass er aufklärt und am Ende des Tages gegebenenfalls zum Ergebnis kommt: Ja, ein Untersuchungsausschuss ist noch notwendig. Und wenn er notwendig ist, dann machen wir es. Aber im Augenblick muss man deutlich sagen: Ein Untersuchungsausschuss geht weit über die normalen Befugnisse des Parlaments hinaus. Zwangsbefugnisse, Vorladungen von Zeugen, Einsicht in Akten – das bedeutet Macht, und Macht fordert Verantwortung.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Dieser Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehe ich im Augenblick noch nicht Genüge getan. Es muss exakt und präzise formuliert werden, was ein solcher parlamentarischer Untersuchungsausschuss tatsächlich leisten kann und leisten soll. Deshalb hat er Verfassungsrang; deshalb gibt es ein eigenes Gesetz, wo genau das drinsteht. Es tut mir furchtbar leid, wenn ich das in dieser Klarheit als Ergebnis sagen muss: Beide Anträge, sowohl von der FDP als auch von der AfD, sind erstens rechtswidrig und zweitens verfassungswidrig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Ich darf noch mal auf die Voraussetzungen für einen Untersuchungsausschuss hinweisen: öffentliches Interesse, Befassungskompetenz des Deutschen Bundestages, das Bundesstaatsprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und die Gewaltenteilung. Ich will es wahrlich nicht ganz aufbrechen, aber ein paar Beispiele müssen wir schon nennen. Herr Thomae, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze, aber die Anträge lesen sich so, als hätten beide Fraktionen von diesen Prinzipien noch nie etwas gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Marianne Schieder [SPD])

Für den Versuch, sich in den exekutiven Handlungsspielraum der Regierung, also den Freiraum, wie eine Regierung untereinander arbeitet, hineinzumogeln – nicht dass ich das von der AfD anders erwartet hätte; aber von der FDP hätte ich es nicht erwartet –, hätte ich sogar noch Verständnis, obwohl es sich um den Kernbereich exekutiven Handelns handelt – das muss die FDP mit ihrem liberalen Gewissen ausmachen –, aber zu der Forderung, die Entscheidungen von Verwaltungsgerichten in einem Untersuchungsausschuss überprüfen zu lassen – also die Kontrolle von Gerichten dem Parlament zu übertragen –, sage ich: Bis hierher und keinen Schritt weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Gerichte sind unabhängig, und Richter entscheiden frei in diesem Land. Daran wird sich auch nichts ändern, schon gar nicht durch diese Anträge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dass sich der AfD-Antrag wie ein Erlebnisaufsatz liest – meine Güte! –, auch das war vielleicht zu erwarten, dieses namenlose Aufführen von Behörden, die Forderung: „Alle werden überprüft“. Ich weiß gar nicht, wie viel Zeit Sie glauben zu haben. Allein das, was in Ihrem Antrag steht, abzuarbeiten – glauben Sie uns aus berufenem Munde aus Untersuchungsausschüssen – würde, ich sage mal, grob geschätzt ungefähr 14 Jahre dauern.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: So wie Sie arbeiten, vielleicht!)

Und die Mehrheit dieses Parlaments wird dafür sorgen, dass das gar nicht funktionieren wird, weil Sie sich zum Beispiel an der Untersuchungskompetenz der Länder vergehen, an der Frage: Was regeln die Länder mit den Kommunen? Das ist alles etwas, was nicht zur Befassungskompetenz des Deutschen Bundestages und deshalb auch nicht in einen Untersuchungsausschuss gehört.

Und ich muss sagen – Patrick Schnieder hat es schon gesagt –: Wenn man eh schon weiß, was rauskommt, wozu braucht man dann eigentlich noch einen Untersuchungsausschuss? Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie in der Früh um halb vier oder um halb fünf die Zeugen befragen, dann wissen Sie nach 14, 15, 16 Stunden Zeugenvernehmung, dass ein Untersuchungsausschuss nicht der Ort für Provokationen und Tribunale ist. Da lassen wir uns auch nicht in die Irre führen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Augenblick ist es weder hinreichend bestimmt noch in irgendeiner Art und Weise abgrenzbar, was dort gemacht werden soll. Es ist klassischer Wahlkampf, hat mit parlamentarischer Arbeit leider nichts mehr zu tun. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese ganzen Vorschriften haben einen Grund, nämlich dass man effektiv und effizient einem Thema näherkommt, dass man wirklich aufklären will. Diese beiden Anträge von AfD und FDP tun genau das Gegenteil: Sie klären nicht auf, sie erwecken sogar den Eindruck, dass sie daran gar kein Interesse haben. Das können wir nicht zulassen. Wir wollen, können und dürfen nicht einfach mit Siebenmeilenstiefeln darüber hinweggehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir Ihnen im Geschäftsordnungsausschuss die Zeit geben, noch mal darüber nachzudenken, das heißt: Nachsitzen. Derweil macht der Innenausschuss des Deutschen Bundestages Ihre Arbeit. Wir hoffen, dass dann kein rechtswidriger und verfassungswidriger Antrag mehr übrig bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)