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Michael Frieser: Das Streichen von Wahlkreisen bringt überhaupt nichts

Rede zur Wahlrechtsreform

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des Vortrags von Herrn Glaser und trotz seines jugendlichen Erscheinungsbildes muss ich zu dem Ergebnis kommen: Die von ihm abgespielte Schallplatte ist wahrscheinlich eher aus Schellack als aus anderem Material. Es hilft halt nichts, immer dasselbe zu behaupten, weil es dadurch am Ende des Tages nicht wahrer wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Seitz [AfD]: Und was ist Ihre Lösung?)

Deshalb bitte ich, zwei Dinge festhalten zu dürfen: Erstens. Die bisherigen Änderungen des Wahlrechts, denen wir das aktuell gültige Wahlrecht zu verdanken haben, sind mit den Stimmen aller Fraktionen dieses Hauses und auch im Bundesrat mit den Stimmen Ihrer Parteikollegen beschlossen worden.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren andere Verhältnisse!)

Ich darf zweitens darauf hinweisen, dass die Opposition die Wahlrechtsreformkommission des Präsidenten verlassen hat mit dem Hinweis, sein Vorschlag sei eine Provokation;

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja auch so!)

dieser Vorschlag beinhaltete tatsächlich auch die Streichung von Wahlkreisen.

Um einigen Kollegen einen Gefallen zu tun, weise ich gerne darauf hin: Dieses Haus besteht im Augenblick schon nur zu 40 Prozent aus direkt gewählten und zu 60 Prozent aus Listenabgeordneten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dass man jetzt auf den Gedanken kommt, dass man das nur durch das Streichen von Wahlkreisen machen kann,

(Benjamin Strasser [FDP]: Welcher Strafrechtsprofessor sagt denn, dass es ohne geht? Das ist Realitätsverweigerung!)

wird, glaube ich, dem Anspruch, der mit der Erststimmenabgabe verbunden ist, nämlich einen direkt gewählten Abgeordneten zu haben, nicht ganz gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Dass Sie keine Volkspartei mehr sind, das ist das Problem! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Jeder direkte Wahlkreis wird auch besetzt! Das ist doch Unsinn, was Sie sagen! Jeder, der direkt gewählt ist, ist auch gewählt!)

– Dadurch, dass man laut schreit, wird es nicht wahrer.

Klar ist: Es braucht in der Tat eine Höchstgrenze. Der deutsche Wähler sollte genau wissen,

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Die Wählerin auch!)

wie groß der Bundestag am Ende des Tages tatsächlich werden kann.

(Beatrix von Storch [AfD]: Dafür haben wir noch zwei Wochen Zeit!)

Insofern ist die entscheidende Frage, wie wir das bewerkstelligen.

(Stephan Brandner [AfD]: Unserem Antrag zustimmen! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage haben Sie richtig gestellt! Jetzt geben Sie mal die Antwort!)

– Zuhören kann den Effekt haben, dass man weiß, worüber man redet.

(Benjamin Strasser [FDP]: Jetzt mal die Antwort!)

So einfach, wie es so leicht dahingesagt wird – wir lassen den ersten Zuteilungsschritt weg, die sogenannte Zuteilung von Sitzkontingenten auf die Landeslisten –, ist es nicht. Es ist nicht ganz unwesentlich, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung umfangreiche Ausführungen dazu gemacht hat, warum dieser zugegebenermaßen sehr medizinische Begriff „negatives Stimmgewicht“ so verhängnisvoll ist: Weil es ein Irrweg ist, wenn ein Wähler mit seiner Stimmabgabe am Ende des Tages das Gegenteil dessen verursachen könnte, was er erreichen wollte. Deshalb ist die Frage der Sitzkontingentbildung so wesentlich.

Verständigen können wir uns in der Tat bei der Mindestsitzfrage: Welchen Anspruch auf Beteiligung an diesem Deutschen Bundestag haben die einzelnen Landeslisten der Parteien?

Der nächste Punkt. Man muss auch einmal aufräumen mit dem Argument, es gäbe keine Gespräche. Wöchentlich treffen sich die Fraktionsvorsitzenden dieses Hauses.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie bringen halt nichts! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit welchem Ergebnis denn?)

– Wie oft haben Sie jetzt schon zusammengesessen?

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abgesagt worden!)

– Wie oft haben Sie schon zusammengesessen?

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist abgesagt worden!)

Okay, dreimal gefragt, immer noch keine Antwort.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zweimal! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Es ist abgesagt worden! Seit vier Wochen ist nichts mehr! Völliger Unsinn!)

Typisch grüne Lösung! Darauf will ich mich nicht einlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Seit vier Wochen reden Sie nicht mehr mit uns! Seit vier Wochen! – Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der entscheidende Punkt ist: Es gibt regelmäßige Kontakte.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Durch Schreien wird es nicht besser.

Ich glaube, es ist wesentlich, auf Folgendes hinzuweisen: Es hat weder etwas mit Provokation zu tun, noch damit, man verweigere sich hier irgendwelchen Lösungen.

(Zuruf: Doch!)

Die Berechnungen des Bundeswahlleiters haben gezeigt: Das Streichen von Wahlkreisen ohne eine wirklich effektive Kombination anderer Maßnahmen bringt überhaupt nichts;

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Das hat doch noch gar keiner behauptet, dass wir nur Wahlkreise streichen! Aber ohne geht es nicht!)

es reduziert noch nicht mal die Wahrscheinlichkeit der Vergrößerung des Deutschen Bundestages; das wird nicht wahrer, je öfter Sie es behaupten.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Realitätsverweigerung, was Sie machen! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Der letzte Punkt ist das Thema Kappung, das heißt Nichtzuteilung. Jemand geht in die Wahlkabine, wählt direkt einen Abgeordneten, der gewinnt seinen Wahlkreis, und am nächsten Tag erfährt er: Nein, dieser Wahlkreis wird nicht zugeteilt,

(Benjamin Strasser [FDP]: Will ja keiner! Will die AfD, aber wir nicht!)

er ist die nächsten vier Jahre im Bundestag nicht vertreten. – Das machen Sie mit dem deutschen Wähler ein einziges Mal! Das führt dieses System ad absurdum, ist ein Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit, weil der Wähler mit der Stimme nicht mehr das erreicht, was er angeblich erreichen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist doch nicht das Problem! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal, was Sie wollen!)

Wer das vorschlägt, will am Ende des Tages keine direkte Demokratie mehr und keine Direktwahlkreise mehr, sondern ein reines Verhältniswahlrecht; ein anderer Schluss ist leider nicht zu ziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie eigentlich vorzuschlagen? Fünf Minuten gesprochen, kein Vorschlag, kein einziger Vorschlag! Nur alles andere abgelehnt!)