Skip to main content

Michael Frieser: Abgeordnete werden in Deutschland immer noch gewählt

Rede zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Am Anfang darf ich sagen: Ich bin einem heute in der Debatte schon sehr dankbar, nämlich dem Kollegen Ansgar Heveling, der trotz seines Geburtstages oder vielleicht auch gerade deshalb als einer von ganz wenigen zu diesem Thema hier gesprochen hat. Lieber Ansgar, noch mal alles Gute!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Ich wollte heute wenigstens einmal das gesamte Haus klatschen hören beim Thema Wahlrecht. Das wird uns ansonsten wahrscheinlich nicht mehr gelingen.

Aus gegebenem Anlass: Es ist nicht so, dass Mandate oder dass Abgeordnete in diesem Land zugeteilt werden, errechnet werden oder verschoben werden. Abgeordnete werden in Deutschland immer noch gewählt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darauf hinzuweisen, ist leider Gottes notwendig. Deshalb muss man allen Versuchen, mit Rechentricks zu arbeiten, eine Absage erteilen.

(Zurufe von der FDP)

Das ist auch der Grund, warum wir als Union nach einem durchaus langen und schwierigen Prozess einen Kompromiss vorlegen, der zwei Dinge miteinander kombiniert: eine maßvolle Reduktion der Zahl der Mandate auf der Seite des personalisierten Verhältniswahlrechtes und eine Reduktion bei der Zahl der ausgleichslosen Überhangmandate, die ihre Dämpfungswirkung bei den Listenmandaten erreicht. Damit können wir genau das erzielen, was man in diesem Haus abbilden muss, um eine Begrenzung zu erreichen: nämlich auf beiden Seiten moderat reduzieren. Nur so werden wir am Ende des Tages unser Ziel erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und jetzt darf ich dann doch mal zu dem Thema des heutigen Tagesordnungspunktes, nämlich dem sogenannten Oppositionsantrag, sprechen. Immer wieder hören wir dasselbe. Ich darf mal feststellen, dass die Opposition, die diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat, nicht ein Jota bereit ist, überhaupt darüber zu reden, was in diesem Gesetzentwurf steht; vielmehr gibt es nur den Inhalt dieses Gesetzentwurfs. Eine Form von Diskussionsbereitschaft kann ich bei diesem Gesetzentwurf beim besten Willen nicht erkennen. Tut mir leid.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich werde nicht müde, zu sagen, Frau Haßelmann: Was in diesem Land verfassungswidrig ist, stellt das Bundesverfassungsgericht fest. Aber wir unterstellen uns selbstverständlich der Erfahrung der Opposition, die anscheinend genau weiß, was verfassungswidrig ist;

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der CSU-Vorschlag!)

sonst würde sie nämlich einen wahrscheinlich verfassungswidrigen Gesetzentwurf gar nicht vorlegen. Die Wahrheit ist: Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf zurück zum Wahlrecht des Jahres 2008.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Falsch! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!)

Nun gibt es eine eindeutige Verfassungsrechtsprechung zum Streichen des sogenannten ersten Zuteilungsschrittes – Stichwort „negatives Stimmgewicht“, Stichwort „regionaler Proporz“. Entsprechende Änderungen mussten wir für die Wahlen in den Jahren 2013 und 2017 umsetzen.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Stellt doch einen Änderungsantrag!)

Es hilft nichts, dass Sie immer wieder darauf hinweisen, wie toll der Regionalproporz in Ihrem Vorschlag gewahrt bleibt. Er wird es nicht; denn dieser Gesetzentwurf vergeht sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Schon allein deshalb ist er nicht zustimmungsfähig, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wieso es das Land demokratischer machen soll, wenn man 50 Wahlkreise streicht, erschließt sich mir nicht.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Ihr Vorschlag?)

Das Direktmandat ist ein Element, das den Bürgern nicht nur nachweislich wichtig ist – der Direktmandatsträger leistet übrigens genauso wertvolle Arbeit wie jeder Listenmandatsträger hier –; sondern es ist auch so, dass dieses plebiszitäre Element am Ende des Tages eine besondere Nähe zum Wähler dokumentiert. Und deshalb muss man vorsichtig sein, wie viel man an dieser Stelle streicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege Frieser, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann?

 

Michael Frieser (CDU/CSU):

Aber selbstverständlich, um Gottes willen!

 

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Frieser, wenn Sie so besonders schlau sind, gerade beim Wahlrecht, –

 

Michael Frieser (CDU/CSU):

Na, na, na, langsam!

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und wissen, was in unserem Gesetzentwurf alles nicht gut ist, warum legen Sie nicht einfach mal was vor, das zeigt, wie es aus Ihrer Sicht besser wäre?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Wissen Sie, seit einem Jahr erlebe ich hier Wahlrechtsdebatten, in denen man sich an uns persönlich, an unseren Vorschlägen abarbeitet; aber das täuscht nicht mehr darüber hinweg, dass Sie nichts haben. Wo sind Ihre Vorschläge, ganz konkret? Ich meine, den CSU-Vorschlag hat schon Günter Krings als Staatssekretär in der Wahlrechtskommission für nicht verfassungsgemäß gehalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ich durfte ihn nicht veröffentlichen, weil wir da intern tagen. Aber das war schon mal klar. Ich warte auf Vorschläge; nicht einfach nur Noten verteilen; das können wir alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

 

Michael Frieser (CDU/CSU):

Frau Haßelmann, ich bin nicht enttäuscht, dass ich jetzt nichts Neues gehört habe, abgesehen von dem, was Sie in Ihrer Rede ohnehin schon gesagt haben.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Ihr Vorschlag?)

Ich bin interessiert an einer Stellungnahme zu unseren fünf Vorschlägen, die die Union seit Jahren in die Diskussion einbringt. Wir warten heute noch darauf, dass die Opposition, deren Vorschlag nicht gerade glimpflich mit der Verfassung umgeht,

(Konstantin Kuhle [FDP]: An welcher Stelle? – Manuel Höferlin [FDP]: Unsinn!)

sich mal mit unseren Vorschlägen auseinandersetzt.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Ihr Vorschlag?)

Dieser ziemlich durchschaubare Versuch, zu sagen, erst eine Drucksachennummer würde in Deutschland einen politischen Vorschlag diskussionsrelevant machen, ist doch ein unsinniges politisches Argument.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber im Ergebnis bin ich doch immer wieder davon überrascht, welche Ehre uns die Opposition an dieser Stelle erweist und mit in die Sommerpause gibt. Anscheinend ist tatsächlich nur die Union, vielleicht noch die SPD, überhaupt in der Lage, in diesem Land Wahlkreise für sich zu entscheiden. Es steht nicht in der Verfassung, dass wir die Einzigen sind, die Wahlkreise gewinnen dürfen.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! Wir gewinnen doch auch welche!)

Machen Sie eine gute Politik, dann hätten Sie auch Erfolg; dann müssten Sie nicht auf diesem Weg an Wahlkreise herangehen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)