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Mechthild Heil: Es muss gesetzlich klar geregelt sein, welche Rechte und Pflichten Eltern haben

Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung der Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen erst einmal!

(Zurufe: Guten Morgen!)

Für Eltern muss gesetzlich klar geregelt sein, welche Rechte und Pflichten sie in Bezug auf ihre Kinder haben, und zwar für alle Eltern: für die traditionellen Familien genauso wie für die in gleichgeschlechtlichen Ehen und auch in allen Fällen, in denen die Kinder nicht auf natürlichem Wege gezeugt wurden. Das muss der Gesetzgeber im 21. Jahrhundert leisten können. Genau deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart – ich zitiere –:

Im Hinblick auf die zunehmenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und Veränderungen in der Gesellschaft werden wir Anpassungen des Abstammungsrechts … prüfen.

Die Grünen bringen nun sehr kurzfristig einen Gesetzentwurf ein, der sich gesondert mit einem einzigen Teilbereich dieser schwierigen Thematik befasst. Die Problemstellung ist nachvollziehbar, und sie wird auch im Gesetzentwurf zutreffend geschildert. Bei zwei – so sagen Sie – miteinander verheirateten Frauen hat die Partnerin, die das Kind nicht geboren hat, keine rechtliche Elternschaft, solange kein Adoptionsverfahren erfolgreich durchgeführt wurde. Der Gesetzentwurf weist darauf hin, dass diese klassischen Adoptionsverfahren einen großen Aufwand darstellen und dass dabei Unterlagen verlangt und Prüfungen durchgeführt werden, die für eine Ehe zwischen zwei Partnerinnen weder angemessen noch notwendig seien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich kann diese Punkte wirklich sehr gut nachvollziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso erstaunter bin ich aber darüber, in welcher Form Sie diese Thematik jetzt einbringen. Das erweckt bei mir den Verdacht, dass es sich mehr um einen Schaufenstergesetzentwurf handelt.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Sören Pellmann [DIE LINKE]: Macht ihr gar nicht so etwas!)

Ich begründe Ihnen das auch sehr gerne. Sie greifen ausschließlich die Problematik zweier miteinander verheirateter Frauen und deren Kinder heraus.

(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind auch benachteiligt!)

Was ist denn mit den verheirateten Männern?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann denn ein Mann selbst ein Kind gebären?)

Was ist mit den Themen Mehrelternschaft und Elternschaftsvereinbarung? Wie wollen Sie die Fragen, die sich aus der Reproduktionsmedizin sonst noch ergeben, lösen? Das alles sind Themen, die die Grünen in der Vergangenheit auch bewegt haben. In Ihrer Gesetzesbegründung schreiben Sie dann selber, dass es im Familienrecht insgesamt in dieser Hinsicht einiges zu klären gibt, behaupten aber, dass dieses eine Thema besonders vordringlich sei.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Nur eine schlüssige Begründung, warum das so sein soll, bleiben Sie in Ihrem Gesetzentwurf schuldig.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie mir zugehört hätten, wüssten Sie es jetzt!)

Ich bin der Überzeugung, dass das im Koalitionsvertrag Vereinbarte richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ja, wir müssen Anpassungen im Abstammungsrecht und weitere Alternativen sorgfältig prüfen, damit wir mit der Entwicklung in Deutschland Schritt halten können und jede Eltern-Kind-Beziehung rechtlich klar geregelt ist. Eine singuläre Gesetzesänderung bringt vielleicht schnellen Applaus bei den einzelnen Interessengruppen, kann aber für die Sache insgesamt sogar eher schädlich sein. Ich finde, das ist der langen Arbeit der Grünen auf diesem Gebiet nicht würdig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Auch in der Sache wirkt Ihr Gesetzentwurf ein wenig wie mit der heißen Nadel gestrickt. Sie übertragen im Wesentlichen alle Regelungen, die bisher für das Abstammungsrecht bei einer Ehe zwischen Mann und Frau gelten, nahezu wortgleich auf eine Ehe zwischen zwei Frauen. Okay, das klingt im ersten Augenblick nach fairer Gleichbehandlung,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleichstellung!)

offenbart aber bei genauerem Hinsehen erhebliche Schwierigkeiten, die das Potenzial haben, neue Ungerechtigkeiten zu schaffen. Wenn Sie Biologie und Genetik als Basis des Abstammungsrechtes teilweise verlassen wollen, wenn also in Ihrem Fall eine Frau automatisch mit der Geburt Elternteil, also zweite Mutter, werden soll, die genetisch mit dem Kind gar nicht verwandt ist,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei Vätern auch keine Pflicht! Nicht jeder Ehemann ist der Vater!)

dann müssen Sie schon sehr genau hinschauen, damit das angemessen juristisch lösbar ist und nicht zu Merkwürdigkeiten führt, falls es sich auf dem Wege des Abstammungsrechts überhaupt sinnvoll lösen lässt, was zu prüfen wäre.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Ich möchte nur ein Beispiel der sich aus Ihrem Gesetzentwurf ergebenden neuen Ungleichheiten herausgreifen. Sie wollen demnach der Frau, die nach Ihrem Gesetzentwurf mit der Geburt des Kindes automatisch auch Mutter wird, weil sie mit der biologischen Mutter verheiratet ist, das Recht geben, diese Mutterschaft innerhalb von sechs Monaten anzufechten. Bei einem Ehemann ist ein Recht auf Anfechtung der Vaterschaft deshalb begründet, weil der Verdacht bestehen kann, dass es sich gegebenenfalls bei ihm doch nicht um den biologischen Vater des Kindes handelt. Denn weil das Gesetz davon ausgeht, dass der Ehemann im Allgemeinen der biologische Vater ist, wird er automatisch mit der Geburt der rechtliche Vater. Mit der Anfechtung erhält er die Möglichkeit, diese Vermutung des Gesetzes zu widerlegen. Die Ehefrau in einer gleichgeschlechtlichen Ehe ist aber keinesfalls mit dem Kind biologisch verwandt. Wenn Sie diese Ehefrau mit Ihrem Gesetzentwurf nun automatisch zur zweiten Mutter machen wollen, dann kann es kein Anfechtungsrecht gleicher Art wie bei einem Ehemann geben; denn es kann keinen Zweifel an einer biologischen Verwandtschaft geben, der ein Anfechtungsgrund sein könnte. Für Väter und Mütter einer klassischen Ehe ist übrigens das Anfechtungsrecht bei Samenspenden schon heute gesetzlich sogar ausdrücklich ausgeschlossen, weil der Anfechtungsgrund einer Unklarheit in diesem Fall entfällt.

Dass Sie vor diesem Hintergrund an Ihrer Lösung selber Zweifel haben, zeigt Ihre Gesetzesbegründung.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie, glaube ich, nicht verstanden!)

Sie wollen darin begründen, warum der zweiten Mutter nur eine Anfechtungsfrist von sechs Monaten zustehen soll, während Väter eine Anfechtungsfrist von zwei Jahren haben, nachdem sie von Umständen erfahren, die gegen ihre Vaterschaft sprechen. Sie stellen in Ihrer Gesetzesbegründung aber einfach nur fest, dass eine Anfechtungsfrist von sechs Monaten eingeräumt wird, und dann wörtlich: „Eine längere Überlegungsfrist ist nicht notwendig.“

Das ist doch keine Begründung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Warum ein Anfechtungsrecht für einen an seiner Vaterschaft zweifelnden Ehemann und, wenn schon, warum dann mit deutlich kürzerer Anfechtungsfrist als für einen Ehemann? Sie drücken sich damit um die Begründung für etwas, was sich aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten schwer begründen lässt.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Mechthild Heil (CDU/CSU):

Gerne. – Im Endeffekt wissen Sie doch auch – deshalb haben Sie vielleicht ein schlechtes Gewissen –, dass Sie mit diesem schwer zu begründenden Anfechtungsrecht für die zweite Mutter ein optionales Wahlrecht schaffen würden, ob sie qua Geburt Mutter des Kindes ihrer Partnerin sein möchte oder vielleicht auch nicht. Deswegen freue ich mich mit Ihnen zusammen, dass wir das in den Ausschüssen weiter beraten können. Ich hoffe, dass wir da zu einer besseren Lösung kommen, als wir sie mit Ihrem Vorschlag vorliegen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)