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Gitta Connemann: Unsere ländlichen Räume sind Zukunftsräume und Kraftzentren

Rede in der Debatte zu gleichwertigen Lebensverhältnissen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Landlust oder Landfrust, Bullerbü oder Einöde: Der Blick aufs Land ist häufig sehr eindimensional, geprägt von Bilderbuchgeschichten oder aber Zerrbildern. Eines steht fest: Beides geht an der Realität vorbei. Das nervt die Menschen auf dem Land wie mich. Sie fühlen sich missachtet – von Planern, von Medien, von Politik. Für sie ist die Kommission, die eingesetzt worden ist, das Signal, dass die ländlichen Regionen zukünftig einen Logenplatz in Berlin haben werden – in der Regierung, lieber Herr Kollege Bartsch, aber auch darüber hinaus; denn in dieser Kommission werden Länder und Kommunen vertreten sein. Wenn Sie sich ein wenig besser informiert hätten, hätten Sie es gewusst. Vielleicht machen Sie das nächste Mal lieber Ihre Hausaufgaben, statt Versatzstücke zu zitieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir als Union haben für diese Kommission vor der Wahl gekämpft. Wir haben dafür gesorgt, dass diese Kommission im Koalitionsvertrag verankert worden ist. Denn für uns ist klar: Das Land gehört ins Rampenlicht. Wir wissen, dass unsere ländlichen Räume Zukunftsräume und Kraftzentren sind. Wir wissen übrigens aber auch, dass Land und Stadt zusammengehören. Deswegen warnen wir vor Konkurrenzdebatten. Jeder Bürger, egal wo er lebt, muss gleiche Chancen haben.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das haben Sie jahrelang verpasst!)

Wir wissen aber auch, dass die Lebensverhältnisse unterschiedlich sind; sie zersplittern, gerade auf dem Land. Es gibt ein tatsächliches Ungleichgewicht – und ein gefühltes. Dabei geht es übrigens nicht um Ost oder West, sondern am Ende geht es um die Frage von schrumpfenden und wachsenden Regionen. Denn zur Wahrheit gehört: Es gibt nicht nur den ländlichen Raum – Gott sei Dank –, aber es ist eben auch eine Herausforderung. Es gibt strukturelle Probleme, die sich überall gleichen, wie fehlender ÖPNV, fehlendes Breitband, fehlende Gesundheitsversorgung bzw. die Angst davor. Manche dieser Probleme sind älter, manche sind erst in den letzten Jahren entstanden.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Aber immer waren Sie an der Regierung!)

Auf etliche haben wir inzwischen reagiert – vielen Dank für Ihren Hinweis –, zum Beispiel mit Geldern, die wir für den Breitbandausbau zur Verfügung gestellt haben – eigentlich eine Aufgabe der Länder –, aber auch mit Gesetzen, die es ermöglichen, Telemedizin zu leben, die Zulassung von jungen Ärzten in Ländern attraktiv zu machen, und vieles mehr. Denn wir sind der Auffassung: Medizin, Bildung, Forschung, Mobilität, Mobilfunk müssen gewährleistet sein, und das flächendeckend. Wir sehen uns da in der Pflicht. Wir investieren auch. Das stellen unsere Bundesministerinnen und Bundesminister inzwischen Tag für Tag unter Beweis, zum Beispiel Julia Klöckner mit ihren Programmen wie dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung. Unsere Bundesministerin Anja Karliczek wird Abermilliarden für die Ertüchtigung von Schulen in ländlichen Regionen in die Hand nehmen. Unser Bundesinnen- und Heimatminister begleitet das rechtlich; denn diesen Rechtsrahmen brauchen wir auch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben diesen strukturellen Problemen gibt es aber regionale Unterschiede. In manchen Regionen erleben wir Wirtschaftskraft und Fachkräftemangel, in anderen Landflucht und Arbeitslosigkeit. Eines steht fest: Hier brauchen wir maßgeschneiderte Lösungen, keinen Zen­tralismus oder Dirigismus. Das hilft an dieser Stelle nicht. Wir brauchen Kommunen mit Freiräumen, die die Chance haben, eigene Lösungen auch zu leben, im Baurecht, bei Gewerbeansiedlungen. Das geht übrigens nur mit Öffnungsklauseln.

Ich komme zur Grundfrage an uns auch als Gesetzgeber: Sind wir am Ende bereit, diese Freiheit auch zu wagen, diese Autonomie zu wagen und den Menschen vor Ort etwas zuzutrauen? Das ist die Kernfrage. Ich kann es uns nur empfehlen. Denn die Menschen, die ich bei uns vor Ort, in den Ländern erlebe, das sind Menschen, die sich selbst helfen, die großartige Arbeit leisten, innovative Projekte umsetzen und den regionalen Zusammenhalt stärken. Häufig sind sie außerordentlich stark ehrenamtlich engagiert. Daher: Lassen Sie uns vertrauen! Trauen wir es ihnen zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])