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Farbe bekennen in einer bunten Welt 

Kongress der Unionsfraktion über den christlichen Kompass – Kooperation von Kirche und Staat unter der Lupe

In Fragen von Religion und Glauben gibt es seit Jahren mehrere Trends: Säkularisierung, Individualisierung und zunehmende Vielfalt. Die Wertordnung unseres Grundgesetzes ist jedoch maßgeblich von christlichen Überzeugungen geprägt. Auf einem Kongress mit Kirchenvertretern und Wissenschaftlern debattierte die Unionsfraktion unter dem Motto „Farbe bekennen statt Buntheit bejammern“ über den christlichen Kompass in einer pluralen Gesellschaft.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus nannte es unabdingbar, dass man sich der Rolle von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Staat und Gesellschaft vergewissere. Denn sie gäben Orientierung über den Tag hinaus – eine Orientierung, nach der die Menschen hungerten. 

Vielfalt ist Ausdruck der Freiheit

Beim Kongress wurde die „Zukunftstauglichkeit des Rahmens für Religionsgemeinschaften in unserem Land“ auf den Prüfstand gestellt, wie der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Hermann Gröhe, erklärte. Dabei brach er eine Lanze für die Vielfalt. In dem bunten Strauß an Möglichkeiten müsse einem nicht jede Farbe gefallen, doch sei „Pluralität Ausdruck der Freiheit des Menschen“. Er warb für Respekt gegenüber Andersgläubigen „um unseres christlichen Menschenbildes willen“. 

Kirche muss sich einmischen 

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht die Kirchen in einer aktiven gesellschaftlichen Rolle. „Es kann keine Kirche geben, die sich aus dem öffentlichen Raum heraushält und sich auf die Innerlichkeit zurückzieht“, sagte er.  Sie müsse die ethischen Grundfragen einer Gesellschaft thematisieren. Sie müsse sich einmischen. Insofern könne sie auch der Politik Rückenwind geben, wenn sie sich gegen herrschende Trends und Meinungen stemmen müsse. 

„Die bunte Welt bereichert“

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Franz-Josef Overbeck. „Die Orientierung am Menschen gehört zum Grundverständnis von Kirche“, sagte er. Angesichts von Säkularisierung und Pluralisierung sei der Rückzug auf althergebrachte Positionen, die Schutz verliehen, für die Kirchen ein „Irrweg“. Er führe in die „selbstgewählte Bedeutungslosigkeit“. Die „bunte Welt“ hingegen berge „Bereicherungspotenzial“. Overbeck stimmte Gröhe zu, indem er Freiheit einen „gesellschaftlichen Höchstwert“ nannte. 

Kooperationsmodell hat sich bewährt 

Die Frage, ob das seit hundert Jahren bestehende Verfassungsrecht, das die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften vorsieht, noch zeitgemäß sei, wurde in einer zweiten Runde debattiert. In den Augen des Staatskirchenrechtlers Hans Michael Heinig von der Georg-August-Universität Göttingen hat sich das System in seinen Grundkoordinaten bewährt. Es habe immer wieder „Suchbewegungen“ gegeben, wie das Recht auszulegen sei. Heinig empfahl auch heute, bei dem Kooperationsmodell zu bleiben und zu überlegen, wie man die Details ausbuchstabiere. 

Praktische Probleme angehen

Auch Katharina Jestaedt vom Kommissariat der deutschen Bischöfe sieht keinen verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf. Das Gerüst sei tragfähig und flexibel. Sie sprach sich stattdessen dafür aus, praktische Probleme anzugehen, etwa wie man den neuen Religionsgemeinschaften Teilhabe garantieren könne - im Bereich des Religionsunterrichts oder der Seelsorge. 

Verbriefte Rechte vorenthalten

Als Beispiel für die neue „Buntheit“ nannte der Direktor der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft der Goethe-Universität Frankfurt, Bekim Agai, den Islam. Wie man mit dem Islam umgehe, sei auch ein Lackmustest für alle anderen Religionsgemeinschaften. Der Staat habe ein Interesse daran, dass die Menschen ihre religiösen Bedürfnisse organisierten und so eine Heimat fänden. Auch Agai beklagte, dass Muslime im Grundgesetz verbriefte Rechte hätten wie Religionsunterricht oder Seelsorge, diese aber nicht bekämen. Heinig gab zu bedenken, dass auch die Religionsgemeinschaften nicht immer ausreichende Kooperationsbereitschaft zeigten.