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Dr. Mathias Middelberg: Direktwahlkreise in unserem Land sind ein ganz entscheidendes Bindeglied zwischen Bürger und Bundestag

Rede in der Aktuellen Stunde zur Entwicklung der Wahlrechtsreforn

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist völlig richtig: Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass wir ein handlungsfähiges Parlament haben, aber ich füge hinzu: auch ein Parlament, das bürgernah ist. Deswegen spielen die Direktwahl in den Direktwahlkreisen und die in diesen Wahlkreisen direkt verantwortlichen Abgeordneten

(Peter Heidt [FDP]: Bin ich nicht bürgernah? Was soll denn das?)

für uns als Union eine sehr große Rolle.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie erklären Sie das eigentlich Ihren eigenen Kollegen, die über die Zweitstimme gewählt wurden? Sind die nicht bürgernah?)

Die Repräsentanz und die Verortung der Abgeordneten werden eben gerade durch die Direktwahl vor Ort, auch durch das System von zwei Stimmen mit einer Erststimme als Kandidatenstimme, ausgedrückt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen – und das sage ich auch an Ihre Adresse, Herr Kollege Kuhle – würde ich es etwas anders sehen: Die Personalisierung des Verhältniswahlrechts spielt schon eine andere Rolle; es geht nicht allein um eine Verzierung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt, dass die Personalisierung des Verhältniswahlrechts auch dazu führen kann, dass es Überhangmandate gibt, auch Überhangmandate, die nicht ausgeglichen werden. – Das nur mal als Bemerkung vorweg. Personalisierung ist kein Verzierungsfaktor eines Verhältniswahlrechts, sondern es ist ein Faktor, der sich am Ende auch im Ergebnis ausdrücken darf.

(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Aber nur bei einem unbeabsichtigten Ausgleich der Überhangmandate! Nicht einem beabsichtigten!)

Ich sage gerade in Richtung FDP – weil das von Ihnen in besonderer Weise strapaziert wurde und weil es Teil Ihres Vorschlags ist –: Die Zahl der Mandate hier um 50 abzusenken, ist ein ziemlich gewaltiger Eingriff; denn es schmälert durchaus die Verbindung zwischen dem Parlament, den Abgeordneten, und den Bürgern, wenn wir die Zahl der Wahlkreise verringern, wenn wir die Wahlkreise ausdehnen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie tun wieder so, als wären die Listenabgeordneten nicht vor Ort! Das stimmt aber nicht!)

Ich zitiere mal den Kollegen Ruppert, der, glaube ich, vor zwei Wochen aus Ihrer Truppe ausgeschieden ist und der hier vor neun Jahren an diesem Pult erklärt hat:

Der Vorschlag, … die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren, ist vielleicht gut gemeint,

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist unanständig! Das hat er in der letzten Aktuellen Stunde schon eingeordnet! Jemanden an die Wand zu stellen, der sich nicht wehren kann, ist unanständig!)

… wäre aber eine Verschlimmbesserung. Denn die Direktwahlkreise in unserem Land sind ein ganz entscheidendes Bindeglied zwischen Bürger und Bundestag.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Unanständig ist das!)

Die Direktwahlkreise sind das Fundament für die Akzeptanz und Bürgernähe unserer Politik. Eine Verringerung der Zahl der Direktwahlkreise würde zu weniger Bürgernähe führen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Stefan Ruppert ist einer der Architekten unseres Vorschlags!)

– Ja, darüber müssen Sie sich dann aber mit Ihrem Kollegen auseinandersetzen.

Der Kollege Heveling hat hier eben die vernünftigen Ideen aus unserer Fraktion vorgetragen. Ich finde, man kann darüber sprechen. Und ich sage ganz offen: Da ist ein gewisser Diskussionsbedarf, durchaus auch in unserer Fraktion. Aber ich persönlich bin der Meinung: Man kann durchaus über eine moderate Reduzierung der Zahl der Wahlkreise sprechen. Aber sie muss eben moderat sein.

Wir können auch durchaus über das Zuteilungsverfahren sprechen. Aber auch beim Zuteilungsverfahren ist es natürlich von Bedeutung, dass es zu einem gewissen regionalen Ausgleich kommen muss. Also auch da kann man was machen, aber in moderater Weise.

Ich finde aber auch, wir können auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rücksicht nehmen. Und das Verfassungsgericht hat eben gesagt: Bis zu 15 Überhangmandate sind okay.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wir erwarten Ihren Gesetzentwurf!)

Diesen Punkt vermisse ich in Ihrem Vorschlag leider völlig.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie mal was vor!)

Und jetzt sage ich Ihnen zum Schluss etwas zu dem Thema Obergrenze. Es ist ja von verschiedenen Beteiligten hier ausgeführt worden. Frau Breymaier, Sie haben ja beispielsweise das Thema Obergrenze angesprochen und zu dem Vorschlag, dann zu kappen, gesagt: Am Ende geht es nur, dass alle Mandate, die über der Obergrenze sind, gekappt werden. Damit – das sage ich ganz ehrlich – würde ich mich ganz besonders schwertun, und zwar nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ich hielte es nicht nur für verfassungsrechtlich ausgesprochen problematisch; ich glaube auch, es wäre ein gewaltiger Schaden für unsere Demokratie. Personalisiertes Verhältniswahlrecht wäre dann eigentlich ziemlich ad acta gelegt. Vor allen Dingen wäre es aber ein gewaltiger Schaden für unsere Demokratie, weil dann der ganze Wahlkampf zwischen Bewerbern vor Ort leidet – das, was wirklich vor Ort stattfindet –, auch die Identifikation von Wählern, die dann noch eine Erststimme abgeben dürfen. Dann müssten wir eigentlich gleich darüber reden, die Erststimme wegzunehmen; denn sie macht dann keinen Sinn mehr. Wenn wir aber den Wettbewerb vor Ort haben und dann einer in diesem Wettbewerb als Bester abschneidet, dann – das sage ich Ihnen ganz ehrlich – erwarten nach ganz normalem Menschenverstand die Leute vor Ort, dass derjenige, der in ihrem Wahlkreis als Bester abgeschnitten hat, für sie nach Berlin zieht und sie hier in diesem Parlament vertritt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie ein solches Modell mit Obergrenze und Kappung dieser Mandate einführen würden, dann wäre das wirklich der Maximalschaden für unsere Demokratie. Also, lassen Sie uns über die vernünftigen Vorschläge reden, die der Kollege Heveling hier gemacht hat. Dann haben wir eine gute Gesprächsgrundlage.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)