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Dr. Mathias Middelberg: Die Anonymität der Betroffenen ist überhaupt nicht gefährdet

Rede zum Thema automatisierte Gesichtserkennung

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Hier sind zum Schluss ganz heftige Kanonen aufgefahren worden. „Instrumente der Diktatur“, „Überwachungsstaat“, „Orwell“, „Verhältnisse wie in China“, wo die Leute wirklich den ganzen Tag abgescannt werden, wo Benimmpunkte vergeben werden, wenn man über eine rote Ampel läuft – all das ist Schwachsinn und hat mit dem, was wir heute diskutieren, rein gar nichts zu tun, um das mal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will mal beim ersten Punkt anfangen. Die FDP schreibt in ihrem Antrag, es gehe hier um die Anonymität der Betroffenen. Die Anonymität der Betroffenen ist überhaupt nicht gefährdet; sie ist gar nicht infrage gestellt.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Kfz-Kennzeichen!)

Ich möchte allen Zuschauern hier und auch im Fernsehen deutlich machen, worum es geht: Hinterlegt ist eine Referenzdatenbank – das wurde eben schon erwähnt –; das ist gewissermaßen eine Verbrecherdateikartei mit Verbrechergesichtern.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Wie sehen die denn aus?)

Da sind die Verbrechergesichter von Schwerstkriminellen, von Terroristen und Gefährdern, die wir in Deutschland dringend suchen, gespeichert.

Jetzt stellen wir Kameras auf,

(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Die stehen schon!)

nicht flächendeckend in der Republik, sondern nur an Bahnhöfen und an großen Flughäfen, also ganz begrenzt und klar geregelt. Die Passanten, die wie Sie und ich und alle die, die hier im Raum sitzen, beispielsweise in Berlin durch den Bahnhof marschieren, werden von diesen Kameras ganz kurz biometrisch abgescannt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur ganz kurz!)

– Jetzt werden Sie alle unruhig, weil es mal einer vernünftig erklärt. Hören Sie einfach mal zu!

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist lächerlich!)

Die Gesichter aller unbescholtenen Passanten wie von Ihnen, vielleicht auch von mir

(Konstantin Kuhle [FDP]: Wer weiß!)

werden kurz abgescannt und mit den Gesichtern, die wir in dieser Schwerstverbrecherkartei haben, verglichen. Wenn es keinen Treffer gibt – das wird bei uns allen der Fall sein –, dann passiert rein gar nichts.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Wir haben doch gerade Immunitäten aufgehoben! – Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Herr von Notz, hören Sie doch einmal zu. Ich habe Ihnen eben auch zugehört, habe Sie nicht unterbrochen und habe auch nicht dazwischengerufen.

Ihr Gesicht, Herr von Notz, wird, wenn Sie durch den Bahnhof laufen, biometrisch gescannt und Sekunden später gelöscht.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sekunden!)

Da wird nichts erfasst. Es wird keiner registriert, es wird niemand identifiziert.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Alle! Alle werden erfasst!)

Keine Anonymität ist in Gefahr. Das ist alles Käse, was Sie hier erzählt haben. Ich sage es ganz deutlich: Das ist alles Blödsinn.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist doch so, dass der Eingriff jetzt schon stärker ist. Wenn wir uns hier in Berlin in die BVG-Straßenbahn begeben, dann werden Videoaufnahmen von Ihnen, von uns gemacht. Es ist nicht jedes Gesicht erkennbar,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht biometrisch!)

aber manche Gesichter sind durchaus gut erkennbar.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Sie kopieren doch nicht alle Personalausweise! Das ist gaga!)

Diese Videoaufnahmen sind rechtlich völlig in Ordnung. Sie werden ungefähr 10 oder 14 Tage gespeichert, also noch viel länger als in dem eben beschriebenen Fall der biometrischen Gesichtserkennung.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht biometrisch!)

Das ist unzweifelhaft zulässig und schon jetzt geltende Praxis an vielen Standorten in Deutschland und in vielen Straßenbahnen. Was Sie, Herr von Notz, hier erzählt haben – auch zum Thema Clearview; es würden massenhaft Daten gesammelt und in irgendwelchen Datenbanken gespeichert –, ist alles Quatsch.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das verstehen Sie doch gar nicht!)

Diese Datenbanken – die Referenzdatenbank der Schwerverbrecher und Terroristen – haben wir jetzt schon. Die dürfen wir auch auf gesicherter Rechtsgrundlage haben.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Klar!)

Auf der Grundlage dieser Bilder kontrollieren Polizeibeamte – sie müssen all diese Bilder im Kopf haben – jetzt schon auf Straßen, Plätzen und in Bahnhöfen, und das ist gut so.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist doch gut so! Anlassbezogen!)

– Richtig, Herr Kollege Kuhle. Das ist gut so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Augen dieser Polizeibeamten – das ist der ganze Vorgang, um den es geht – ersetzen wir jetzt durch intelligente Kameratechnik.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist so naiv!)

Darum geht es und um nichts anderes. Das heißt, wir kontrollieren ja bisher schon. Wir machen bisher schon einen Gesichtsabgleich. Das machen wir jetzt mit einem technischen Verfahren. Ich sage Ihnen – Stichwort: Fehlerquote, Herr Kuhle –:

(Konstantin Kuhle [FDP]: 2 300!)

Die Fehlerquote, wenn sich ein Polizeibeamter Gesichter anguckt, ist im Zweifel viel höher.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Er wird am Ende denken, der Kollege Grosse-Brömer könnte doch der sein, den wir suchen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vorsicht!)

– Ich habe extra einen aus unserer Fraktion ausgesucht. – Dann wird er Herrn Grosse-Brömer kontrollieren, wird sich nett mit ihm unterhalten und wird sagen: Das ist gar nicht der gesuchte Schwerverbrecher.

(Konstantin Kuhle [FDP], an den Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] gewandt: Verbrechergesicht!)

Wir suchen einen anderen. – Dann wird sich der Kollege Grosse-Brömer bedanken und sagen: Klasse, es ist ein Sicherheitsvorteil hier in Deutschland, dass wir solche Systeme haben, die uns die Möglichkeit geben, Mörder, Serienvergewaltiger und Terroristen aus dem Verkehr zu ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen: Das werden die Leute hier im Land als großen Sicherheitsgewinn verstehen.

Noch eine letzte Bemerkung. Was mir wirklich auf die Mütze geht – das sage ich Ihnen komplett auf der linken Seite –: Sie problematisieren das Thema Datenschutz immer im Zusammenhang damit, dass im Zweifel unsere Polizei

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, auch in anderen Zusammenhängen! Das ist auch Quatsch!)

das eine oder andere Datum mehr oder weniger erfasst oder gespeichert hat und unter Umständen dabei jemand zu Unrecht in Verdacht gerät. Das ist ein Problemfall, das ist ein Dateneingriff. Wir alle können darüber sprechen, wie wir dies regeln und kontrollieren. Aber die eigentliche Bedrohung für unsere Datensouveränität, für unsere privaten Daten, für jeden von uns liegt ganz woanders.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Clearview zum Beispiel!)

Die liegt bei den großen Datenkraken in den USA oder sonst wo.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, Clearview!)

Die liegt bei Facebook, bei Google, bei Instagram. Da liegen die Probleme. Die sind in Zukunft in der Lage, ganze Bewegungsprofile von uns zu erstellen. Das ist das eigentliche Risiko, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie ja auch nicht!)

Wir müssen die entsprechenden Rechte haben, dass diese Daten kontrolliert und gelöscht werden.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Das ist die eigentliche Gefahr. Hinzu kommen künftig möglicherweise Gefahren aus Russland oder China. Das sind die Gefahren für unseren Datenbestand, aber nicht, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte.

 

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

– dass der eine oder andere Polizist aus Versehen jemanden kontrolliert, der nachher kein Schwerverbrecher ist. Es ist im Gegenteil ein Sicherheitsgewinn, wenn am Ende auch nur einer dieser Schwerstkriminellen aus dem Verkehr gezogen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)