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Dr. Mathias Middelberg: Der Reichstag ist das Symbol der Demokratie, unserer Republik, unseres ganzen Volkes

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zur Extremismusbekämpfung

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt schon viel Richtiges gesagt worden in dieser Debatte; dafür möchte ich mich auch mal bedanken. Es haben sich einige kluge Redner geäußert.

(Beatrix von Storch [AfD]: Vielen Dank!)

– Sie waren ausdrücklich nicht gemeint, Frau von Storch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe aber von unserer Bundesjustizministerin, von unserem Staatssekretär Dr. Krings und auch gerade von Frau Teuteberg viel Kluges und Treffendes, finde ich, zur Analyse der Sachverhalte gehört, auch von meinem Kollegen Thorsten Frei, dem ich mich ausdrücklich anschließe. Dazu, was die Bewertung und Analyse der Ereignisse rund um die Demonstrationen, die Anticoronademos, hier in Berlin angeht, ist viel Zutreffendes gesagt worden, ebenso dazu, was die Vorgänge in Leipzig angeht.

Ich will an einen Punkt, der mir besonders wichtig ist, erinnern. Zu den Vorgängen in Berlin hat sich gestern ausdrücklich auch der Bundestagspräsident geäußert und einen zentralen Punkt angesprochen: die Frage des Reichstages als Symbol unserer freiheitlichen Demokratie und dass dieser sakrosankt sein muss. Wir dürfen deshalb nicht zulassen, hat Wolfgang Schäuble gestern gesagt, dass er als bloße Kulisse missbraucht wird, und das gilt ausnahmslos für alle Versuche, das Haus plakativ zu instrumentalisieren. Ob mit Fahnen, Flugschriften oder Transparenten: Wer hier nach Inhalten – das ist der entscheidende Punkt – unterscheiden will, macht sich unglaubwürdig und schadet uns allen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Linda Teuteberg [FDP])

Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob man persönlich, ob der eine oder andere von uns diese Inhalte als positiv oder negativ oder gut oder schlecht oder wie auch immer bewertet. Dieses Haus darf nicht, schon gar nicht für extremistische, aber auch nicht für parteipolitische oder sonstige irgendwie positionierte Zwecke, missbraucht werden. Es ist das Symbol der Demokratie, unserer Republik, unseres ganzen Volkes. Das muss es sein, und insofern ist es sakrosankt.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

– Davon haben Sie sich eben nicht klar distanziert, Frau von Storch.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will sie ja auch gar nicht!)

Deswegen habe ich den Punkt hier extra noch mal angesprochen.

Wir haben vor einigen Jahren auch andere Inanspruchnahmen dieses Hauses von anderer politischer Seite gehabt. Ich möchte daran erinnern, dass es auch solche politischen Inanspruchnahmen nicht geben darf. Wir hatten Antiatomkraftdemos und andere. Da sind die Leute auch durch die Absperrungen gelaufen, haben sich auch auf die Treppe gesetzt, haben gelbe Antiatomkraftdemofahnen geschwenkt und anderes. Auch das hat da nichts verloren.

(Jürgen Braun [AfD]: Extinction Rebellion kam mitten in der Abstimmung!)

– Das ist ja alles erwähnt worden, und deswegen war es mir wichtig, das deutlich zu machen. Sie haben, glaube ich, immer noch nicht begriffen, dass der Inhalt ja eben gerade keine Rolle spielt, sondern wir uns in jedem Fall von diesen Vorgängen distanzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das muss der Konsens in diesem Haus sein.

Es ist auch das Richtige gesagt worden zu den Vorgängen in Leipzig. Ich hätte mir, Herr Pellmann, von Ihnen noch etwas klarere Worte gewünscht; das muss ich ehrlicherweise zugeben. Aber immerhin: Es gibt auch Vorgänge, wo die Linksjugend Sticker verteilt hat mit dem Satz: „Advent, Advent, ein Bulle brennt“. Ich sage ganz ehrlich: Ich kenne die Hintergründe dieses Liedes und was da im Einzelnen dahintersteckt, gar nicht. Ich finde nur: Dieser Satz an sich beinhaltet schon etwas Menschenverachtendes.

(Beifall des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])

Ein Bulle soll da brennen. Die Polizeibeamten werden entmenschlicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das ist schon der Beginn einer jeden Radikalisierung. Ich kann nur sagen: Ich wünsche mir in Zukunft – ich sage das ganz freundlich –, dass Sie sich von solchen Vorgängen sofort und ganz entschieden distanzieren. Das würde ich mir wirklich wünschen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Da ist jede Grenze überschritten. Stellen Sie sich mal vor, da würde irgendeine andere Jugend Sticker verteilen mit der Aufschrift: „Advent, Advent, ein Flüchtling brennt“. Dann wären wir, glaube ich, alle hier im Haus einer Meinung:

Das ist widerlich. Das ist ekelhaft. Das darf es auf keinen Fall in diesem Lande geben.

(Beatrix von Storch [AfD]: Vollkommen richtig! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Genau! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie wissen schon, dass es so was gibt in abgewandelter Form?)

Mein letzter Punkt ist ein ganz allgemeiner Gedanke, den ich aussprechen möchte, und zwar geht es mir um folgenden Punkt: Wir erleben die Radikalisierung von links und von rechts. Ich glaube, wir erleben auch einen Verlust – das vermute ich jedenfalls dahinter – der Wertschätzung gegenüber unserem Land, gegenüber den Werten dieses Landes, gegenüber unserer Demokratie, dem Rechtsstaat und der Freiheit. Vielleicht haben hier einige nach über 70 Jahren in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit es nicht mehr so ganz im Film, dass diese Dinge wirklich was wert sind.

Fragen wir vielleicht mal die Menschen in Minsk, die da jetzt auf den Straßen unterwegs sind und für ihre Rechte kämpfen. Die kämpfen nämlich dafür, dass sie überhaupt frei ihre Meinung sagen dürfen. Die kämpfen dafür, dass sie demnächst frei wählen dürfen. Die kämpfen für die Werte und die Rechte, die diesen Staat ausmachen. Das gilt genauso für die jungen Menschen, die in Hongkong auf der Straße sind, jetzt von Polizisten verhaftet werden, Angst haben und sich fragen müssen: Kann ich überhaupt auf die Straße gehen, oder werde ich demnächst für viele Jahre eingebuchtet?

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Oder in Chile!)

Wir können noch andere Standorte nennen, aber darauf kommt es gar nicht an.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

 

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident. – Der Gedanke, den ich dabei habe, ist folgender: Unsere freiheitlichen Rechte – Demokratie, Rechtsstaat, Freiheitlichkeit – werden geschützt von unseren Polizeibeamten, von unseren Kräften in der Justiz, aber auch von vielen anderen, die da im staatlichen Dienst tätig sind. Deren Dienst sollten wir wirklich hochachten, und wir sollten uns davor hüten, diese Gruppen, auch gerade die Polizei, in irgendeiner Weise kollektiv zu verunglimpfen. Das ist in meinen Augen ein wichtiges Anliegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)