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Dr. Jan-Marco Luczak: Wirtschaftskriminalität muss effektiv verfolgt und effektiv geahndet werden

Rede zum Unternehmensstrafrecht

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines ist natürlich völlig klar: Unternehmen müssen sich an Regeln halten. Recht und Gesetz sind für jedermann verbindlich – auch für Unternehmen. Das ist eine ganz bare Selbstverständlichkeit.

Genauso selbstverständlich ist es, dass Verstöße gegen Regeln sanktioniert werden müssen. Das ist ganz klar; denn eine Rechtsordnung, die die durch sie statuierten Rechte und Pflichten nicht durchsetzt, entwertet sich am Ende selbst. Eine Rechtsordnung bedarf deswegen auch eines effektiven Sanktionsinstrumentariums, weil die Akzeptanz derjenigen, die sich an die Rechtsordnung zu halten haben, nur dadurch aufrechterhalten werden kann. Deswegen ist die Verteidigung unserer Rechtsordnung – das sage ich jetzt auch mal als jemand, der in einer Rechtsstaatspartei wie der Union ist; wir fühlen uns hier ganz besonders verpflichtet – ganz in unserem Sinne.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das, was jetzt die Linken vorschlagen, ist aber nun wirklich der völlig falsche Weg, weil sie nämlich ein Unternehmensstrafrecht vorschlagen. Wenn Sie sich mal die Dogmatik unseres Strafgesetzbuches anschauen – im Übrigen nicht nur die unseres Strafgesetzbuches, sondern schauen Sie sich auch mal an, welches Menschenbild unserem Grundgesetz zugrunde liegt –, dann sehen Sie,

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Haben sie nichts von gehört!)

dass eine Sanktionierung im Strafrecht als Ultima Ratio eine persönliche Verantwortung und individuelle Schuld voraussetzt. Das ist in § 17 unseres Strafgesetzbuches als grundlegendes strafrechtliches, aber eben auch verfassungsrechtlich fundiertes Prinzip manifestiert. Ohne eine zweifelsfrei nachgewiesene individuelle Schuld gibt es keine Strafbarkeit.

Herr Kollege, Sie haben es vorhin selber gesagt: Unternehmen sind keine natürlichen Personen. Und weil Unternehmen keine natürlichen Personen sind, können sie aufgrund dieses grundlegenden strafrechtlichen Prinzips auch nicht mit Strafe bedroht werden. Das ist mit unseren verfassungsrechtlichen Prinzipien nicht vereinbar, und alleine schon deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist allenfalls eine Mindermeinung, die Sie vertreten!)

Ich finde es aber bemerkenswert – das muss man an dieser Stelle ja schon mal sagen –, dass Die Linke hier so sehr auf das Instrument Strafrecht pocht. Ich kann mich noch an sehr viele Debatten hier im Hohen Hause erinnern, zum Beispiel, als wir die Einbruchskriminalität zu einem Verbrechenstatbestand hochgestuft haben, weil wir gesagt haben: Das ist schon etwas, bei dem wir die höhere Strafe ein Stück weit als Abschreckung brauchen. – Sie haben damals gesagt: Ach, das ist doch alles großer Blödsinn. Das Strafrecht hat doch keine abschreckende Wirkung.

(Sebastian Steineke [CDU/CSU]: So ist es!)

Gucken Sie sich jetzt doch mal Ihren Antrag an. Da argumentieren Sie genau so: Das Strafrecht habe eine abschreckende Wirkung, und deswegen müsse man das jetzt für Unternehmen einführen. – Sie messen mit zweierlei Maß. Das ist unglaubwürdig, liebe Kollegen von den Linken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: „Ordnungswidrigkeitenrecht“ steht im Antrag! Bitte genau lesen!)

Richtig ist natürlich, dass wir Handlungsbedarf haben. Sie haben die momentane Regelung im Ordnungswidrigkeitengesetz genannt. Das alles ist manchmal sehr komplex und wird den Umfängen der Verfehlungen auch nicht gerecht. Ein Problem ist zum Beispiel manchmal, dass die Zuständigkeit beim Amtsgericht liegt. Ich glaube, hier müssen wir etwas tun, und deswegen haben wir im Koalitionsvertrag ja genau das aufgegriffen und gesagt: Wirtschaftskriminalität muss effektiv verfolgt und effektiv geahndet werden.

Wir werden – Sie müssen gar nicht so ungeduldig sein – einen Gesetzentwurf vorlegen.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann? – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr schön! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir als Grüne in der letzten Legislatur schon eingebracht! Wann kommt denn endlich was von Ihnen?)

Wir haben das Justizministerium gehört und erwarten diesen Gesetzentwurf im Frühsommer. Das wird also nicht mehr allzu lange dauern.

Die Frage ist jetzt: Was wollen wir in diesem Gesetzentwurf regeln? Ich habe es gerade gesagt: Wir wollen keine strafrechtliche Regelung. Wir als Union wollen auch nicht ein Gesetz, das die Sanktion in den Mittelpunkt stellt, sondern unser Ziel bei einem solchen Gesetz muss doch sein, dass sich die Unternehmen zukünftig rechtstreu, compliant verhalten.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn sonst?)

Deswegen müssen wir in diesem Gesetz Anreize dafür schaffen, dass die Unternehmen kooperieren, Anreize, wie etwa in der US-amerikanischen Doktrin des Good Corporate Citizen. Wir müssen sie dazu anhalten, dass sie sich zukünftig rechtstreu verhalten, und wollen mit diesem Gesetz nicht repressiv, sondern präventiv vorgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sören Pellmann [DIE LINKE]: Da sind wir gespannt!)

Damit wir das am Ende erreichen, müssen wir effektive Compliance-Maßnahmen von den Unternehmen einfordern, sodass die Kooperation am Ende auch gelingen kann. Wir fordern das, sagen aber: Wir belohnen das am Ende auch. Wenn die Unternehmen kooperieren und effektive Compliance-Maßnahmen einführen, dann soll es dafür auch einen Bonus geben;

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Bonus?)

das soll bei der Strafzumessung am Ende berücksichtigt werden.

Ich will jetzt noch mal etwas zu den Sanktionen sagen – Sie haben in Ihrem Antrag ja auch was dazu geschrieben –: Natürlich darf es am Ende keine unverhältnismäßigen Sanktionen und auch keine sinnwidrigen Sanktionen geben. Wir wollen auch keinen modernen Pranger, dass also Unternehmen in öffentlichen Registern angeprangert werden, sodass sie möglicherweise schon in einem Verfahrensstadium, in dem sich noch gar nicht herausgestellt hat, ob sie wirklich eine Verfehlung begangen haben, einen Ansehensverlust erleiden.

Deswegen müssen am Ende die Rechtssicherheit und die Praxistauglichkeit dieses Gesetzes sowie vor allen Dingen der ganz wichtige Bereich der Internal Investigations – das gehört mit den Sanktionen zusammen; hier besteht ein immanenter Zusammenhang – im Vordergrund stehen. Wir wollen, dass Unternehmen aufklären, dass sie kooperieren. Dann müssen wir ihnen aber auch als Subjekte des Verfahrens Beschuldigtenrechte geben. Das ist ein Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, des Gebots des Fair Trial. Sie brauchen eine starke Verfahrensstellung.

Dann müssen wir uns auch das anschauen, was das Bundesverfassungsgericht jetzt gesagt hat, dass es nämlich keine Beschlagnahmefreiheit gebe. Die Frage ist, ob das richtig ist.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klar!)

Ich glaube, interne Untersuchungen funktionieren am Ende nicht, wenn die Unternehmen Gefahr laufen, dass am Ende die Staatsanwaltschaft kommt und alle Unterlagen beschlagnahmt.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Noch einmal: Deswegen ist unser Ziel: Kooperation, Anreize dafür schaffen, Compliance-Systeme honorieren. Dann kann es am Ende eine effektive Maßnahme werden, damit sich Unternehmen rechtstreu verhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit tun Sie niemandem weh!)