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Dr. Jan-Marco Luczak: Die Dinge, die im Netz passieren, sind heute schon an vielen Stellen strafbar

Redebeitrag zu Rechtsextremismus und Hasskriminalität

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Anonymität des Netzes finden wir ganz oft den Nährboden für Hass und Hetze, für Beleidigungen, für Bedrohungen und für andere ganz furchtbare Dinge wie Kinderpornografie. Die Worte, die wir dort lesen, werden dann leider oftmals auch zu Taten. Wir mussten das in den letzten Monaten, in den letzten Jahren erleben. Daraus folgen manchmal eben auch Anschläge, wie wir sie in Halle und in Hanau erleben mussten, oder auch die Ermordung von Walter Lübcke, deren gerichtliche Aufarbeitung jetzt gerade begonnen hat.

Wir sagen ganz klar – und ich glaube, das eint uns, jedenfalls die allermeisten, Herr Kollege Brandner –, dass wir das nicht hinnehmen können. Denn diese Verrohung, die wir im Netz erleben, ist wirklich eine Bedrohung für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Ganz anders als Sie, Herr Kollege Brandner, es sagen, werden hier nicht etwa irgendwelche Meinungen unterdrückt, sondern es geht, ganz im Gegenteil, darum, die Meinungsfreiheit im Netz zu schützen.

(Ingmar Jung [CDU/CSU]: So ist es!)

Denn was passiert? Wenn Menschen ihre Meinung im Netz äußern, dann werden sie angegriffen, dann werden sie mit schlimmsten Straftaten bedroht; es wird versucht, sie mundtot zu machen. Und dies behindert gerade das, was wir in unserer offenen Gesellschaft brauchen, nämlich einen freien und offenen Diskurs. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir jetzt dieses Gesetz auf den Weg bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir machen im Kern drei Dinge. Zum einen geht es darum, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz genau an die schlimmen Dinge, die wir in den sozialen Netzwerken erleben, anzupassen. Wir sagen: Wenn bei  Facebook, bei Twitter und auf anderen Plattformen strafrechtlich inkriminierte Vorgänge auftreten, also schwere Straftaten begangen werden – nicht irgendwelche Sachen, über deren strafrechtliche Relevanz man streiten kann, sondern wirklich schwere Straftaten –, dann sollen die Netzwerkbetreiber verpflichtet sein, die entsprechenden Inhalte dem Bundeskriminalamt zu melden und vor allen Dingen auch die Daten an das BKA auszuleiten, die notwendig sind, um die Täter zu identifizieren, damit sie am Ende auch bestraft werden können. Denn das ist doch momentan das Problem: Die Dinge, die im Netz passieren, sind heute schon an vielen Stellen strafbar; wir werden der Täter nur nicht habhaft. Das werden wir mit diesen Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ändern. Zukünftig muss gemeldet werden. Das BKA kann an  die Staatsanwaltschaften weiterleiten. Dort kann man die Täter identifizieren, und dann werden sie auch bestraft. Deswegen ist es ein gutes und ein richtiges Gesetz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit das am Ende auch funktioniert, nehmen wir im Strafrecht eine ganze Reihe von Änderungen im materiell-rechtlichen Bereich vor. Es ist hier angesprochen worden; das brauche ich im Detail gar nicht mehr zu wiederholen. Es geht darum, dass wir den Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens erweitern. Denn wir sagen: Es ist nicht hinnehmbar, wenn mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gedroht wird, wenn jemand mit Vergewaltigung bedroht wird. Das muss selbstverständlich strafrechtlich erfasst werden. Aber es geht auch um solche Dinge: Wenn gesagt wird: „Ich komme und breche dir beide Beine“, dann ist das bislang nicht vom Bedrohungstatbestand erfasst. Es ist gut und richtig, dass wir an der Stelle nachschärfen.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Luczak, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der AfD?

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Ja, selbstverständlich, immer gerne.

Martin Sichert (AfD):

Herr Luczak, vielen Dank. – Sie haben vorhin gesagt, dass es nur um wirklich schwere Straftaten geht. Sie wollen aber jetzt mit diesem Gesetzentwurf neue Straftatbestände in Deutschland einführen.

(Ingmar Jung [CDU/CSU]: Welche neuen Straftatbestände?)

Das heißt, Sie wollen die Meinungsfreiheit noch deutlich stärker einschränken, als sie bisher schon eingeschränkt ist. Wie passt denn das zusammen?

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Ich weiß nicht, welche neuen Straftatbestände Sie, Herr Kollege, meinen. Was wir tun, ist, bestehende Straftatbestände zu verändern, sie zu schärfen, weil wir in der Tat sehen, dass das, was dort auf Facebook, auf Twitter passiert – ich habe ja gerade die Beispiele genannt, dass jemand sagt: „Ich breche dir beide Beine“, oder jemandem mit Vergewaltigung gedroht wird –, bisher strafrechtlich nicht vernünftig erfasst war. Deswegen sagen wir: Das kann so nicht bleiben; denn es ist der Versuch, die Menschen, die in den sozialen Netzwerken agieren und dort einen offenen Diskurs führen wollen, mit sol chen Bedrohungen, mit solchen Einschüchterungen mundtot zu machen. Das nehmen wir nicht hin. Und deswegen nehmen wir in der Tat auch Veränderungen am materiellen Strafrecht vor. Das ist an dieser Stelle auch richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein letzter Punkt, den ich an dieser Stelle ansprechen möchte, der für uns als Unionsfraktion auch noch ganz wichtig ist. Es geht nicht nur darum, das materielle Strafrecht zu ändern, sondern wir müssen natürlich auch die Ermittlungsbehörden, die Polizeien, die Staatsanwaltschaften in die Lage versetzen, entsprechend effektiv agieren zu können. Wir haben momentan die Situation, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bei den sozialen Netzwerken die Daten abfragen können. Das machen  sie auf Grundlage der polizeilichen Generalklauseln, §§ 161, 163 StPO. Das funktioniert gut; da gibt es auch keinerlei Beschwerden. Es gibt an dieser Stelle auch keine verfassungsrechtlichen Probleme; das ist alles vom Bundesverfassungsgericht ausgeurteilt.

Jetzt geht das Gesetz aber hin und erschwert die Ermittlungen, indem dort ein Richtervorbehalt eingeführt wird. Da kann man jetzt sagen, verfassungsrechtlich sei das vielleicht doch geboten; da kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Wir als Union sagen aber: Wir sind da sehr kritisch – wir müssen uns sehr genau anschauen, ob wir hier nicht zusätzliche Hürden implementieren, die am Ende dazu führen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen behindert werden. Deswegen haben wir – letzter Punkt – in dieses Gesetz noch eine Klausel zur Evaluation eingeführt. Wir werden uns sehr genau anschauen, ob dieses Gesetz in der Praxis funktioniert oder ob es Staatsanwaltschaft und Polizei behindert.

Unter dem Strich ist das Gesetz dennoch ein großer Schritt, um unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung auch im Netz zu schützen. Unser Rechtsstaat gilt, digital und real, und das setzen wir mit diesem Gesetz um.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])