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Christoph de Vries: Unsere Demokratie, unser Rechtsstaat ist wehrhaft

Rede zur untrennbaren Verbindung des Scharia mit dem Islam

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eines zu Beginn feststellen: Der Antrag der AfD ist inhaltlich komplett wirr, er lässt jede konkrete politische Forderung vollständig vermissen, und er ist gesellschaftspolitisch destruktiv und feindselig. Das muss vorab erst einmal gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine grundsätzliche Bemerkung zum Verfahren – das wurde schon angesprochen –: Wir erleben es jetzt zum wiederholten Male, dass wichtige gesellschaftspolitische und verfassungsrelevante Themen einen Tag vor der Beratung eingebracht werden. Ich habe noch mal nachgeschaut: Ihre Mail ist am Dienstagabend angekommen, als kein Büro mehr besetzt war.

(Stephan Protschka [AfD]: Und? Heute haben wir Donnerstag! Das war also 24 Stunden vorher! Was macht ihr denn den ganzen Tag?)

Faktisch haben wir es einen Tag vorher gehabt. Herr Baumann, das ist nicht nur höchst unprofessionell, sondern das ist auch ein Zeichen mangelnden Respekts dem Parlament gegenüber. Wer Parlamentsarbeit so dilettantisch betreibt, der darf sich auch nicht über kräftigen Gegenwind hier aus dem Parlament wundern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Protschka [AfD]: Wir haben von euch gelernt! Ihr habt es uns ja so vorgemacht!)

– Von uns können Sie noch eine Menge lernen; da haben Sie recht.

Nun könnte man ja denken: Sie haben lange gebraucht, also: Was lange währt, wird endlich gut. Aber weit gefehlt! Wenn wir auf Ihr dürftiges Petitum schauen, stellen wir fest: Es erschöpft sich allein in der Aufforderung an die Bundesregierung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung gesetzeswidriger Koraninhalte zu unterbinden. Da fragen wir uns wirklich: Ist das alles, was Ihnen als Antragsteller dazu einfällt? Ist das Ihre politische Alternative? Eines kann ich Ihnen jedenfalls versichern: Wir tun das schon lange, meine Damen und Herren.

(Stephan Protschka [AfD]: Ach ja? Wo denn?)

Die deutschen Bundesregierungen gehen seit vielen Jahren konsequent gegen islamistische Organisationen und Aktivitäten in Deutschland vor.

(Stephan Protschka [AfD]: Oh ja, und wie! Ihr unterstützt DITIB! Nennt man das jetzt so?)

Ich kann Ihnen nur empfehlen, einen Blick auf die Homepage des Bundesinnenministeriums zu werfen. Oder lesen Sie einmal den Verfassungsschutzbericht. In der Vergangenheit hat es 21 Verbote im Bereich des Islamismus und des Ausländerextremismus wegen Aktivitäten gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung gegeben,

(Stephan Protschka [AfD]: Ach! Sie hofieren doch sogar Erdogan, der seine Moscheen als „Kasernen“ bezeichnet! Sie sind ja richtig gut!)

zuletzt gegen die salafistische Organisation „Die wahre Religion“. Sie sehen also: Unsere Demokratie, unser Rechtsstaat ist wehrhaft. Das sollten Sie endlich auch einmal anerkennen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist doch gar keine Frage. Die Scharia gehört nicht zu unserem Rechtsstaat, weil sie mit unserer demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ein fundamentalistischer Islam, dessen Ziel es ist, unsere Gesellschaft in Richtung eines Gottesstaates zu verändern, kann nicht Teil Deutschlands sein; da sind wir doch einer Meinung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Stephan Protschka [AfD]: Warum tut ihr dann nichts?)

Damit sind wir beim politischen Islam. Dass es den politischen Islam gibt, ist kein Hirngespinst. Es gibt zum Beispiel die Ergebnisse einer empirischen Studie der Uni Münster mit interessanten Ergebnissen. Sie wurde durchgeführt unter türkischen Muslimen. Ich will nur drei Ergebnisse nennen: Demnach haben rund 20 Prozent der Befragten eine negative Einstellung gegenüber Juden, 50 Prozent sagten, dass die Befolgung der religiösen Gebote wichtiger sei als die der staatlichen Gesetze,

(Stephan Protschka [AfD]: Hört! Hört!)

und ein Drittel sprach sich dafür aus, dass Muslime die Rückkehr zu einer Gesellschaftsordnung wie zu ­Mohammeds Zeiten anstreben sollten.

Natürlich müssen uns solche Ergebnisse mit Sorge erfüllen im Hinblick auf das Zusammenleben und den gesellschaftlichen Frieden.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Dann stimmen Sie unserem Antrag doch zu!)

Aber das ist ja nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist doch die: Wenn 20 Prozent der türkischstämmigen Muslime Vorbehalte gegen Juden haben, haben sie 80 Prozent nicht. Das sind vier Fünftel. Das ist doch die große Mehrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und zwei Drittel wollen auch keine Gesellschaftsordnung wie zu Mohammeds Zeiten. Ich finde, das ist doch ermutigend, meine Damen und Herren, und darauf sollten wir aufbauen.

Ehrlich gesagt – nur eine Bemerkung am Rande –: Wenn man sich die Äußerungen führender AfD-Vertreter so anhört, dann könnte man im Übrigen meinen, dass der Anteil der Antisemiten in der AfD deutlich über 20 Prozent liegt. Aber das vielleicht nur am Rande.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist auch so!)

Zurück zum Thema. Es stimmt nicht, dass die Scharia untrennbar mit dem Islam verbunden ist, wie Sie behaupten. Diese Unterstellung ist böswillig, diskriminierend, und sie ist auch destruktiv. Ihnen geht es nicht um den gesellschaftlichen Frieden bei uns im Lande. Sie wollen den Islam und seine Gläubigen insgesamt diskreditieren, und da spielen wir nicht mit.

Für uns ist eine Frage entscheidend: Wie gehen wir mit diesen fundamentalistischen Strömungen um, die es gibt? Wie kann es gelingen, den gesellschaftlichen Frieden zu verbessern? Dieser konstruktive Ansatz muss doch handlungsleitend für uns als Politiker sein. Da sage ich Ihnen: Unser Ziel ist, dass wir die liberalen Muslime stärken, die sich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, die für einen säkularen Islam stehen und die sich unserem Land verbunden fühlen, und dass wir gleichzeitig den Einfluss der radikalen Kräfte unterbinden.

Wir als Bundesregierung, als Koalition verfolgen diese Ziele konsequent. Zuletzt haben wir im Übrigen die Mittel an DITIB ab dem Haushalt 2018 gestrichen. Wir werden das auch bei anderen Vereinen und Verbänden machen, wenn fundamentalistische Aktivitäten nachweisbar sind. Sie sehen also: Wir führen diese Debatten in aller Klarheit, aber mit einem Ziel: das friedliche Miteinander zu stärken, den gegenseitigen Respekt zwischen den Religionen zu stärken, und so machen wir Politik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)