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Christoph de Vries: "Kritik an jeder Religion muss in unserem Land zulässig und möglich sein"

Rede zur Diskriminierung von Muslimen in Deutschland

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute eine Große Anfrage der Linksfraktion, die sie schon vor sehr langer Zeit an die Bundesregierung gestellt hat und die auch schon vor fast einem Jahr beantwortet worden ist. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum viele Entwicklungen zwischenzeitlich noch nicht ganz angekommen sind.

Um es in aller Deutlichkeit ganz zu Anfang zu sagen: Es ist bedauerlich und gleichermaßen bedenklich, dass es in Teilen der deutschen Gesellschaft antimuslimische Ressentiments gibt und dass Diskriminierungen aufgrund der Religion stattfinden; Sie haben es eben beschrieben. Für uns als Union ist völlig klar: Jegliche Diskriminierung und Muslimfeindlichkeit sind zu verurteilen, und sie sind auch aktiv zu bekämpfen. Das ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft, das ist die Aufgabe der Wirtschaft, aber vor allen Dingen natürlich zuallererst die Aufgabe der Politik – unsere Aufgabe.

Aber es kann doch niemand behaupten, dass wir uns in dieser Frage wegducken – genau das Gegenteil ist der Fall. Es waren die Innenminister, die schon 2016 beschlossen haben, islamfeindliche Straftaten im Bereich der Hasskriminalität gesondert zu erfassen.

(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es sind Studien über muslimisches Leben in Deutschland in Auftrag gegeben worden. Ich spreche die Antidiskriminierungsgesetzgebung an, aber auch die Beratungs- und Unterstützungsangebote für Opfer antimuslimischer Gewalt. Kurz gefasst: Es wird sehr, sehr viel von der Politik unternommen, um Vorurteile und Diskriminierungen abzubauen und auch um das Verständnis füreinander zu fördern.

Was dabei noch gar nicht berücksichtigt ist, sind die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Bis 2024 wird 1 Milliarde Euro für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus ausgegeben, für Prävention und Unterstützung der Betroffenen.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber nicht in der Antwort und im Haushalt auch nicht! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Bei diesen 89 Einzelmaßnahmen sind auch viele Maßnahmen dabei, die direkt oder indirekt zum Abbau der Diskriminierung von Muslimen beitragen. Ich nenne nur die Aufstockung bei Modellvorhaben im Rahmen von „Miteinander im Quartier“ oder auch die Forschungsförderung im Bereich der Muslimfeindlichkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen also: Der Kampf gegen Muslimfeindlichkeit ist bei der Koalition in guten Händen und wird sehr ernst genommen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich kann Ihnen versichern: Die Bekämpfung aller Formen religiösen oder politischen Extremismus in Deutschland und die Verteidigung unserer freiheitlichen Demokratie sind nirgendwo so gut aufgehoben wie bei der Union; das muss man an dieser Stelle auch einmal ganz klar sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind nämlich – da Sie das gerade anmelden – gleich resistent gegen alle Formen des Extremismus in unserem Land, und das unterscheidet uns im Übrigen ganz maßgeblich von Ihnen als Linke, die Sie immer wieder linksextremistische Taten verharmlosen oder mit ganz kruden Erklärungen rechtfertigen, meine Damen und Herren.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Tata! Tata! Tata!)

Werfen wir auch einmal einen Blick auf die AfD. Islamfeindlichkeit gehört, genauso wie die generelle Ablehnung von Zuwanderung, zum Standardportfolio der extremen Rechten. Mit Ihrem Einzug in den Bundestag ist hier auch eine Sichtweise aufgekommen, die zwischen Islam einerseits und Islamismus bzw. politischem Islam andererseits nicht unterscheiden will oder kann. Auch diese Haltung weisen wir an dieser Stelle in aller Deutlichkeit zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille sind natürlich Entwicklungen in der islamischen Welt, die viel zu lange beschönigt und auch verharmlost worden sind. Das gilt ganz besonders für die politische Linke. Ich spreche hier vom Aufstieg des politischen Islam und seiner Vertreter, die für eine islamische Gesellschafts- und Werteordnung in unserem Land eintreten und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt damit bedrohen.

(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])

Ehrlich gesagt, ganz symptomatisch dafür ist auch der Titel dieser Großen Anfrage, den Sie gewählt haben: „Antimuslimischer Rassismus ... in Deutschland“. Meine Damen und Herren, das ist ein konstruierter Rassismusbegriff, der aus dem postkolonialen Spektrum stammt und quasi Rassismus ohne Rassen kreiert.

(Zurufe von der LINKEN)

Denselben Begriff führt auch der türkische Präsident Erdogan im Munde, wenn er ganz bewusst immer die Rassismuskeule gegen Deutschland schwingt

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Unfassbar! Unfassbar!)

und die Geschichte der hier lebenden türkischstämmigen Menschen als die einer rassistisch diskriminierten Gruppe erzählt, zu deren Beschützer er sich dann regelmäßig aufschwingt.

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Ja, aber Sie verkaufen weiterhin fleißig Waffen an Erdogan und arbeiten hier fleißig weiter mit Herrn Erdogan!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dem Christentum können Sie traditionell eher wenig abgewinnen, und auch Ihre israelkritische Haltung ist zuweilen nur schwer von Antisemitismus zu unterscheiden. Aber Sie machen manchmal auch, ob bewusst oder unbewusst, gemeinsame Sache mit Herrn Erdogan und anderen autoritären Herrschern.

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Sie sind Erdogans Partner Nummer eins! Sie sind der Partner von Erdogan!)

Ich finde, Sie sollten das mal überdenken, und Sie sollten sich nicht als williges Werkzeug von Islamisten benutzen lassen,

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Ausgerechnet der Linken eine Partnerschaft mit Erdogan zu unterstellen! So ein Unsinn!)

deren wiederkehrender Topos immer die – vermeintliche – Islamfeindlichkeit der gesamten deutschen Gesellschaft ist. Ich sage Ihnen: Das gibt es nicht Deutschland. Das ist nicht so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Machen Sie mal die Augen auf! – Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Sie unterscheiden sich nicht von Erdogan!)

– Lesen Sie mal die eigenen Gastbeiträge der Kollegin Dağdelen, die dazu im Januar im „Spiegel“ einiges geschrieben hat. Sie hat mir da deutlich zugestimmt. Vielleicht sollten Sie das in Ihrer Fraktion erst mal klären, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich aber sagen: Kritik an jeder Religion muss in unserem Land zulässig und möglich sein; denn Religionskritik ist ein zentrales Erbe der Aufklärung, das wir uns als freiheitliche, als offene Gesellschaft auch bewahren müssen. Und wenn totalitäre Ideologien verbreitet werden, dann muss es Widerspruch geben. Das hat im Übrigen nichts mit Islamfeindlichkeit zu tun. Das ist die Verpflichtung eines jeden Demokraten.

Also, wir weisen Muslimfeindlichkeit, Diskriminierung und Vorurteile entschlossen zurück. Aber mit der gleichen Entschlossenheit müssen wir eben auch Fehlentwicklungen entgegentreten, dem politischen Islam die Stirn bieten, und wir dürfen solche Dinge nicht aus falsch verstandener Toleranz ignorieren. Das wäre auch nicht im Sinne der Integration.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Eine Antwort auf die Große Anfrage wäre besser gewesen! – Zuruf: Ganz schlechte Rede!)